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Ohne Investition keine Transformation

Die Vereinigung der Österreichischen Zementindustrie verfolgt ambitionierte Ziele in puncto Klimaschutz - Ein wichtiger Hebel dafür sind zielgerichtete Investitionen in den Industriestandort Österreich
Patrick Baldia
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© VÖZ/Stefan Seelig | VÖZ-Präsident Berthold Kren (l) und VÖZ-Geschäftsführer Sebastian Spaun fordern zielgerichtete Investitionen in den Industriestandort Österreich

„Als CO2-intensive Industrie stellen wir uns unserer Verantwortung seit vielen Jahren. Die österreichische Zementindustrie setzt alle Hebel in Bewegung, um ihren Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Die herausforderndsten Aufgaben für uns als ,hard to abate`-Industrie bleiben die CO2-Abscheidung, -Verwertung und -Speicherung. Hier brauchen wir funktionierende Rahmenbedingungen von der Politik, die jetzt die Weichen für eine CO2-freie Industrieproduktion in Österreich stellen muss“, betont Berthold Kren, VÖZ-Präsident. „Konkret geht es um leistungsfähige Infrastruktur für den Ausbau von erneuerbarem Strom wie auch für den Transport und die Speicherung von CO2 und Wasserstoff“, ergänzt Sebastian Spaun, Geschäftsführer der VÖZ. „Andere Länder Europas wie Norwegen und Dänemark sind dank besserer Voraussetzungen und großzügiger Förderungen bereits voll durchgestartet. Der Binnenstandort Österreich darf hier nicht den Anschluss verlieren“, warnt Kren.  

Ein zentrales Anliegen der österreichischen Zementindustrie ist die weitere Reduktion der CO2-Emissionen bei der Herstellung von Zement, deren Anteil in Österreich aktuell bei etwa drei Prozent liegt. Mit dem geringsten CO2-Fußabdruck je produzierter Tonne Zement ist Österreich nach wie vor Weltmeister. Alle Mitgliedsbetriebe der VÖZ arbeiten weiterhin intensiv an Klimaschutz und Kreislaufwirtschaft: „Eine Transformation in eine grüne Zukunft gelingt nur übergreifend und umfassend. Sowohl Bauindustrie als auch Auftraggeber und Politik sind zum Handeln aufgerufen“, plädiert Spaun. Die Bauindustrie ist bereit, CO2-reduzierte Zemente einzusetzen. „Was es dringend braucht, sind grüne Leitprojekte für klimafitte CEM-II/C-Zemente und diesbezüglich vorbildlich agierende öffentliche Auftraggeber.“ 

Kreislaufwirtschaft auf Rekordniveau

2023 erwirtschaftete die österreichische Zementindustrie einen Umsatz von 612 Mio. Euro – um 2,2 Prozent mehr als 2022. Insgesamt produzierten die acht Zementwerke 2023 an die 4,42 Mio. Tonnen Zement – 15,2 Prozent weniger als im Vorjahr. „Die aktuellen Produktionszahlen spiegeln ganz klar den Einbruch der Baukonjunktur wider. Es gab einen extremen Nachfragerückgang im Bereich des großvolumigen Wohnbaus und des privaten Neubaus; ganz zu schweigen vom leistbaren Wohnbau“, so Kren. Bezüglich fossiler Brennstoffe erweist sich die Branche als Musterschüler: Der Einsatz konventioneller Brennstoffe (Kohle, Heizöl etc.) wurde um 27,6 Prozent reduziert. Die Ersatzbrennstoffrate stieg auf 85 Prozent. „Die Zahlen zeigen, dass wir auf dem richtigen Weg sind: Es handelt sich dabei um den bisher höchsten Wert seit Beginn unseres Engagements in der Ressourcenschonung vor mehr als 30 Jahren“, erläutert Spaun. Die CO2-Emissionen sanken um 15,4 Prozent auf absolut 2,26 Mio. Tonnen. Die aktuelle Emission pro Tonne Zement konnte somit von 521 auf 503 kg CO2 reduziert werden. Das entspricht 3,45 Prozent.

Die Zementwerke haben auch ihre Maßnahmen für Klima- und Umweltschutz fortgesetzt, das zeigen die Umweltschutzinvestitionen der Werke: 2023 wurden 17,8 Millionen Euro in Umweltschutzmaßnahmen investiert. „Auf Rekordniveau bewegt sich unser Beitrag zur Kreislaufwirtschaft: 525 kg Sekundärstoffe (Ersatzstoffe und -brennstoffe) wurden bei der Herstellung pro Tonne Zement eingesetzt; ein Plus von knapp 10 Prozent beim sogenannten Ressourcenschonungsfaktor“, erläutert Berthold Kren. 

Klimafitte Zemente als Hebel zur Dekarbonisierung

Kreislaufwirtschaft und Klimaschutz sind das Gebot der Stunde bei der Entwicklung von neuen, klimafitten Zementen. Die VÖZ entwickelte gemeinsam mit den Mitgliedswerken und mit der Smart Minerals GmbH die klimafitten CEM-II/C-Zemente. 16 Zemente verfügen über eine Bautechnische Zulassung (BTZ) des Österreichischen Instituts für Bautechnik (OIB). Erste Demonstrationsgebäude mit dem CEM II/C – wie die Volksschule Adnet, ein Projekt der Salzburg Wohnbau, und eine Schule in Graz Reininghaus – zeigen: Er funktioniert, kostet nicht mehr und reduziert die CO2-Emissionen gewaltig – und die Bauherren sind begeistert. 

Zementbranche Vorreiter bei flächendeckender Ausrollung von EPDs

Umweltproduktdeklarationen (EPD) gelten in Zukunft als Must-have der planenden und ausführenden Bauwirtschaft, um Umweltauswirkungen eines Produkts während seines gesamten Lebenszyklus transparent darstellen zu können. Auch hier ist die Zementindustrie einen Schritt voraus. „Wir verfügen über Emissions- und Umweltbilanzen, die 37 Jahre zurückreichen und seither immer veröffentlicht wurden. Diese decken bereits 90 Prozent der Daten ab, die für die Erstellung einer EPD notwendig sind“, so Spaun.  

VÖZ-Kolloquium am 4. November 2024

Auch dieses Jahr wird sich beim Kolloquium der VÖZ wieder alles um aktuelle Erkenntnisse aus Forschung und Entwicklung für Zement und Beton drehen. Die Keynote wird Horst-Michael Ludwig von der Bauhaus-Universität Weimar zum Thema Zement und Bindemittel halten. Das erfolgreiche Konzept der Podiumsdiskussion wird auch 2024 fortgesetzt, diesmal über klimafittes Bauen in der Zukunft. Außerdem gibt es weitere Vorträge rund um Klimaschutzpotenziale bei der Zementherstellung und Nachhaltigkeit im Betonbau.  

Vorzeigebeispiel Lebenscampus Wolfganggasse

Um die grüne Transformation zu forcieren, müssen nicht nur viele Hebel in Bewegung gesetzt werden, auch ein gewisses Durchhaltevermögen gehört dazu. „Wir als VÖZ haben das am Beispiel der Bauteilaktivierung selbst gezeigt und erlebt. Mehr als 15 Jahre nach den ersten wissenschaftlich begleiteten Pilotprojekten geht diese einfache, aber gleichzeitig unheimlich effiziente Technologie so richtig in die Breite. Ein Vorzeigebeispiel ist der Lebenscampus Wolfganggasse in Wien, der zeigt, dass die Bauteilaktivierung im sozialen Wohnbau angekommen ist“, so Spaun.  

Im neuen Stadtteil Wolfganggasse realisierten die wbv-gp und Neues Leben mit den Architektenteams Gerner Gerner Plus und M&S Architekten den sogenannten Lebenscampus Wolfganggasse mit 323 geförderten Wohnungen, zahlreichen Sonderwohnformen wie auch einem innovativen Gebäudetechnikkonzept. Neben Wohnungen errichteten die Bauträger in Kooperation mit dem Grundstücksnachbarn ÖJAB und dem Neunerhaus in fünf Gebäuden ein Studierenden- und Jugendwohnheim, Lehrwerkstätten, Seminar- sowie Unterrichtsräume, in direkter Nachbarschaft zu einem Pflegewohnhaus der ÖJAB. „Mit dem Lebenscampus Wolfganggasse haben wir erfolgreich eine durchdachte Verbindung von Wohnen, Ausbildung und Betreuung geschaffen. Insbesondere mit Wohnformen für Alleinerziehende und Getrennt-Erziehende bieten wir maßgeschneiderte Lösungen in Form von Wohnungen, Wohngemeinschaften und temporären Wohnmöglichkeiten an. Zusätzlich legen wir großen Wert auf Inklusion, indem wir Ausbildungsplätze für junge Menschen sowie Betreuungsmöglichkeiten für Menschen in schwierigen Lebenssituationen bereitstellen“, fasst Cilli Wiltschko, Abteilungsleiterin Projektentwicklung wbv-gpa, das Konzept zusammen.  

Bauteilaktivierung im sozialen Wohnbau angekommen

Neben den leistbaren Mieten – um acht Euro pro Quadratmeter – punkten die beiden Bauplätze vor allem auch durch besonders günstige Betriebskosten. Alle Wohnungen werden über eine oberflächennahe Decken-Bauteilaktivierung geheizt, jede Wohnung verfügt über ein Referenzraum-Thermostat. Die Gemeinschaftsräume werden über die Bauteilaktivierung auch gekühlt. Reinhard Egger, Geschäftsführer Gerstl Bau, erläutert: „Wir bauen nichts anderes mehr, das ist das einzig kluge System – wir nützen die Speichermasse von Beton und können so ein nachhaltiges, kostengünstiges Energiekonzept bieten.“ Ivan Blagojevic, Leiter Technik, Neues Leben: „Wir sind sehr stolz, mit dem Lebenscampus Wolfganggasse einen weiteren Beitrag zum kostengünstigen Wohnraum geleistet zu haben.“ Alle Bauteile basieren auf einer statisch optimierten Stahlbetonkonstruktion, ergänzt mit Betonfertigteilen. Alle Dächer sind mit extensiven Gründächern ausgestattet. Die ökonomische Nachhaltigkeit des Gesamtkonzepts äußert sich durch die Kompaktheit des Baukörpers, effiziente konstruktive Strukturen und eine klare Erschließung. Besonders fällt beim Lebenscampus Wolfganggasse auch die Außenraumgestaltung von Yewo auf. Betonfertigteile in unterschiedlichen Größen wurden zur Abtreppung des Grundstückes wie auch für einen barrierefreien Zugang eingesetzt. Darüber hinaus wurden alle Wege mit wasserdurchlässigen Betonflächen errichtet. Außerdem reflektieren die hellen Flächen, Wege und Plätze aus Beton die Sonnenstrahlen stärker zurück (Albedo-Effekt) und mindern dadurch den Treibhauseffekt.