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pacta sunt servanda

„Altverträge vor 1997 haben wir gekündigt“, betont der Ende April aus der S-Bausparkasse ausscheidende Vorstandsdirektor Ernst Karner bei seiner letzten Bilanzpressekonferenz. Der Grund: Die Bausparer rufen ihre Kredite nicht mehr ab - und das kommt den Bausparkassen teuer.
Michael Neubauer

„Altverträge vor 1997 haben wir gekündigt“, betont der Ende April aus der S-Bausparkasse ausscheidende Vorstandsdirektor Ernst Karner bei seiner letzten Bilanzpressekonferenz. Bei danach abgeschlossenen Verträgen hoffe er bei den Verhandlungen mit der Finanzmarktaufsicht auf ein für die Bausparkassen günstiges Ergebnis, nachdem der Oberste Gerichtshof Zinssenkungen für solchen Altbestand durch die Wüstenrot für unzulässig erklärt hat. Auch wenn es sich nur um einige wenige Verträge handelt, wie immer betont wird, der Stachel sitzt tief. Die Bausparer rufen ihre Kredite nicht mehr ab. Die einst relativ niedrigen Zinsen ihrer Verträge sind heute extrem attraktiv. Da lässt man das Geld lieber auf der Bausparkasse liegen. Aus Sicht der Bausparkassen liegt in solchen Fällen eine Zweckentfremdung des Bausparvertrages vor, da viele Kunden nie ein Darlehen in Anspruch genommen haben, was solche Bausparverträge laut Karner zur reinen Kapitalanlage gewandelt hat. In Deutschland haben die Bausparkassen bereits massenhaft Verträge gekündigt und wurden von ihren ehemaligen Kunden vor den Kadi gezerrt. Mit unterschiedlichen Ergebnissen. Ein Oberlandesgericht hat sich auf Seite der Bausparkassen begeben: Die Institute dürfen ihren Kunden kündigen, wenn diese sparen, statt ein Bauspardarlehen aufzunehmen. Das Oberlandesgericht Stuttgart als erstes Berufungsgericht zugunsten einer Sparerin entschieden. Die Bausparkasse Wüstenrot habe kein Recht, den Vertrag zu kündigen, so der Richter in seiner Entscheidung:  „Der Vertrag ist fortzusetzen.“ Wüstenrot hatte gekündigt, weil die Kundin ihr angespartes Geld seit 22 Jahren auf dem Konto bunkerte und dafür drei Prozent Zinsen einstrich, statt das Darlehen abzurufen. Das Geschäftsmodell der Bausparkassen ist simpel: Der Kunde legt eine Zeit lang regelmäßig Geld zur Seite. Dafür bekommt er verhältnismäßig wenig Zinsen. Doch sobald er die vereinbarte Bausparsumme (der Regel beträgt das Mindestbausparguthaben 30 Prozent) angespart hat, ist der Kredit „zuteilungsreif“: Der Verbraucher darf dann ein Darlehen aufnehmen, für das er dann ebenfalls besonders niedrige Zinsen zahlt. Eines sollte man aber nicht außer Acht lassen: Nicht nur der Bausparer auch die Bausparkassen haben von diesem System profitiert. Dank der - aus dem damaligen Blickwinkel - niedrigen Zinsen, die die Bausparkassen in der Ansparungsphase zu zahlen hatten, kam ihnen die eigene Refinanzierung deutlich günstiger. Und noch eines: Damit die Bausparkassen möglichst viele Kredite vergeben konnte, brauchten sie auch die „Nur-Sparer“. Dass das System bei extrem niedrigen Zinsen nicht mehr funktioniert – liegt auf der Hand. Dass man aber Verträge, nur weil sie sich nicht mehr rechnen, einfach kündigen kann – nicht.