Um diese Frage richtig beantworten zu können, muss man den Tankstellenmarkt verstehen. Österreich steht gerade am Anfang einer großen Konsolidierungswelle. Unsere Prognose von vor zwei Jahren, dass mittelfristig 600 Tankstellen werden zusperren müssen, bewahrheitet sich immer mehr. 72 Stationen haben bereits dicht gemacht und das Sterben geht munter weiter. Die Eigentümer und Betreiber realisieren diesen Wandel erst langsam. Der Knackpunkt, um nicht in einer Schockstarre zu sterben, sondern um die Veränderung aktiv zu meistern und zu seinem Vorteil zu nutzen, ist, zu verstehen, dass es sich bei einer Tankstelle um eine Liegenschaft mit Potenzial handelt. Und Liegenschaften können unterschiedlich genutzt werden. Schon jetzt gibt es eine Vielfalt an realisierten Um- oder ergänzenden und frequenzbringenden Zusatznutzungen – in unserem periodisch erscheinenden Frequenzimmobilien-Report (siehe auch Text vor diesem Kommentar) zeigen wir diese regelmäßig auf.
Das war aber noch lange nicht alles! Denn es gibt auch eine Tankstellengattung, die nach wie vor noch neu gebaut wird, und zwar stärker und größer als je zuvor. Ich spreche von den großen Schlachtschiffen. Das sind zum einen die klassischen an den Autobahnen liegenden Großtankstellen. Gerade bei ihnen ist gut erkennbar: Neben Kraftstoffen für das Auto brauchen die Menschen auch ihre Pausen und ihre „Kraftstoffe“ in Form von Kaffee, Snacks, Erfrischungen, Mahlzeiten – und natürlich das Gegenteil. Toiletten werden selbst von ausdauernden Fernfahrern zwangsweise angesteuert. Die zweite – und aus Sicht eines Immobiliendevelopers besonders interessante – Art der Schlachtschiffe sind Serviceparks.
Dabei handelt es sich um intelligent entwickelte Agglomerationen an sehr gut erreichbaren Orten mit einem bunten Mix an Nutzern. Der Servicepark Traiskirchen ist ein gutes Beispiel – hier sollen frische Ideen zusammen auf einem Platz entstehen. Von der Großtankstelle über ein Motel, Handel, Lager/Logistik, Pferdesporthaus und einen Baumaschinenhandel bis hin zu einem Boots- und Yachtausrüster. Einiges davon ist bereits realisiert. Alle Parzellen von 5.000 bis 9.000 Quadratmeter im 1. Entwicklungsabschnitt sind bereits vergeben und ein 2. und 3. Entwicklungsabschnitt werden folgen. Ein Logistikcenter mit 60.000 Quadratmetern ist schon in der Planungsphase – ein Beispiel, wie zukünftige Servicezentren in hochfrequenter, gut sichtbarer Lage im Nahbereich einer Großstadt geplant und ausgerichtet werden.
Denn das ist allen Tankstellen gleich: Sie sind Orte mit hoher Frequenz. Wie diese Frequenz genau genutzt und letztendlich monetarisiert werden kann, hängt von der individuellen Lage ab. Einmal hilft vielleicht die Ergänzung durch einen Blumenhandel, eine Bäckerei oder eine Waschstraße (hier gibt es bereits eigene Anbieter), ein anderes Mal liegt die Lösung im Kampf gegen die Konsolidierung im Verkauf einer Liegenschaft. Intelligente Bauträger haben das schon längst verstanden und wissen auch, dass die stets so gefürchteten Kontaminationen mit entsprechender Erfahrung vertraglich und/oder wirtschaftlich geregelt werden können.
Bestes Beispiel: In der Simmeringer Hauptstraße in Wien baute die GESIBA auf einer ehemaligen Tankstellenliegenschaft 116 hochmoderne Mietwohnungen. In Linz haben wir jüngst ein innerstädtisches Grundstück, auf dem noch bis zum Sommer eine Tankstelle in Betrieb war, an einen Wohnbauträger verkauft. Gerade das Potenzial der innerstädtischen Flächen sollte in Zeiten der Grundstücksknappheit nicht unbeachtet bleiben. Ich sehe in der heimischen Marktbereinigung eher zahlreiche Chancen als ein halbleeres Glas.