Mit dem erneuten Vortrag der Anklage ist am Montag der Prozess um angeblich zu günstig verkaufte Immobilien des Integrationsfonds (ÖIF) fortgesetzt worden. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) hat fünf Personen - darunter den Ex-ÖIF-Geschäftsführer - und zwei Verbände wegen Untreue bzw. Anstiftung und Beteiligung daran angeklagt. Sie sollen den Fonds "nach Strich und Faden ausgenommen" und einen Schaden von mehr als zehn Mio. Euro verursacht haben.
Beim Prozessauftakt vor zwei Wochen hatte sich der hauptangeklagte Ex-ÖIF-Chef, der die Vorwürfe wie alle anderen Angeklagten bestreitet, wegen eines lange geplanten Urlaubs entschuldigen lassen. Diesmal war er anwesend - im Gegensatz zu einem Mitangeklagten, dessen Verfahren aufgrund einer Verletzung bzw. Vorerkrankungen vorerst ausgeschieden wurde.
Ganz anders als die Anklage stellte Johannes Zink, Verteidiger des Hauptangeklagten, die Causa dar. Dieser habe den ÖIF in seiner Tätigkeit als Geschäftsführer zu einem "großen Laden ausgebaut". "Das war sein Leben." Nun werde aber "der Eindruck erweckt, er hätte sein eigenes Baby geschlachtet". Die fraglichen Wohnungen seien nicht gerade Wohnungen gewesen, die man unbedingt haben möchte. "Das sind Löcher. Dort wollen Sie nicht hausen."
Die fraglichen Immobilien wurden im Zeitraum 2006 bis 2009 verkauft. Der ÖIF hatte sich kurz davor aus der Wohnraumbeschaffung für Flüchtlinge zurückgezogen und veräußerte anschließend seinen Immobilienbestand. Die WKStA stützt ihre Anklage unter anderem auf Sachverständigengutachten zur Liegenschaftsbewertung. Der ÖIF hat sich als Privatbeteiligter dem Verfahren angeschlossen.
Laut WKStA hätten die miteinander großteils befreundeten Angeklagten "Wohnungen zum Spottpreis verscherbelt", Objekte angemietet, die der ÖIF nicht im Ansatz gebraucht habe, und Aufträge zu teuer vergeben. Das sei zwar nicht so simpel gewesen wie ein Griff in die ÖIF-Kassa, "vom Inhalt aber durchaus vergleichbar". Sämtliche Angeklagten seien Immobilienspezialisten und hätten um den genauen Wert der Wohnungen gewusst.
Um das ÖIF-Kuratorium, das bestimmte Verträge genehmigen muss, zu täuschen, habe man Gutachten gesteuert erstellt und Deckangebote organisiert. Unter anderem seien teils desolate Wohnungen präsentiert und vorgegeben worden, dass alle Einheiten so aussehen würde, so der Staatsanwalt. So seien dem Kuratorium falsche Wertverhältnisse vorgegaukelt worden, um dessen Zustimmung zu erlangen. "Man musste versuchen, das eigene bessere Wissen zu kaschieren, um dem Kuratorium eine alternative Realität vorzuspiegeln."
Zink dagegen konterte, dass sich die Kuratoriumsmitglieder mit einer Ausnahme gar nicht getäuscht fühlen würden - das würden dann die Zeugenaussagen zeigen. Diese seien auch keine willfährigen Abstimmer gewesen, sondern Spitzenbeamte des Innenministeriums. Im Kuratorium habe man stets alles gewusst - teils seien etwa durchaus Immobilien vielleicht zähneknirschend verkauft worden, weil die Angebote dafür unter dem Gutachtenswert gelegen seien. Allerdings habe der Fonds Geld für andere Projekte gebraucht.
"Man kann nicht pauschal sagen, es gibt einen roten Faden, wie es von der Anklage gezeichnet wird", betonte Zink. Auch die behaupteten Freundschaften gebe es zum Teil so nicht. "Der Feind dieser Anklage ist das Detail", schloss der Verteidiger.
Auch der Ex-ÖIF-Chef wies am Beginn seiner Einvernahme in einer Stellungnahme eine Täuschung des Kuratoriums zurück: "Das ist absurd." Die eingebrachte Anzeige, die schließlich zur Anklage führte, sei von der damaligen Opposition eingebracht worden, weil man ihn einem angeblichen ÖVP-Netzwerk zugerechnet habe. Seine Einordnung als "Immobilienexperte" durch die Anklage überrasche ihn - insgesamt habe er zu dem Thema ein halb- und ein ganztägiges Seminar absolviert.
Inhaltlich verwies er darauf, dass der ÖIF rund 6.000 Wohnungen in seinem Portfolio gehabt habe - in unterschiedlicher Form von Eigentums- über Miet- bis zu Genossenschaftswohnungen. Vielfach habe man diese aufgrund von unbefristeten Mietverträgen aber gar nicht vergeben können, es hätten Haftungen dafür bestanden, und zum Teil habe es Proteste der FPÖ gegen das Engagement des ÖIF in diesem Segment gegeben. Daher habe die damalige Innenministerin Liese Prokop (ÖVP) vorgegeben, aus dem Thema Flüchtlingsunterkünfte hinauszugehen - und wenn, dann dies nur zusammen mit Ländern und Gemeinden weiterzumachen.
Die Wohnungen an und für sich seien immer ein Verlustgeschäft für den ÖIF gewesen - "dieser Verlust hat die Existenz des ÖIF gefährdet", so der Angeklagte. Als Hauseigentümer hafte man außerdem, wenn trotz schwerer Mängel Wohnungen weiter vermietet werden. Er habe die Unterkünfte teils selbst begangen: "Ich war persönlich erschüttert." Zum Teil hätten Stiegengeländer gefehlt, es habe freiliegende Leitungen und Schimmelbefall gegeben. Die Verkäufe seien daher im Interesse des ÖIF gelegen, mit dem Erlös habe man etwa Qualifizierungsmaßnahmen für Flüchtlinge finanzieren können. Anders als in der Anklage geschildert seien auch alle Dienstleister, die er bei der Abwicklung beauftragt habe, seriöse Unternehmer gewesen.
Die Anklage behaupte nicht einmal, dass er finanzielle Zuwendungen von einem der anderen Angeklagten erhalten habe - er frage sich daher, was sein Motiv gewesen sein solle. Enge persönliche und berufliche Kontakte zu einem der Mitangeklagten, einem ehemaligen Kabinettschef des Innenministeriums, räumte der Ex-ÖIF-Chef ein. "Es gibt einen Vorwurf, zu dem ich geständig bin - das ist die Freundschaft zum Dr. ...(Name des Mitangeklagten, Anm.)" Mit einem weiteren sei er näher bekannt gewesen - dieser habe auch den Verkauf seiner eigenen Eigentumswohnung abgewickelt -, mit anderen nicht einmal das.
Das Verfahren wird noch länger dauern. Am Mittwoch sollen weitere Angeklagte zu Wort kommen, ab 10. September die ersten Zeugen gehört werden. Anschließend sind bis knapp vor Weihnachten noch sieben weitere Termine angesetzt. (apa)