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Schritt für Schritt

New World of Work. Die neue Welt des Arbeitens funktioniert nicht wie ein Lichtschalter. Einschalten und die neue Welt des Arbeitens ist da, das klappt nicht, meint Michael Bartz im Interview mit dem ImmoFokus.
Michael Neubauer

New World of Work. Die neue Welt des Arbeitens funktioniert nicht wie ein Lichtschalter. Einschalten und die neue Welt des Arbeitens ist da, das klappt nicht, meint Michael Bartz im Interview mit dem ImmoFokus.

Lässt sich das Konzept New World of Work in drei Punkten erklären?

Der erste Aspekt ist die zeitliche und räumliche Flexibilisierung der Arbeit - davor haben viele Firmen Angst. Der zweite wichtige Aspekt ist die „smartere Nutzung“ von digitalen Medien. Das hat viel mit Innovation, der Modernisierung der Arbeitsweisen und einer neuen intelligenten Nutzung der IT zu tun. Arbeitsort und Arbeitszeit relativieren sich. Flexibilität heißt aber auch, dass nicht nur eigene Mitarbeiter im Unternehmen arbeiten, sondern alle möglichen Arbeitsverhältnisse denkbar sind. Externe Mitarbeiter oder Start ups als Outsourcing-Partner. Die Unternehmensgrenzen verschwinden - das ist der dritte Aspekt.

MMF_Bartz-6Beißt sich hier nicht die Katze in den Schwanz? Wie ist die Reihenfolge? Die Organisation bestimmt die Arbeitsweise – oder ist es umgekehrt?

Es gibt zwei Arten von Unternehmen: Die einen sitzen die Entwicklung aus und warten das Ganze einmal ab. In anderen Unternehmen beschließen die Vorstände oder Geschäftsführer, sich das Ganze genau anzuschauen, eine Unternehmensstrategie zu entwickeln, es zu steuern und zu dosieren - und dann ändert sich auch etwas in der Organisation.

Dazu braucht es aber Manager, die das auch zulassen?

Die haben die schwerste Aufgabe in diesem Prozess. Wenn Mitarbeiter plötzlich beginnen, nicht mehr nur im Büro zu arbeiten, wenn sich Unternehmensgrenzen öffnen und auch Externe mitarbeiten, man gemischte Teams mit eigenen und outgesourcten Mitarbeitern hat, dann ist das allein schon eine riesige Führungsaufgabe.

Das ist auch arbeitsrechtlich eine große Herausforderung …

Da tut sich auch sehr viel. Die Fragen, die sich stellen: Wer ist angestellt? Wer arbeitet frei? In Österreich haben wir noch ein sehr reaktionäres Vorgehen der Versicherer, die versuchen nachzusteuern. Ich glaube, das ist nicht zielführend: Die Arbeitsverhältnisse werden neu definiert werden müssen. Störend ist das heutige Arbeitsrecht nicht, es ist nur sehr mühsam, aber wenn man sich die großen Unternehmen in Wien, IBM, HB, Erste Bank, Bank Austria anschaut, die haben sich arbeitsrechtlich abgesichert. Man kann die einzelnen Modalitäten über Betriebsvereinbarungen darstellen, aber vielleicht kann man sich diese mühevollen Umwege eines Tages mit einem neuen Arbeitsrecht 2.0 ersparen.

Seit wann beschäftigen Sie sich mit diesem Thema „New World of Work“?MMF_Bartz-11

Seit rund 15 Jahren. Ich war zehn Jahre bei der Unternehmensberatung Capgemini tätig und habe vor allem Vorstände im Personalbereich beraten. Dadurch stieß ich schrittweise immer mehr auf das Thema: Mit der Digitalisierung ändern sich zunehmend die Arbeitsweisen, das geschieht von selbst. Wir merken dies auch unmittelbar in unserem Privatleben. Wir shoppen online. Wir skypen. Wir kommunizieren online. Das ist ganz normal für uns.

Aber in der Firma hören wir dann auf, die digitalen Medien zu nutzen? Nein, genau das brauchen wir auch im Job - zumindest in Bürojobs. Das hört nicht hinter der Bürotür auf. Damit verändern sich aber auch die Erwartungen der Mitarbeiter, wie man arbeiten könnte. Das führt natürlich auch zu Druck von unten. Es gibt jetzt auch Arbeitgeberattraktivität zum Anfassen.

Dann war ich einige Jahre Manager bei Microsoft und habe in Deutschland, Österreich und der Schweiz NWOW eingeführt. Vor fünf Jahren wurde ich an die IMC Fachhochschule Krems berufen. Damit habe ich mir meinen großen Lebenstraum erfüllt, wieder an eine Hochschule zurückzukehren. Dort habe ich dann begonnen, eine systematische Forschung aufzubauen.

Bei der Vorbereitung zu unserem Gespräch habe ich in Europa keine andere Universität gefunden, die auf dem Gebiet NWOW forscht.

Ich kenne noch Eric van Heck von der Erasmus University Rotterdam, der sich mit diesem Thema intensiv beschäftigt. Unsere aus fünf Universitätsprofessoren bestehende Forschungsgruppe, die ganz fokussiert an diesem Thema forscht, ist mit dem, was wir erreicht haben, einzigartig in Österreich.

Gibt es eine kritische Unternehmensgröße, die ein Unternehmen haben muss, damit NWOW auch wirklich funktioniert? Was ist, wenn die Mitarbeiter nicht mitspielen?

Die Frage nach einer kritischen Unternehmensgröße ist spannend. Bei Mittelstandsunternehmen könnte man vermuten, dass es schwierig wird. Aber schauen Sie sich einmal die Startup-Szene an - die haben alle NWOW in ihrer DNA. Die können es sich oft gar nicht anders leisten, als im Wohnzimmer zu beginnen. Ich erlebe das oft bei meinen Studenten. Eines der größten Startups in Wien, das sich mit Haussteuerungsanlagen beschäftigt, ist in einem Wohnzimmer in der Mariahilfer Straße gegründet worden.

Das Einzelbüro wird oft als Statussymbol gesehen. Was ist, wenn dann nicht alle am gleichen Strang ziehen?

Der wichtige erste Schritt beginnt in den Köpfen der Vorstände mit der Bereitschaft, dass man das durchdenkt und eine Strategie - man nennt das auch Transformation Map - entwickelt. Man muss aber Geduld haben. Es kann bis zu sechs Jahre dauern. Man muss das Schritt für Schritt entwickeln.

Da gibt es auch ein Negativbeispiel: Ein großer Versicherer in Wien, der hat sich ein großes Gebäude hingestellt, aber die Organisation passt überhaupt nicht. Ein smartes Gebäude, das adaptiert werden kann, wäre sicher die bessere Lösung gewesen.

Das ist eines der Features des ORBI Tower, der ganz beliebig im Innenausbau und ganz schnell mit minimalsten Kosten angepasst werden kann. Mit einem Steckmodul kann ich Einzelbüros gestalten, nach drei Jahren brauche ich vielleicht größere Einheiten, wenn ich etwas organisatorisch verändert habe - alles kein Problem.

MMF_Bartz-21Mehr Flexibilität ist gefragt?

Deshalb auch das Beispiel der Versicherung: Wenn ich merke, es passt etwas organisatorisch nicht, kann ich das ganz schnell und ohne großen finanziellen Aufwand korrigieren, ohne dass man großartig investieren muss. Das sind die agilen Gebäude der nächsten Generation, die das als Merkmal in sich tragen. Es geht ja nicht nur um die Wände. Wie werden etwa in 10 bis 20 Jahren elektronische Signale übertragen.

Wenn als neue Technologien zum Beispiel Supraleiter gefragt sind, dann sollte es möglich sein, Supraleiter durchs Gebäude zu ziehen. Agilität in den sichtbaren und in den unsichtbaren Bereichen. Diese Veränderungen beginnen tatsächlich in den Köpfen der Vorstände, die müssen diese Thematik systematisch angehen und dann kräftig investieren. Da muss über Jahre investiert werden, weil es eine enorme Organisationsveränderung bedeutet, sonst wird es am Ende nicht nachhaltig.

Die meisten Unternehmen sind zahlengetrieben. Sie fragen sich: Was kostet mich das? Habe ich einen – vor allem aber: wann habe ich einen ROI?

Diese Auswirkungen lassen sich bereits nach kurzer Zeit in den Infrastrukturkosten erkennen. Bürokosten können durchschnittlich in der Größenordnung 20 bis 30 Prozent reduziert werden. Dies ergibt sich durch die mögliche Verkleinerung von Büroflächen, wenn mobiles Arbeiten im Unternehmen eingeführt wird.

Noch bedeutsamer ist jedoch der Einfluss neuer Arbeitskonzepte auf die Menschen in Betrieben. Die Einführung moderner Arbeitskonzepte trägt in den meisten Fällen dazu bei, dass die Mitarbeiterzufriedenheit um 10 bis 20 Prozent steigt; Einsatzbereitschaft und Identifikation mit der Firma nehmen zu. Das erklärt auch, warum sich Arbeitszeiten in New World of Work Unternehmen nicht reduzieren, obwohl die „Leinen länger werden“. Stattdessen wächst das Arbeitszeitvolumen tendenziell um bis zu 10 bis 15 Prozent. Gleichzeitig sinken Krankenstände um 20 bis 30 Prozent. In Summe kann mit einer Produktivitätssteigerung im Bereich von 5 bis 15 Prozent gerechnet werden.

Die Fluktuationsraten gehen hinunter. In „normalen“ Unternehmen freut man sich über durchschnittlich 8 Prozent Fluktuation, in den NWOW-Unternehmen ist man deutlich unter 5 Prozent. Auch die Krankenstände gehen hinunter: In Österreich rechnet man mit 12 Tagen pro Jahr, in NWOW-Unternehmen sinken diese auf unter 6 Tage pro Jahr.

Diese NWOW-Arbeitsmodelle finden sich quer durch alle Branchen. In Österreich sind es erst unter 20 Prozent der Unternehmen, in skandinavischen Ländern über 50 Prozent, die NWOW-Modelle realisiert haben.

Ein weiterer Effekt: Arbeitsgeber werden auch ganz klar attraktiver, da kann es sogar passieren, dass Gehaltssteigerungen moderater ausfallen, Einstiegsgehälter niedriger sind, weil das Unternehmen cool und die Unternehmenskultur interessant erscheint.

Verzichten die Arbeitnehmer zugunsten ihrer Work-Life-Balance auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten auf Geld?

Das konnte mein Mitautor Thomas Schmutzer mit seiner Firma HNP Consulting bei der Einführung von NWOW beobachten. Es wird sozusagen ein Deal mit den Mitarbeitern eingegangen: Mehr Kosteneffizienz, dafür mehr Kompatibilität mit dem Privatleben. Es werden mehr digitale Tools verwendet, im Büro wird zusammengerückt, es gibt vielleicht weniger Drucker und weniger Mistkübel, denn auch das Entleeren ist ein Kostenfaktor.

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Das ist schön und gut – aber wie kann sich ein Arbeitnehmer, wenn privat und beruflich zu verschwimmen beginnt, am besten gegen Selbstausbeutung schützen?

Das ist Aufgabe der Führungskräfte. Sie müssen ihre Mitarbeiter entsprechend steuern. Aber auch die Mitarbeiter müssen entsprechend weitergebildet werden, damit sie damit umgehen lernen. Manche schwimmen wie ein Fisch im Wasser - manche brauchen eben Unterstützung. Sie bräuchten auch zu Hause ein eigenes Büro, bei dem sie die Türe schließen können. Aber auch hier gibt es eine Lösung: Co-working. Im Orbi Tower wurde bewusst Co-working-Space geschaffen. Das haben wir von Vorbildern in London gelernt. Wenn Mieter des ORBI Tower für gewisse Zeit expandieren wollen, weil sie für ein Projekt Mitarbeiter aus dem Ausland beschäftigen, sie Meeting-Räume oder Event-Locations brauchen, mieten sie einfach Co-Working-Space dazu.

Das hat man beim Google Eastend Entwicklungszentrum gesehen, bei dem sich jeder bewerben konnte, er musste nur erklären, welchen Mehrwert er bringt. Wenn es plausibel war, konnte derjenige einziehen. Genau das wird jetzt in Wien beim ORBI Tower umgesetzt. Ein klassischer Tower könnte man denken: Aber genau das ist er nicht - er ist ein atmender Tower mit integriertem Smart-City Konzept. Das ganze Drumherum wurde mitgestaltet. Da gibt es ein offenes, frei zugängliches, kostenloses W-LAN, eine Bürolandschaft unter freiem Himmel, es wurde ganz bewusst ein moderner Boulevard gestaltet, damit auch die Anwohner all das nutzen können.

Die Zeit der Monolithen ist vorbei?

Ja. Das haben wir schon bei Google gesehen. Es ist einfach smarter, ein offenes Büro zu betreiben, ähnlich einem Riff oder Schwamm, die von Mikroorganismen besiedelt sind. Das monolithische Abkapseln in einem Gebäude – diese Zeiten sind vorbei.


LEBENSLAUF

Prof. (FH) DI Dipl.-Wirtsch.-Ing. Michael Bartz

ist langjähriger Industriemanager (Philips, Capgemini, Microsoft). 2010 nahm er eine Professur an der IMC FH Krems an und ist Leiter des Wissenschaftsrats des Next Generation Enterprise Forschungsinstituts in Wien. Michael Bartz forscht zum Thema „Spielregeln für Neues Arbeiten“. Sein zweites Fachgebiet ist die Messung und Bewertung der betriebswirtschaftlichen Auswirkungen neuer innovativer Arbeitsweisen auf Unternehmen (Erfolgsmessung).

Informationen und Ergebnisse aus laufenden Forschungsprojekten werden auf dem New World of Work Blog von Michael Bartz regelmäßig veröffentlicht (www.newworldofwork.wordpress.com). Er ist außerdem Autor verschiedener Sachbücher.