Die Österreichische Nationalbank (OeNB) hat in ihrer aktuellen Interimsprognose den Ausblick für Österreichs Wirtschaft drastisch gesenkt. Aufgrund veränderter Wachstumsaussichten für das zweite Halbjahr hat die OeNB die Prognose für das reale Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im Jahr 2024 von +0,3 Prozent um einen Prozentpunkt auf -0,7 Prozent und für 2025 von +1,8 Prozent um 0,8 Prozentpunkte auf +1,0 Prozent gesenkt.
Ende Juni hatten Wifo und IHS in ihrer vierteljährlichen Konjunkturprognose für 2024 noch mit einer Stagnation (0,0 Prozent Wachstum) der heimischen Wirtschaft bzw. mit einem minimalen Plus von 0,3 Prozent gerechnet. Anfang September prognostizierte Raiffeisen Research für heuer einen BIP-Rückgang von 0,5 Prozent. Die heimische Wirtschaftsleistung schrumpfte 2023 um 0,7 Prozent. Damit steuert die österreichische Wirtschaft bereits auf zwei Rezessionsjahre in Folge zu.
"Die Abwärtsrevision ist auf einen schwächeren historischen BIP-Verlauf und den BIP-Rückgang im zweiten Quartal 2024 zurückzuführen, aber auch auf eine nunmehr schwächere Einschätzung für das BIP-Wachstum im zweiten Halbjahr 2024", schreiben die Notenbank-Ökonomen in ihrer am Freitag veröffentlichten Interimsprognose. Die heimische Wirtschaftsleistung schrumpfte seit ihrem Höhepunkt im zweiten Quartal 2022 bis zum zweiten Quartal 2024 laut OeNB um insgesamt 2,1 Prozent. Verantwortlich dafür sei vor allem die Industrierezession und eine ausgeprägte Konsumzurückhaltung. Die Industrie leidet vor allem unter der Schwäche der internationalen Konjunktur, hieß es von der Nationalbank. Vor allem die energieintensiven und baunahen Industriebereiche seien der Grund für die Industrierezession.
Aufgrund der schwächeren wirtschaftlichen Entwicklung erhöht die OeNB auch die Prognose für die Arbeitslosenquote in Österreich um 0,4 Prozentpunkte auf 7,1 Prozent für 2024 und um 1,0 Prozentpunkte auf 7,5 Prozent für 2025.
Die Oppositionsparteien und die Gewerkschaft machen die türkis-grüne Bundesregierung für die schrumpfende Wirtschaft im Jahr 2023 und 2024 verantwortlich und fordern Maßnahmen gegen die Rezession. "Man muss jetzt gegensteuern, den Menschen und den Unternehmen Sicherheit geben", so SPÖ-Wirtschaftssprecher Christoph Matznetter in einer Aussendung. FPÖ-Wirtschaftssprecher Axel Kassegger forderte angesichts der Industrierezession die Verlängerung der für die energieintensive Industrie "dringend erforderlichen Strompreiskompensation". Laut NEOS-Vorsitzende Beate Meinl-Reisinger brauche es einen "ehrlichen Kassasturz", um das Budget zu sanieren und Spielraum für nachhaltige Entlastung zu schaffen. "Denn Österreich ist alles andere als gut durch die Krisen gekommen", so Reisinger.
Die Gewerkschaft ist angesichts des Wirtschaftsabschwungs für Maßnahmen unter anderem im Bereich Standort und Beschäftigung. "Wir sind jederzeit bereit, gemeinsam an Lösungen zu arbeiten, wenn man unsere Expertise möchte", sagte die ÖGB-Chefökonomin Helene Schuberth. "Der Weg in die Zukunft darf nicht in parteipolitischem Wahlkampfhickhack untergehen." Das gewerkschaftsnahe Momentum Institut empfiehlt der Regierung nach der Nationalratswahl Ende September ein Konjunkturpaket auf den Weg zu bringen. Das Institut plädiert für den Ausbau des öffentlichen Verkehrs und der Energienetze, Bau von "leistbarem Wohnraum" und mehr Fachkräftestipendien beim Arbeitsmarktservice.
Die OeNB-Ökonomen haben in ihrer September-Interimsprognose das Budgetdefizit nicht neu geschätzt. Im Juni prognostizierten die Volkswirte ein Finanzierungssaldo des Staates von -3,1 Prozent im Jahr 2024 und -3,3 Prozent im Jahr 2025. Mit Spannung wird nun die aktualisierte Wifo/IHS-Konjunkturprognose Anfang Oktober erwartet. Angesichts der Rezession 2024 und dem deutlich niedrigeren Wachstum 2025 ist mit einem höher als bisher prognostizierten Budgetdefizit zu rechnen.
Gute Nachrichten gibt es hingegen bei der Teuerung: Gegenüber der Juni-Prognose senkten die OeNB-Volkswirte die erwartete Inflationsrate um jeweils 0,4 Prozentpunkte auf 2,9 Prozent (2024) und auf 2,3 Prozent (2025). Für den Rückgang sei vor allem die schwache Konjunkturentwicklung und zurückgehende Kostenentwicklung auf Erzeugerebene verantwortlich. (apa)