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Politik und Immobilien – ein Widerspruch?

Im Mai fanden in Großbritannien Parlamentswahlen statt. In einer Demokratie ist das freilich nichts Ungewöhnliches. Ungewöhnlich - oder besser: interessant - war hingegen der Umstand, dass sich Immobilien­makler auch so ihre Gedanken über den Wahlausgang machten.
Thomas Malloth

Im Mai fanden in Großbritannien Parlamentswahlen statt. In einer Demokratie ist das freilich nichts Ungewöhnliches. Ungewöhnlich - oder besser: interessant - war hingegen der Umstand, dass sich Immobilien­makler auch so ihre Gedanken über den Wahlausgang machten.

Nach dem Sieg der konservativen Partei von David Cameron erwarteten Experten eine deutliche Nachfrage nach Wohnungen und Häusern in Topkategorien. Wie es dazu kommen soll? Unsicherheiten über Steuern und Anreize für Hauskäufer hatten vor der Wahl zu einer Verlangsamung der Aktivitäten am Londoner Immobilienmarkt geführt. Beim Sieg der Labour Party wurde nämlich eine Villensteuer in Aussicht gestellt, die alle Besitzer von Immobilien ab zwei Millionen Pfund (2,75 Millionen Euro) getroffen hätte. Die Makler sind über den Ausgang der Wahl nicht unglücklich, denn der Sieg der Konservativen brachte wieder Sicherheit in den Markt. Laut britischen Maklern steht sogar ein starker Aufschwung auf dem Londoner Immobilienmarkt bevor - und zwar in allen Preislagen.

Sensible Märkte reagieren rasch

Wäre solch eine Entwicklung auch in Österreich möglich? Richard Wilkinson, Vorstand Erste Group Immorent: „Rechtssicherheit, politische Stabilität und ein investitionsfreundliches Umfeld sind wichtige Kriterien für eine langfristige Investitionsentscheidung wie Immobilien. Österreich ist ein stabiler Markt, allerdings braucht es auch konkrete Anreize, um Investoren anzulocken und den Standort langfristig wettbewerbsfähig und attraktiv zu machen.“

Der neue Fachverbandsobmann der Immobilientreuhänder, Georg Edlauer, will die Frage nach Rechtssicherheit nicht auf Vorwahlzeiten beschränken: „Der Immobilienmarkt ist ein sensibler Markt, der auf Veränderungen der wirtschaftlichen und rechtlichen Gegebenheiten reagiert. Allerdings träger als beispielsweise der Kapitalmarkt. Man muss sich vor Augen halten, dass die Steuerreform zu mehr als zehn Prozent - das sind 550 Millionen Euro - über die Immobilienwirtschaft gegenfinanziert wird.“

Zusätzlich wird heftig über eine Mietrechtsreform verhandelt, so Edlauer: „Aus meiner Sicht wird dies mit starkem Fokus auf die bevorstehenden Wahlen in Wien abgewickelt. Aber nicht mit dem Ziel, ein zeitgemäßes, europareifes Mietrecht zu schaffen, sondern die Beschränkungen eines Gesetzes, das im Wesentlichen auf einer Notverordnung der Zwischenkriegszeit fußt, noch weiter zu verschärfen.“

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„Ausländische Investoren scheuen schon bisher das komplexe österreichische Mietrecht.“ - Richard Buxbaum, Leiter Vermarktung Wohnimmobilien und Zinshäuser, Otto Immobilien

Zentralistische Wirtschaftssysteme funktionieren nicht

Konkret führt Edlauer die Erhaltungspflichten des Vermieters an, die ausgedehnt werden sollen, gleichzeitig werden die Mietzinse gesetzlich weiter beschränkt. Edlauer: „Man übersieht dabei, dass das einzig mögliche Regulativ von Preisen der Markt darstellt. Geringes Angebot führt zu höheren Preisen und umgekehrt.“ Richtiger wäre aus seiner Sicht, Marktmieten (auch die so genannte „Mietpreisbremse“ in Deutschland ist eine Marktmiete) zuzulassen und zusätzlich Investitionsanreize zu schaffen. Nicht nur betreffend den Neubau, sondern auch im Hinblick auf die Verdichtung bestehender Wohnbauten und deren Sanierung. Dass zentralistische Wirtschaftssysteme (mit Preisregelungen) nicht funktionieren, sollte spätestens seit dem Jahr 1989 jedem Europäer klar sein, kritisiert der Fachverbandsobmann: „Dass die soziale Marktwirtschaft funktioniert, haben Tschechien und die Slowakei in den letzten Jahren insbesondere auch in Bezug auf Wohnungen eindrucksvoll vorgezeigt.“

Anton Holzapfel, Geschäftsführer des Österreichischen Verbandes der Immobilienwirtschaft (ÖVI), fällt dazu ein: „Geld ist ein scheues Reh, wenn es um Rechtssicherheit und Investitionen geht. Die medienwirksamen Ankündigungen der Politiker, mit Zwangsmaßnahmen für leistbares Wohnen zu sorgen, sind einer nachhaltigen Investition in Renditeimmobilien nicht gerade förderlich.“ Ausländische Investoren scheuen schon bisher das komplexe österreichische Mietrecht, weiß Holzapfel. Richard Buxbaum, Leiter Vermarktung Wohnimmobilien und Zinshäuser bei Otto Immobilien, beurteilt die Lage so: „In unsicheren Phasen ist die Entscheidungsfreudigkeit in allen Lebensbereichen deutlich langsamer. Nicht nur in der Immobilienbranche.“

Auch der Wert einer Immobilie ist immer dann am höchsten, wenn der Käufer möglichst viel über das Objekt weiß und sich daher seiner Veranlagung auch sicher sein kann: „Nach der Lehman Pleite 2008 gab es in Wien für etwa sechs Monate im Luxuswohnbereich keine Transaktionen, da niemand wusste, was passieren wird. Inzwischen hat man sich weltweit auf gewisse Krisenszenarien eingestellt und es besteht keine solche Schockstarre mehr, wenn eine neue Hiobsbotschaft verkündet wird.“ Österreich - insbesondere Wien - wird weltweit als sicherer Hafen geschätzt, ist Buxbaum überzeugt, dies werde sich auch in der Zukunft nicht ändern.

Für Wohnbauträger Jörg Wippel ist - auf den Markt bezogen - jeder politische Eingriff schlecht: „Weil Markt das Gegenteil von Politik ist. Die Frage ist aber, ob Wohnung nur Markt ist. Es gibt eine gesamteuropäische politische Übereinkunft, dass Wohnen ein menschliches Grundbedürfnis ist. Damit ist per se ein Widerspruch zum sogenannten freien Markt gegeben.“ Fakt sei, so der wvg-Geschäftsführer, dass der Komplex Wohnen – Wohnbau immer nach sozialpolitischen Maßnahmen verlangen wird, da sichergestellt werden muss, dass Wohnen auch für untere Einkommensbezieher leistbar bleibt.

EDLAUER Georg„ Jeder rückwirkende Eingriff in gesetzliche Bestimmungen wird von Investoren sensibel wahrgenommen.“ - Georg Edlauer, Fachverbandsobmann der Immobilientreuhänder

Rechtssicherheit als Basis

Rechtssicherheit ist im Zusammenhang mit der politischen Situation also das Um und Auf. Welche Entwicklung orten hier die Immobilienexperten? ÖVI-Geschäftsführer Holzapfel: „Die Einführung einer verdeckten Erbschafts- und Schenkungssteuer in Form der Erhöhung der Grunderwerbsteuer bei unentgeltlichen Übertragungen ist ein gutes Beispiel für die fehlende Offenheit im politischen Diskurs. Auch wenn vordergründig eine der Regierungsparteien die Erbschafts- und Schenkungssteuer ablehnt.“ Im Ergebnis sei gerade bei der Übertragung von größeren Liegenschaften derselbe Effekt erzielt. Wenn bislang ein Mietzinshaus (das zum Teil auch mit Krediten belastet ist) im Schenkungs- oder Erbweg innerhalb der Familie übertragen wurde, waren zwei Prozent vom dreifachen Einheitswert fällig. Ab 2016 werde es zu einer Vervielfachung dieser Steuer kommen, kritisiert Holzapfel: „Immobilieneigentümer sind gut beraten, 2015 ihr Portfolio und ihre Strategien noch zu überdenken.“

Ein weiteres Beispiel ist die Anhebung der Immo-ESt und der Entfall der Inflationsberücksichtigung bei der Berechnung des Gewinns, so der ÖVI-Geschäftsführer: „2012 erstmals eingeführt, wird diese Steuer zum einen um ein Fünftel erhöht, zum anderen wird die Berechnungsbasis ausgeweitet. Immobilien können halt nicht weggetragen werden. Alternativveranlagungen z.B. im derzeit prosperierenden Aktienmarkt aber sehr wohl.“

Fachverbandsobmann Edlauer sieht die Situation ähnlich: „Selbstverständlich ist jeder rückwirkende Eingriff in gesetzliche Bestimmungen höchst problematisch und wird von - vor allem internationalen - Investoren sensibel wahrgenommen. Wir Österreicher sind hier offenbar schon etwas „abgehärteter“ - siehe die laufenden Eingriffe in mietrechtliche Bestimmungen…“. Diese und vor allem steuerrechtliche Maßnahmen seien sicher nicht förderlich, den Immobilienstandort Österreich zu stärken, glaubt Edlauer: „Ausländische Investoren sehen den österreichischen Wohnimmobilienmarkt seit vielen Jahren als unattraktiv. Auch österreichische Investoren ziehen seit vielen Jahren Wohnimmobilien im benachbarten Ausland vor.“ Nicht ganz so dramatisch sieht dies Otto-Experte Buxbaum: „Hinsichtlich Rechtssicherheit habe ich in Österreich keinerlei Bedenken.

Reformen sind erforderlich, selbstverständlich unter Berücksichtigung der Kernqualitäten unseres Rechtssystems. Nur der Stillstand ist schlecht.“ Mit Veränderungen und Impulsen auf die Wirtschaft könne man schon gut leben. Buxbaum sieht auch schon die Gewinner: „Es werden jene sein, die sich rechtzeitig darauf einstellen, selbst innovative Ideen zu kreieren und professionell am Markt zu agieren.“

Ganz so einfach möchte es Bauträger Wippel der Politik jedoch nicht machen: „Es gibt eine ganze Reihe von Problemen in Sachen Rechtssicherheit und viele davon sind verbunden mit der Bürokratie des Förderungswesens. Da geförderter und gewerblicher Wohnbau in Österreich kommunizierende Gefäße sind, wirkt sich diese Problematik letztlich auf beide Sektoren aus.“ Das Förderungswesen spielt sich in amtsinternen Dienstanweisungen und -verordnungen ab, weiß Wippel, wodurch eine zeitliche und inhaltliche Rechtssicherheit - was wer wann zu leisten hat - grundsätzlich nicht gegeben sei. Das führe u. a. dazu, dass die Wohnbauförderung keinen preissenkenden Einfluss auf die Höhe der Wohnkosten mehr hat: „Geförderte Wohnungen entsprechen zwar höchsten - Bewohner-ungewollten - Qualitätsanforderungen, aber nicht mehr dem Wohnwunsch von Niedrigsteinkommensbeziehern. Der freie Markt dagegen produziert Wohnungen, die dem Kundenwunsch wesentlich mehr entsprechen – allerdings mit dem Nebeneffekt, dass die Differenz in der Qualitätsstruktur nicht dem Wohnungswerber zugutekommt, sondern der Vermögensstiftung des Wohnungsschaffenden.“

Ausblick

Gibt es – abseits von den „üblichen Verdächtigen“ – Projekte im bau- bzw. immobilien-nahen Bereich, die aufgrund politischer Veränderungen nicht bzw. anders zustande gekommen sind? ÖVI-Geschäftsführer Holzapfel: „Was jetzt schon absehbar ist: mit den Einschnitten der Steuerreform 2016 werden eine Reihe von Sanierungs- und Ausbauprojekten gerade bei Immobilien im Privatvermögen mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zurückgestellt.“

Je nach Alter und familiärer Situation werde klar abgewogen, ob sich so etwas überhaupt noch rechnet, oder ob nicht in einigen Jahren der potentielle Erbe/Geschenknehmer noch mehr Steuer zahlt als je zuvor. Jörg Wippel fällt dazu etwas aus eigener Erfahrung ein: Das Wohnbau-Projekt der wvg und der Familienwohnbau in der Linzer Straße 141-143 auf dem Areal der ehemaligen GEBE-Fabrik. „Dieses Projekt wäre aufgrund seiner schlechten Lage ohne Wohnbauförderungs-Anteil nie entstanden. Es hätte aber zeiteffizienter und damit billiger errichtet werden können, wenn es Rechtssicherheit im Förderungswesen gäbe. Wenn die Summe der Bauordnungs- und WBF-Standards nicht so teure Qualitäten vorgeschrieben hätte, wären die geförderten Wohnungen in dieser Anlage viel preisgünstiger geworden. So sind sie für untere Einkommensbezieher im Grunde unerschwinglich.“