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Paradoxon

Wien hat die größte Anzahl an sozialen Wohnungen, gleichzeitig aber ist leistbares Wohnen ein Problem.
Michael Neubauer

„In dem Bundesland mit dem höchsten Anteil an sozialen Wohnungen gibt es für junge Menschen gleichzeitig die größten Probleme, leistbaren Wohnraum zu finden. Das wirft die Frage auf, wer bekommt die leistbaren Wohnungen, wenn nicht jene junge Menschen, die diese dringend als Starthilfe benötigen“, erklärte diese Woche Michael Pisecky. Der Obmann der Fachgruppe der Immobilien- und Vermögenstreuhänder der Wirtschaftskammer Wien reagiert in der Presseaussendung auf die Diskussion rund um die AK-Studie zu leistbarem Wohnraum.

Recht hat er. 

Frechheit siegt - Angriff ist die beste Verteidigung, wird es in der Arbeiterkammer bei der Erstellung des 5-Punkte-Forderungsprogramm geheißen haben. Fünf Punkte von denen nur ein einziger den Ansatz einer Lösung verspricht. „Mehr geförderter Wohnbau: Mit der Widmungskategorie ‚Geförderter Wohnbau‘ setzte Wien einen Schritt in die richtige Richtung. Zusätzlich müssen Grundstücksreserven, die Bund und Länder besitzen, vorrangig für den geförderten Wohnbau gesichert und verwendet werden.“

Also endlich. Also her mit Bauland. Aber es stellt sich die Frage: Seit wie vielen Jahren wird rot bzw. rot / grün regiert? Man sah und sieht das Problem und schaut zu. Oder hat die rot-dominierte AK bei ihren Genossen in der Stadtregierung kein Ohr gefunden? Einfacher ist es den privaten Investoren den Schwarzen Peter zuzuschieben. „Um in Wien mindestens 9.000 neue geförderte Wohnungen pro Jahr zu errichten, müssen auch private Projektentwickler – durch eine Sozialwohnungsverpflichtung – mehr in die Verantwortung genommen werden.“ Damit soll das eigene Versagen zugedeckt werden. Keine Frage: Es gehört Mut dazu, auch einmal das eigene Klientel vor den Kopf zu stoßen. Eine oftmals erhobene Forderung nach Überprüfung der Einkommensgrenzen für geförderte Wohnungen insbesondere nach Vergabe würde auch viele Rot- bzw. Grün-Wähler betreffen. Fakt ist: die Einkommensgrenzen sind nicht treffsicher und viele, die eine Wohnung zugeteilt bekommen, verdienen später mehr als dürften. So ist es faszinierend, dass praktisch alle Berufseinsteiger Anspruch auf eine geförderte Wohnung haben. Da die Einkommen aber nur zu Beginn relevant sind und Einkommenssteigerungen nicht berücksichtigt werden, mangelt es dem System an sozialer Treffsicherheit und spätere Besserverdienende bleiben die Vorteile einer geringen Miete erhalten – sie sind Nutznießer des Systems.

Diese Themen - ohne ideologische Scheuklappen - einmal anzugehen, ist dringend geboten. Der Mut, vor der eigenen Tür zu kehren, fehlt aber offenbar. Das Thema der Leistbarkeit ist nicht eindimensional zu lösen und bedarf umfassender Maßnahmen; Maßnahmen, die jedoch auch wehtun können.