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Rückzug ausländischer Investoren verschärft deutsche Immobilienkrise

BNP Paribas: Transaktionsvolumen brach gegenüber Vor-Corona-Niveau um 70 Prozent ein
Patrick Baldia
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© AdobeStock | Zu Jahresbeginn zeichneten ausländische Investoren für 35 Prozent aller Gewerbeimmobilien-Deals in Deutschland verantwortlich

Internationale Investoren machen immer noch einen großen Bogen um den Immobilienmarkt in Deutschland und verschärfen damit die schwerste Krise des Sektors seit Jahrzehnten. Zum Jahresauftakt entfielen laut Daten von BNP Paribas Real Estate 35 Prozent der Käufe von Gewerbeimmobilien auf ausländische Käufer und damit weniger als in jedem anderen Jahr seit 2013. Insgesamt brach das Transaktionsvolumen um 70 Prozent gegenüber dem Niveau vor der Pandemie 2020-2021 ein.

Kurt Zech, einer der größten deutschen Bauunternehmer, warnt davor, dass der Markt so lange zu kämpfen haben wird, bis ausländische Investoren zurückkehren. "Die Amerikaner müssen wiederkommen. Wenn die Blackstones, die Blackrocks, die Morgan Stanleys dieser Welt und Carlyle sowie Apollo im deutschen Markt kaufen, wird das wahrgenommen, und dann wissen wir alle, jetzt haben wir den Bodensatz erreicht", sagte Zech der Nachrichtenagentur Reuters.

Jahrelang sorgten niedrige Zinssätze, billige Energie und eine starke Wirtschaft für einen Boom im deutschen Immobiliensektor, der rund 730 Mrd. Euro pro Jahr umsetzt, was etwa einem Fünftel der deutschen Wirtschaftsleistung entspricht. Dieser Boom endete, als die Europäische Zentralbank (EZB) die Kreditkosten in raschen Schritten erhöhte, um die grassierende Inflation in den Griff zu bekommen. Daraufhin ebbten Immobilienfinanzierungen ab, Geschäfte kamen nicht zustande, Projekte gerieten ins Stocken und große Bauträger gingen pleite. Die Branche forderte die Regierung in Berlin auf zu intervenieren.

Heuer in den ersten drei Monaten fielen die Preise für Gewerbeimmobilien um weitere 9,6 Prozent, nachdem sie bereits 2023 um 10,2 Prozent gesunken waren.

"Deutschland war ein Leuchtturm der Stabilität in Europa und die Menschen strömten hierher, um Immobilien zu kaufen", sagte Carsten Brzeski, Chefökonom der niederländischen Bank ING in Deutschland, einem der größten Hypothekenfinanzierer des Landes. "Jetzt stottert der Wirtschaftsmotor und muss gewartet werden."

Es gab Jahre, in denen die Hälfte aller Transaktionen für Gewerbeimmobilien, die den Großteil des deutschen Immobilienmarkts ausmachen, auf Ausländer entfiel. Im vergangenen Jahr sackte der Anteil ausländischer Investoren bei deutschen Gewerbeimmobilien laut BNP Paribas jedoch auf 37 Prozent des Transaktionsvolumens ab und erreichte damit den niedrigsten Wert der letzten zehn Jahre. Im ersten Quartal sank der Anteil weiter auf 35 Prozent.

Zwar haben die hohen Zinssätze weltweit die Immobilienmärkte aus dem Tritt gebracht. Doch kam der Sektor in Deutschland besonders stark unter die Räder, konstatierten Branchenvertreter bei einem Treffen in Cannes. "In Deutschland ist die Stimmung wirklich am schlechtesten", sagt Simone Pozzato, Geschäftsführerin und Fondsmanagerin beim Immobilieninvestor Hines. Eine andere Führungskraft eines europäischen Bauträgers, die nicht namentlich genannt werden wollte, beschrieb Pläne des Unternehmens, Personal aus Deutschland in Märkte wie Großbritannien zu verlagern. Dort sei das Interesse der Investoren größer und man erwarte, dass sich die Aktivitäten schneller erholten.

Im Gegensatz zu anderen Ländern hat Deutschland nicht eine dominierende Stadt wie etwa London oder Paris. Das kann Branchenvertretern zufolge ausländische Käufer abschrecken, die sich eher an wirklich globalen Zentren orientieren. "Es ist einfacher zu verstehen, wie diese Städte ticken", erläuterte Inga Schwarz, Leiterin der Forschungsabteilung von BNP Paribas Real Estate. "Das ist einfacher als Köln zu verstehen."

Eine weitere Hürde: Deutsche Vermieter versuchen in der Regel, Abschwünge zu überstehen, ohne die Immobilienpreise zu senken, was potenzielle Käufer abschreckt und eine Belebung der Transaktionen verzögert. "Internationale Marktteilnehmer kritisieren, dass in Deutschland große Immobilienbesitzer teilweise nur um wenige Prozentpunkte abgewertet haben, während andere Länder 20 bis 30 Prozent abwerten", sagt Hela Hinrichs, Senior Research Analystin bei Jones Lang LaSalle.

Die wenigen Geschäfte, die es gibt, werden oft unter Zwang abgeschlossen. Signa etwa, das in Konkurs gegangene Immobilienkonglomerat des Tiroler Investors René Benko, hat sich von Vermögenswerten getrennt, um seine Gläubiger zu bezahlen. Auch der Vermieter Vonovia hat Wohnungen verkauft, um Schulden abzubauen. "Wenn man sich viele der Transaktionen genauer ansieht, wird man feststellen, dass sie ihre Eigenheiten haben", sagt Marcus Cieleback, Leiter der Forschungsabteilung des deutschen Immobilienvermögensverwalters Patrizia. "Handelt es sich wirklich um eine Transaktion auf dem freien Markt oder ist es möglicherweise etwas anderes?"

Unterdessen fordert der Immobilienmagnat Zech, dessen Name auf vielen Bauschildern quer durch Deutschland zu sehen ist, die Banken auf, der Branche weiter Kredite zu gewähren, damit Projekte fertiggestellt werden können. Zugleich lockt er potenzielle ausländische Käufer: "Meine Botschaft ist, dass es derzeit einige gute Projekte in Deutschland gibt." (apa)