Der Mangel an Menschen, die im Tourismus arbeiten wollen, bringt die Branche gehörig ins Schwitzen. Selbst in der gehobenen Hotellerie beklagt knapp die Hälfte (49 Prozent) der befragten Betriebe offene Stellen - vor allem im Service (62 Prozent), an der Rezeption und in der Küche (je 55 Prozent) sowie auf der Etage (38 Prozent), wie eine Erhebung der Österreichischen Hoteliervereinigung (ÖHV) zeigt. Schuld daran sind die Demografie und die unattraktiven Arbeitszeiten.
Ohne Verstärkung durch Arbeitskräfte aus dem Ausland geht es nach Branchenangaben am derzeit in Graz laufenden ÖHV-Kongress nicht mehr. Schon jetzt sind laut Tourismus-Staatssekretärin Susanne Kraus-Winkler (ÖVP) nur noch 40 bis 44 Prozent der Beschäftigten in den heimischen Tourismusbetrieben aus Österreich. Rund ein Drittel komme aus dem EU-Ausland und etwa 20 Prozent seien aus Drittstaaten.
Die Zahl der Beschäftigten aus Österreich sei von der Tendenz her weiter rückläufig. "Das ist der Demografie geschuldet", so Kraus-Winkler. "Das heißt, wir werden uns damit auseinandersetzen müssen, dass wir de facto Mitarbeiter aus dem Ausland bekommen werden", betonte die Staatssekretärin. "Ohne Mitarbeiter können wir gar nicht Tourismus machen, ohne Mitarbeiter kann diese Servicequalität in Österreich nicht produziert werden", strich sie hervor.
Selbst die etablierten Tourismusschulen, die es in Österreich gibt, schaffen bei dem vorherrschenden Arbeitskräftemangel keine Abhilfe. "Tatsache ist, dass rund 20 bis 25 Prozent diese Schulen starten, ohne dass sie die Absicht haben, in der Branche zu bleiben", sagte ÖHV-Präsident Walter Veit am Montag in Graz. "40 Prozent wollen bleiben, rund ein Drittel ist unentschlossen - und hier müssen wir ansetzen", meinte Veit. "In der Küche haben wir einen Riesenrückgang, in der Küche und bei Kellnern."
Der Pool an Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern müsse erweitert werden - etwa durch eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit oder durch die Aktivierung von Frauen, sagte die Direktorin von EcoAustria, Monika Köppl-Turyna, die eine Branchenanalyse im Auftrag der ÖHV durchführte. "Es ist schwierig, die Arbeitskräfte nach der Corona-Pandemie zurückzubekommen." Nötig wären ihrer Meinung nach weitere Erleichterungen bei der Rot-Weiß-Rot-Karte. "Das ist noch viel zu komplex und streng." Auch die Anerkennung ausländischer Ausbildungsabschlüsse und eine Reform des Saisonnierkontingents regte sie an. "Saisonschwankungen wird es immer geben."
Vor zehn Jahren hätten noch rund 14.000 junge Menschen als Lehrlinge angefangen, berichtete Veit. "Mittlerweile haben wir 7.000 Lehrlinge." Während es der Industrie im selben Zeitraum gelungen sei, die Lehrlingszahlen zu halten und der Handel einen Rückgang von 20 Prozent habe, "haben sie sich bei uns halbiert". Als Grund dafür werden zum einen die nun geburtenschwache Jahrgänge, zum anderen die Arbeitszeiten ausgemacht.
"Wir sind halt die Branche, wo man arbeiten muss, wenn die anderen Freizeit haben - abends und an den Wochenenden", weiß Veit. Hinzu kommt laut Kraus-Winkler, dass gerne dort geurlaubt wird, wo wenig Menschen wohnen, in ländlichen Regionen.
"Service, Rezeption und Küche - das sind die Stellen, die ganz schwierig zu besetzen sind", bekräftigte Veit. "Viele Betriebe haben ihre Öffnungszeiten reduziert, weil die Mitarbeiter dazu fehlen."
Die vielen offenen Stellen im Tourismus haben auch wirtschaftliche Folgen. "Wo es weniger Mitarbeiter im Service und in der Küche gibt, geht der Umsatz natürlich zurück", so der Branchensprecher. Knapp 30 Prozent der von der ÖHV im Februar 2024 befragten Betriebe sprechen von einem Umsatzrückgang von 5 bis 10 Prozent infolge des Arbeitskräftemangels, weitere 27 Prozent verweisen sogar auf ein noch weitaus kräftigeres Umsatzminus.
Die Umsatzrückgänge aufgrund der nicht erbrachten Dienstleistungen führten zu einer weiteren Reduktion des Leistungsangebots, so Köppl-Turyna. Weiters erlitten die direkt mit dem Beherbergungsbereich verbundenen Branchen wie die Gastronomie und der Handel Umsatzeinbrüche. Und auch die Einkommen der Beschäftigten gingen insgesamt zurück. Der Haushaltskonsum sei in weiterer Folge ebenfalls rückläufig. In Summe drücke das mit 1,2 Mrd. Euro auf das Bruttoinlandsprodukt (BIP), errechnete EcoAustria als volkswirtschaftlichen Schaden.
Eine Handhabe dagegen sei unter anderem ein "Glätten" der Saisonalität, also den Ganzjahrestourismus nach Möglichkeit zu stärken, die Saisonen zu verlängern. Hier gebe es starke Schwankungen je nach Bundesland. "Die Steiermark ist weniger betroffen, Tirol am meisten natürlich, mit dem Wintertourismus", erklärte Köppl-Turyna. Hinzu kämen "andere Entwicklungen wie zum Beispiel der Klimawandel".
Ein Fokus auf Ganzjahrestourismus, Sporttourismus und Kulturtourismus wären mögliche Ansatzpunkte. Neue Zielgruppen zu adressieren wäre ein weiterer Aspekt, sagte sie und verwies etwa auf die "digitalen Nomaden", also Menschen, die ortsunabhängig arbeiten, wie beispielsweise Selbstständige, die Urlaub und stundenweises Arbeiten während ihres Aufenthalts kombinieren wollen. Dazu brauche es aber einen weiteren Ausbau guter Internetverbindungen. "Wir haben im ländlichen Raum immer noch Aufholbedarf, was die Breitbandinfrastruktur betrifft", betonte Köppl-Turyna.
Doch auch die Einkommen der im Tourismus Beschäftigten müssten verbessert werden - etwa durch eine Senkung der Einkommenssteuer. Zudem könnten geringere Lohnnebenkosten auf die Erhöhung der Nettoeinkommen wirken. Letzteres wäre auch eine Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit. "Wir reden viel von der Industrie, aber es ist im Tourismus fast noch schwieriger, weil es eine arbeitsintensive Branche ist", so die EcoAustria-Direktorin.
Betreffend geänderter Rahmenbedingungen wären auch ausgedehntere Kinderbetreuungsmöglichkeiten nötig - Ganztagesplätze und Plätze am Tagesrand. "Wenn das unter der Woche ganztägig wäre, wäre das schon ein großer Erfolg."
Die Digitalisierung könne der Branche nur bedingt helfen. "Es ist Potenzial da, aber in der Hotellerie ist das schwieriger als in anderen Branchen", so Köppl-Turyna. Künstliche Intelligenz könnte aber beispielsweise bei der Kundenbetreuung Unterstützung bieten. Auf Weiterbildung und digitale Skills müsse jedenfalls auch ein Fokus gelegt werden. (apa)