Hetzel eröffnet die Diskussion: „Ich gehe davon aus, dass 2022 ein Gamechanger für Bestandsimmobilien wird. Das liegt an den Anforderungen aus der EU-Taxonomie, die in den ersten sechs Monaten des nächsten Jahres durchschlagen werden und eine Großzahl an Veränderungen auslösen wird“, ist der Geschäftsführer von Beyond Carbon Energy überzeugt. Er geht davon aus, dass die EU-Taxonomie-Regeln, da sie zum ersten Mal von der Finanzierungsseite ausgehen, einen völlig neuen Bedarf in diesem Markt identifizieren werden. „Die Bestandhalter sind sensibel, denn nicht alle Immobilien der institutionellen Investoren sind mit Eigenkapital finanziert. Ich gehe davon aus, dass das einen Sanierungsbedarf auslösen wird, der nicht befriedigt werden kann“, so Hetzel. „Das steht in keinem Verhältnis zu dem, was der laufende Wohnbedarf in dieser Stadt ausmacht, die Dimension, um die es geht, ist riesig, und es werden alle auf den Zug aufspringen.“ Da man aber heute schon nicht wisse, wo man die Mitarbeiter herbekommen soll, werde es ein großes Problem werden. „Derzeit haben wir eine Sanierungsquote von zwei Prozent, was passiert, wenn die restlichen 98 Prozent in Bewegung kommen“, fragt er in die Runde. „Das wird spannend und aufregend werden.“
Hier schließt sich Hackl an: „Ich kann eher für den kleinvolumigen Bereich sprechen, da ist während der Corona-Zeit viel spontan renoviert worden. Die Menschen hatten viel Zeit, einen Sanierungsbedarf wahrzunehmen, und davon haben wir geschäftlich profitiert.“ Laut Hackl fehlt aber der Plan für eine strukturierte Sanierung. Auch er sieht nicht, wie diese arbeitskräftetechnisch umgesetzt werden können. „Wir haben die Menge an ausgebildeten Kräften nicht. Daher braucht es einen Wandel in Richtung serieller Sanierung, industrieller oder halbindustrieller Vorfertigung und neue Technologien“, fügt der Velux-Geschäftsführer hinzu.
Noack findet das Tempo spannend, mit dem es in die Umsetzung gehen soll. „Das geht nur mit serieller Sanierung“, so die DenkMalNeo-Geschäftsführerin. „Man muss sich überlegen, wie wir das notwendige Know-how entwickeln und weitergeben. Generell wird die Frage spannend, wie wir in Zukunft miteinander arbeiten werden. Da wird sich die gesamte Arbeitswelt mitentwickeln müssen, vor allem im Hinblick auf die höheren Klimaziele.“
Lechner schließt sich der Meinung von Herbert Hetzel an. „Die EU-Taxonomie wird einen Schub in Richtung Nachhaltigkeit auslösen.“ Er ist aber skeptisch, dass der österreichische Markt darauf vorbereitet ist. „Die Taxonomie für Bestandsimmobilien, also alles, was vor Dezember 2020 errichtet wurde, sieht vor, dass sie dann konform sind, wenn sie zu den 15 besten Prozent der Gebäude gehören.“ Das würde bedeuten, dass ein Gründerzeithaus den energietechnischen Anforderungen der letzten zehn bis 15 Jahre entsprechen muss, damit sie taxonomiekonform ist, egal wie das erreicht wird. „Was macht also der Markt, wenn viel Geld da ist? – Und es ist viel Geld am Markt. Der wird taxonomiekonforme Immobilien in Österreich nicht so schnell finden und weicht auf Neubauten aus, weil diese jetzt schon auf den technischen Standard vorbereitet sind.“ Damit widerspricht er Hetzel, dass die Entwicklung nicht nach innen, also Richtung Sanierung gehe, auch wenn das gut wäre. Aber in Bezug auf die Finanzierung glaubt er, dass der Neubau weiter boomen werde. „Vor allem, wenn das Geld schnell ausgegeben werden muss.“
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