Jeder Eigentümer und Verwalter weiß um die Herausforderung, eine Sanierung auf allgemeinen Teilen des Hauses abzuwickeln. Wer eine Sockelsanierung noch dazu mit der Sanierung einzelner Wohnungen im Huckepackverfahren bewerkstelligt hat, weiß Geschichten über Land und Leute zu erzählen.
Die fossilen Energieträger zu ersetzen, bedeutet Eingriff in jede Wohnung: im Bereich der Heizung, des Warmwasser und – nicht zu vergessen – der Kochstelle.
Die Energieversorgung mit Gas und Strom betrifft alle Mieter und Wohnungseigentümer (natürlich auch die Mieter der Wohnungseigentümer).
Vielfältige Einspruchsmöglichkeiten
Aufgrund der wohnrechtlichen Entscheidungsvorgänge ergeben sich vielfältige Einspruchsmöglichkeiten für alle Beteiligten bei Schlichtungsstellen, Außerstreitgerichten und Gerichten.
Zeittechnisch nicht zu unterschätzen sind die rechtsberatenden Organisationen, Rechtsvertretern, Behördenvertreter, Richter und Sachverständige – je unklarer die Rechtslage, umso mehr besteht Bedarf an den genannten Mitspielern.
Die Eigentümer oder Eigentümergemeinschaft kann vieles beschließen – der einzelne Mieter und der Wohnungseigentümer haben die faktische Verfügung über die Bestandseinheit. Ein Anschlusszwang an die neue Wärme und Stromversorgung besteht derzeit nicht.
Bei der derzeitigen Rechtslage ist am Ende des Tages faktisch Einstimmigkeit gefordert – also am Tag der Umsetzung, beim Zugang zur Wohnung und beim Eingriff in die Versorgungsleitungen des Nutzers.
Jeder Mieter oder Wohnungseigentümer kann auf Kosten des Eigentümers oder der Eigentümergemeinschaft darauf bestehen, die Versorgungsleitungen im Bestand bis zum letztmöglichen Zeitpunkt eines gesetzlichen Umstellungszwanges aufrechterhalten zu lassen.
Gefahr: Zeitverlust
Die erforderlichen Duldungspflichten des Mieters und Wohnungseigentümers für eine einheitliche Umstellung des Hauses kann nicht aus dem Umstellungsgebot des § 11 Erneuerbaren-Wärme-Gesetz (EWG) rechtsverbindlich abgeleitet werden – es besteht damit die Gefahr des Zeitverlusts beim Start der Umsetzung. Infolge einer möglichen Rechtsunsicherheit bewirkt erst die Judikatur Jahre später die erforderliche Rechtssicherheit.
Das stellt sowohl eine finanzielle als auch eine technische Herausausforderung dar. Es gibt weder unbeschränkten Platz für neu gestemmte Steigleitungen, noch sind Steigschächte für Doppelversorgungen ausgelegt.
Jeder Bewohner, der durch Sanierungsarbeiten finanziellen Schaden erleidet, hat Anrecht auf Schadenersatz (z.B. Einbauschränke, Durchbrüche, Malerei, Ersatz nicht geeigneter Heiz- und Hochgeräte) und das kann teuer werden. Der Eintrittspunkt in das bestehende Leitungsnetz der Wohnung sollte daher besonders sorgfältig geplant werden.
„Der von der Politik geplante Ausstieg aus Gasheizungen in Wohnungen und Wohnhäusern bis zum Jahr 2040 würde die rund 910.000 betroffenen Haushalte bis zu 84 Milliarden Euro kosten,“ so berechnet von Anna Kleissner, Wirtschaftsforscherin von Econmove berechnet (Presse 5.12)
Keine Zwei-Drittel-Mehrheit
Im November hat die Bundesregierung das Erneuerbaren-Wärme-Gesetz (EWG) im Ministerrat beschlossen, welches den Ausstieg aus Gasheizungen bis 2040 und aus Ölheizungen bis 2035 vorsieht – geplantes Inkrafttreten 2023. Derzeit liegt die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit noch nicht vor, ein Inkrafttreten Mitte des nächsten Jahres ist derzeit realistisch.
Die politische Idee eines mietrechtlichen Abschlages für Wohnungen mit fossilen Brennstoffen mutet seltsam an, wenn man Eigentümer begleitet, welche das EWG umzusetzen versuchen, aber zurzeit am Wohnrecht scheitern.
Für den gemeinschaftlichen Umstieg auf alternative Heizsysteme wäre umgekehrt auch ein mietrechtlicher Zuschlag für „Verhinderer“ anzudenken.
Ja, die Politik wird wohl zur Umsetzung des Gemeinschaftsprojektes „Raus-aus-Gas“ die Individualrechte Einzelner einschränken müssen! Wird man sich das trauen oder die Umsetzung zukunftsträchtiger Herausforderungen und Entwicklungen weiter verlangsamen und behindern?