Die toxische Kombination aus hohen Zinsen und Inflation, Ukraine-Krieg und Konjunkturabschwung haben den mehr als zehn Jahrzehnt dauernden Aufschwung in der Immobilienbranche ein jähes Ende bereitet. Seitdem ist die Ernüchterung und Ratlosigkeit unter den Branchenplayern groß während gefühlt täglich neue Hiobsbotschaften über Insolvenzen, Bau- und Projekt-Stopps und Skandale eintrudeln – Stichwort Signa. Was sind die Lehren aus der Krise? Sind die gesetzten Impulse, Stichwort: Wohnbaumilliarde, sinnvolle bzw. ausreichende Medizin oder sind weitere Maßnahmen gefordert? Können die Banken die Markturbulenzen verkraften? Welche Folgen hat die Krise für Immobilienfinanzierungen? Braucht es jetzt neue Geschäftsmodelle und Strategien? Ist Nachhaltigkeit im Sinne von ESG die Lösung?
... und das sagen die Experten:
„Der Tiefpunkt der aktuellen Krise ist vielleicht erreicht, ob es aber wieder aufwärts geht, trau ich mich nicht zu sagen. Das wird erst der Fall sein, wenn die Altlasten ausgeräumt bzw. die Portfolios bereinigt worden sind.“
„Hohe Zinsen sowie die KIM-Verordnung haben ein schwieriges Umfeld für alle Marktteilnehmer geschaffen. Um hier gemeinsam einen zeitnahen Weg aus der Krise zu finden, wird es ein Zusammenspiel von allen politischen und wirtschaftlichen Stakeholdern geben müssen.“
“Wir erleben gerade eine sehr interessante Zeit für Buy-and-Hold-Käufer und -Entwickler, die nicht Exit-getrieben agieren müssen. Sie profitieren von sehr attraktiven Kaufpreisen und Nettomieten.“
„Im Wohnbereich ist die Talsohle noch nicht erreicht, weil die typischen globalen Investoren, die in den letzten sieben, acht Jahren Wohnimmobilien gekauft haben, aktuell nicht zu für sie attraktiven Preisen verkaufen können.“
„Wichtig wäre es, sowohl für Konsumenten, die Wohnraum kaufen möchten, als auch für Projektentwickler Anreize zu schaffen. Für Erstere müssten Finanzierungen wieder ermöglicht werden. Developer könnte man relativ schnell mit steuerlichen Anreizen helfen.“
„Wir beobachten täglich wie sich Transaktionen, Preise sowie Volumina am heimischen Markt entwickeln. Noch ist allerdings keine Trendwende zu erkennen. Daher gilt es weiter, näher zusammenzurücken, um die Krise gemeinsam zu meistern.“
Man kann an vielen Stellen ansetzen, um den Entwicklungs-, Planungs- und Bauprozess zu optimieren und am Ende des Tages Wohnen billiger zu machen. Wichtig wären etwa niedrigere Grundstückspreise und Baukosten. Man könnte unter anderem aber auch einschlägige Normen entschlacken oder Verfahren beschleunigen.
„Es gibt gewisse Vorgaben und Regularien, sowohl auf nationaler als auch auf EU-Ebene, die die Schaffung von leistbarem Wohnraum nicht gerade fördern. Da sollte man sich überlegen, ob die damit verbundenen Kosten, die letztlich der Kunde tragen muss, wirklich zu rechtfertigen sind.
„Ich glaube, dass es künftig weniger Marktteilnehmer geben wird. Sie werden mehr noch als früher mit Qualität überzeugen müssen und dabei die Kosten und das immer wichtigere Thema Nachhaltigkeit im Auge behalten.“
„Ich bin optimistisch, dass es am Wohnmarkt wieder bergauf geht. Auch wenn ich von Mitarbeitern höre, dass es in Wien kaum mehr Wohnungen unter 1.000 Euro pro Monat gibt. Andererseits sehe ich aufgrund meiner Tätigkeiten Universitäten, dass es einen ständigen Zuzug von Studenten gibt. Auch die müssen wo wohnen.“
„In Österreich ist bauen bis zu doppelt so teuer als in anderen europäischen Ländern. Das liegt an überbordenden Brandschutzpflichten, Stellplatzpflichten usw. Man könnte sicher bei den Baukosten bis zu 30 Prozent einsparen, ohne an der Qualität zu rütteln.“
„Früher konnte man mit seiner Hausbank relativ sicher Immobilienprojekte finanzieren. In den letzten Monaten war dagegen zu sehen, dass durchaus angesehene Developer, die neue oder anstehende Projekte realisieren möchten, riesige Probleme haben 0815-Finanzierungen zu bekommen.“
„Der Tiefpunkt der laufenden Krise ist aus meiner Sicht überschritten, aber die Party Zeit ist für längere Zeit vorbei. Wir sind vielmehr noch damit beschäftigt, nach dem Sturm das schwer im Wasser liegende Boot auszuschöpfen. Immerhin haben wir damit begonnen, darüber nachzudenken, wie es wäre, wenn man wieder mit dem Rudern anfängt.“
„In Deutschland gibt es auch Verwerfungen am Immobilienmarkt, sogar mehr als in Österreich, aber keine KIM-Verordnung. Die KIM-Verordnung kann also nicht der Hauptschuldige an der Krise sein. Die laufende Marktbereinigung ist auch nicht allein auf die Zinsen oder Baupreise zurückzuführen, sondern vor allem auf überhöhte Erwartungen in der Zeit vor 2022.“
„Die EU-Gebäuderichtlinie, die ja bis 2026 in nationales Recht umgesetzt werden muss, sollte der Baubranche, aber auch der Immobilienwirtschaft insgesamt, einen ordentlichen Boom bescheren. Nach unseren Schätzungen müssen in Österreich allein im gewerblichen Bereich rund 6.000 Gebäude saniert werden.“
Aktuell werden in Wien im Wohnbereich vollvermietete, neuwertige Bestandsobjekte mit einem Baualter von weniger als zehn Jahren für vier bis 4,5 Prozent Rendite verkauft. Basierend auf dem derzeitigen Mietniveau liegen diese Preise damit deutlich unter den Gestehungskosten. Dieser Zustand ist nicht nachhaltig und kann daher natürlich nicht langfristig so weiterbestehen.“
Die KIM-Verordnung sollte zumindest gelockert werden, zumal ja der Privatkredit-Bereich nicht großartig mit Ausfällen behaftet ist. Von Kreditrisiken ist in erster Linie der gewerbliche Bereich betroffen.