Lassen Sie uns gleich mit dem größten Problem beginnen: Der Regierungserklärung hat es in sich. Die Immobilienwirtschaft wird sich warm anziehen müssen.
ARGE Eigenheim Obfrau Isabella Stickler: Die Mietpreisbremse wurde bereits vielfach diskutiert. Für den Wohnungsstandort Österreich oder die Stabilität des Marktes ist es sicherlich ein wiederholter Fehler. Wenn man es genau betrachtet, ist die Mitpreisbremse eine pauschale Gießkannenförderung für ohnehin schon privilegierte Mieter. Das Ziel, leistbares Wohnen für mehr Menschen in Österreich zu ermöglichen, wird damit sicher nicht erreicht.
Ist der gemeinnützige Wohnbau damit zum Erliegen gekommen?
Nein. Aber er wird durch die kumulierten Mindereinnahmen massiv beeinträchtigt. Wir hatten bereits 2024 durch das 3. MILG erhebliche Mindereinnahmen. Das bedeutet, diese Wiederholungen werden wirklich problematisch. Im Neubau bin ich gespannt, ob die Regierung ihre Versprechen, die Förderung des leistbaren Wohnraums durch Bodenpolitik und Objektförderungen, auch wirklich hält. Überzeugt bin ich noch nicht.
Ein großes Problem für uns ist, dass diese Mindereinnahmen in den günstigsten Mietsegmenten oder im Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrag (EVB) zu einem Investitionsstopp oder zumindest zu einen Investitionsrückstau führen.
Der EVB bei Genossenschaftswohnungen ist ein Mietbestandteil, der zur Finanzierung von Erhaltungs- und Verbesserungsarbeiten, wie zum Beispiel der Reparatur der kaputten Fenster oder dem Einbau eines Aufzuges, dient. Eine Deckelung bedeutet geringere Dotierung des EVB und somit weniger Reparaturen, Sanierungen und Verbesserungen der Wohnhausanlage.
Unser Verband hat hochgerechnet, dass als Effekte der kumulierten Mindereinnahmen dem Wohnungsmarkt in Österreich 27.500 thermisch sanierte Wohnungen und 16.500 Heizungsumstellungen fehlen. Wenn man sich die Umverteilung anschaut, sieht man, dass die Grundmieten, die jetzt gedeckelt werden, in unserem Bereich bei 2,05 Euro pro Quadratmeter liegen. Eine Indexierung mit einem dreiprozentigen Index wäre jetzt bei 2,11 Euro. Das ist für den Einzelnen sicherlich eine verträgliche Steigerung.
Das größte Problem ist, dass wir geplante Einnahmen für Sanierungen jetzt einfach nach hinten schieben müssen, was vor allem kleinere Mittelständler in Bau und Sanierung hart trifft. Es sind vor allem kleinere Handwerksbetriebe, die diese Aufträge verlieren. Das ist ein Schritt in die falsche Richtung für die Bau-Community und den Wirtschaftsstandort Österreich.
Kann man dieses Sanierungsvolumen im gemeinnützigen Bereich beziffern?
Die ARGE Eigenheim hat diese Woche die Summen dieser Mindereinnahmen aus dem 4. MILG ausgewertet und heruntergebrochen Es handelt sich, verteilt über die Jahre 2025 bis 2027, um knapp 190 Millionen Euro. Noch einmal: Kleine Erhöhungen wären für den Einzelnen sozial verträglich gewesen und hätten die günstigsten Mieten nicht wesentlich verteuert. Für die Gesellschaften bedeutet dies jedoch eine erhebliche Unsicherheit bei den Einnahmen. Der Markt ist bereits stark verunsichert. Durch fehlende Planbarkeit und Verunsicherung wird der Markt nicht stabiler werden. Dies betrifft nicht nur unseren Bereich, sondern die gesamte Wirtschaft. Der Immobilienmarkt ist ein Wirtschaftsbereich, der Stabilität benötigt. Wenn ich heute investiere, brauche ich Planbarkeit. Diese ist momentan nicht gegeben. Diese Unsicherheit betrifft sowohl Investoren als auch Mieter und führt zu einer allgemeinen Instabilität, die langfristig negative Auswirkungen auf den Immobilienmarkt und die Wirtschaft haben wird.
Haben sich die zwei Wirtschaftsparteien Neos und ÖVP im Bereich Wohnen - sehr salopp formuliert - über den Tisch ziehen lassen?
Ich war bei den Regierungsverhandlungen vor Weihnachten als Experte in die Gespräche eingebunden. Für die Einigung mit der SPÖ und den NEOS wurden, was den Immobilienbereich betrifft, keine neuen Punkte ausgearbeitet, sondern vieles eins zu eins ins Programm übertragen. Es gibt viele positive Ansätze, die leider noch nicht konkretisiert wurden.
Was jedoch gemacht wurde, und das ist eine große Kritik, ist, dass man sich unter dem Deckmantel des leistbaren Wohnens hinreißen ließ, um mit der Mietpreisbremse eine sehr holistische politische Schlagzeile zu produzieren.
Das ist weit weg vom freien Markt in Richtung Planwirtschaft, ohne zu wissen, welche Auswirkungen das in anderen EU-Ländern hatte, die das schon gemacht haben.
Wichtig ist, festzuhalten, dass es in Österreich es einen differenzierten Wohnungsmarkt gibt. Wir haben als einziges europäisches Land die Wohnungsgemeinnützigkeit. Zielführender und treffsicherer wäre es die Probleme in den einzelnen Segmenten zu identifizieren und Lösungsvorschläge zu erarbeiten. In erster Linie geht es darum jene Personen, die aktuell Wohnraum benötigen, mit leistbarem Wohnraum zu versorgen. Mieter, die schon versorgt sind, vor allem jene im regulierten Bereich haben kaum Probleme. Der Mieterschutz wird in Österreich immer stärker. Hier fehlt die Balance- auch im Sinne der Rechtssicherheit für Vermieter. Da sehe ich großen Handlungsbedarf. Ich hoffe, dass wir diese Punkte 2026/27 nochmal besprechen können.
Ich verstehe, dass Hausbesitzer und Eigentümer immer weniger unbefristete Verträge abschließen wollen. Wir Gemeinnützige dürfen nur unbefristete Verträge abschließen. Bei den derzeitigen Eingriffen und fehlender Sicherheit werden auch in den gemeinnützigen Bauvereinigungen die Stimmen gegen den Abschluss unbefristeter Mietverträge lauter. Am Ende des Tages muss für jeden Vermieter zumindest eine kostendeckende Finanzierung seiner Investitionen möglich sein. Das steht jetzt schon in Frage.
Wir brauchen nicht nur Maßnahmen für den Wirtschaftsstandort, sondern auch Maßnahmen für eine funktionierende Wohnpolitik. Aktuell bedeuten die gesetzten Maßnahmen, dass in den nächsten Jahren viel weniger Wohnungen auf dem Markt kommen werden.
Jetzt fehlen auch noch die Förderungen für Sanierung, für Dekarbonisierung und für Heizungsumstellungen. Die Regierung will die Förderungen auf Zweckmäßigkeit und Doppelförderungen überprüfen – das ist durchaus ein richtiger Ansatz – aber es muss jetzt schnell gehen. Ganz ohne Förderung wird es nicht gehen.
Die Zweckbindung der Wohnbauförderung ist aber sicher eine Maßnahme, die in die richtige Richtung geht.
Im Ansatz durchaus. Aber wie will das die Bundesregierung umsetzen? Die Wohnbauförderung ist Länderkompetenz. Wie will der Bund diese Länderkompetenz regeln? Man wird das über die 15a Vereinbarungen über den Finanzausgleich probieren. Das ist aber nur eine Detailfrage. Viele Bundesländer geben für Wohnbauförderung mehr aus, als sie unter dem Titel „Wohnbauförderung“ einnehmen.
Sind die Kompetenzen im Bereich Wohnen geschickt verteilt, oder sollte man das generell einmal regeln?
Das wäre auch eine Frage, die man dem Wohnbauminister stellen sollte. Wohnen ist eine Querschnittsmaterie. Das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz (WGG) ist als Sondergewerberecht beim Wirtschaftsministerium angesiedelt. Andere Bereiche des Wohnrechts beim Justizministerium. Die Ministerien sind in ihrer Gesetzgebung, in ihrer Legistik autonom. Viele Materialien, wie zum Beispiel die Bauordnungen, werden auf Landesebene geregelt.
Länder und Gemeinden sollten die Instrumente der Raumordnung intensiver nutzen, um Grundstücke für leistbaren Wohnbau verfügbar zu machen.
Häufig wird über zu viele Normen geklagt. Muss die Qualitätsspirale wieder ein wenig nach unten gedreht werden?
Aus der Praxis heraus kann ich sagen: „Einige Dinge sind wirklich gut, aber vieles braucht der Kunde nicht.“ In den letzten Jahren war das Motto. Noch besser, noch mehr Qualität. Man kann es aber auch übertreiben. Mit den aktuellen Kostensteigerungen bei Bau-, Grundstücks- und Finanzierungskosten ist es de facto nicht mehr möglich, auf ein leistbares Niveau des durchschnittlichen Haushaltseinkommens herunterbrechen. In der Vergangenheit definierte man Leistbares Wohnen mit maximal 10 Euro pro Quadratmeter. Das ist schon lange vorbei. Wir sind jetzt schon bei 12 Euro in den nächsten Jahren werden wir auf 14 Euro kommen. Es stellt sich die Frage: „Ist das auch alles notwendig?“ Niederösterreich überlegt in der neuen Förderungsrichtlinie an diesen Qualitäten zu schrauben. Wir müssen die wirtschaftliche Machbarkeit berücksichtigen. Das nachhaltigste, sozial wertvollste Haus, das nicht leistbar ist, rettet die Welt auch nicht. Wir müssen die Balance finden zwischen Nachhaltigkeit, sozialer Verträglichkeit und Kosten.
Noch eine Frage zum Grundstücksankauf. Die Öffentliche Hand wie Städte, Gemeinden sind gesetzlich verpflichtet an den Meistbietenden zu verkaufen. Wäre hier eine Sonderstellung für die Gemeinnützigen notwendig, dass zum Beispiel Best-Practice-Beispiele eher zum Zug kommen als der Höchstbietende?
Bodenpolitik ist eine der wichtigsten Stellschrauben. Grundstücksreserven von Kommunen und staatsnahen Unternehmen könnten gezielt für den geförderten Wohnbau und die Gemeinnützigen reservieren werden. Wichtig dabei wäre es, dass die Entscheidungsträger legitimiert werden, nicht an den Höchstbietenden verkaufen zu müssen, sondern dass das übergeordnete Ziel des leistbaren Wohnens und die maximale Wirtschaftlichkeit in den Mittelpunkt rückt. Das wäre ein Hebel. Man kann diskutieren, ob man im Sinne einer sozialen Durchmischung nur für den geförderten Wohnbau oder auch für andere Bereiche reserviert. Über die Bodenpolitik könnte man die absurd hohen Grundstückskosten der letzten Jahre jedenfalls wieder senken oder relativieren. Das hätte sicher einen preisdämpfenden Effekt auf den Markt und wäre eine schnelle, rasche Maßnahme.
Ein guter Ansatz im Regierungsprogramm ist, dass ausfinanzierte Wohnungen, die wirklich die günstigsten sind, an bevorzugte Personengruppen vergeben werden müssen. Das ist der richtige Hebel, weil in stark nachgefragten Gebieten junge Menschen und Alleinerziehende Wohnungen nicht leisten können. Diese Personengruppen bevorzugt in dieses Segment zu bringen, ist eine gute Maßnahme.
Sind Baurechtsgründe für Gemeinnützige ein Thema?
Baurechtsgründe sind eine bewährte Praxis. In den vielen Jahrzehnten der Gemeinnützigkeit hat es immer wieder Initiativen der Kommunen gegeben. Gemeinden, aber auch Länder wie Niederösterreich, wollen geförderten Wohnbau und einen Beitrag leisten. Sie haben günstigste Baurechte zur Verfügung gestellt und so günstiges Wohnen in kleinen Gemeinden ermöglicht.
Das passt auch gut zur Gemeinnützigkeit, da wir unsere Wohnungsbestände über viele Jahrzehnte halten. Die wenigsten Projekte in der Gemeinnützigkeit werden sofort verkauft. Es gibt sehr lange Mietverhältnisse und Mietverträge mit Kaufoptionen. Daher passt Baurecht optimal, weil die Basis des Grundstückskostenbeitrages in Höhe einer Kaution deutlich niedrigerer ist als eine Finanzierungsbeitrag. Das ist für einkommensschwächere Personen sicher der richtige Ansatz und eine bewährte Praxis.
Wo sehen Sie Handlungsbedarf?
Es wäre in der politischen Debatte wichtig, zu erklären, dass es nicht den einen Wohnungsmarkt gibt. Wir haben viele internationale Delegationen, die sich das Modell der Gemeinnützigkeit anschauen. Sie fragen, wie wir es schaffen, zu diesen Kosten diese Qualität zu bieten. Dann erklären wir die Kostendeckung und die verschiedenen Segmente, die wir in Österreich haben. Es gibt nicht den einen Wohnungsmarkt, sondern verschiedene Säulen: die Gemeinnützigkeit ist eine davon.
Das ist auch gut so und es bildet die Wohnrealitäten ab: Wir haben in Österreich unterschiedliche Miethöhen und ich bin auch der Meinung, dass man nicht jeden Mieter von seinen Wohnkosten befreien muss. Die Agenda Austria hat letztes Jahr eine Wohnkostenbelastung ausgewertet, die im Schnitt von 18 auf 19 Prozent gestiegen ist. Aber das ist der Durchschnitt und Eigentum ist auch dabei. Eigentum hat im Schnitt eine niedrigere Belastung. Wir sind weit weg von einer internationalen Wohnkostenbelastung. Es gibt Menschen, die sich 18 Euro pro Quadratmeter, 20 Euro und mehr leisten können. Es gibt aber auch Menschen, die sich keine 10 Euro leisten können. Aus diesem Grund muss das Thema Wohnen differenziert betrachten werden und sollte nicht pauschal über Vermieter oder den Wohnungsmarkt beurteilt werden.
Ehrliche Politik, die man sich vorgenommen hat, bedeutet aber auch, dass man sich die Dinge ehrlich und differenziert anschaut.