Wem in Niederösterreich der Euro locker in der Tasche sitzt, der hat neben den traditionellen Geschäften ausreichend Möglichkeit, diesen auch in Einkaufs-tempeln loszuwerden: Dort brachten insgesamt 115 Millionen Besucher auf 785.000 Quadratmeter vermietbarer Fläche und 655.000 Quadratmeter Verkaufsfläche im Jahr 2013 einen Umsatz von satten 2,4 Milliarden Euro, wie Hannes Lindner, geschäftsführender Gesellschafter des Beratungsunternehmens Standort + Markt, berichtet: „Beachtlich ist auch die Zahl der Menschen, die dort arbeiten, es sind nämlich rund 15.300 Beschäftigte“.
Das sind immerhin so viele, wie der ehemals zweitgrößte österreichische Baukonzern, die in die Insolvenz geschlitterte Salzburger Alpine, im In- und Ausland insgesamt in Lohn und Brot hatte. „Die Shop-Zahl liegt in diesen 44 Centern bei 1.676. Und weil die Besucher auch irgendwo parken müssen, stehen für sie insgesamt 57.500 Stellplätze bereit“, rundet Lindner die Statistik ab.
Grundsätzlich sei in Niederösterreich bereits eine Marktsättigung erreicht, so der Experte. Das heisse aber nicht, dass es in der einen oder anderen Bezirkshauptstadt oder im Nahbereich von Wien nicht weitere Möglichkeiten gäbe: „Das ist nur eine Frage dessen, ob die Raumordnung mitspielt, ob die Widmungen vorhanden sind - und schließlich die Kernfrage: Was geht – und was geht nicht.“ Denn in manchen Städten sei das endgültige Wort noch nicht gesprochen, meint Lindner: „Und wir wissen all zu gut, dass das Bessere der Feind des Guten ist und ein Kopf-an-Kopf-Rennen an verschiedenen Agglomerationen stattfindet.“
Der Standort + Markt-Geschäftsführer nimmt als Beispiel die Landeshauptstadt St. Pölten: „Dort haben wir noch eine durchaus intakte Innenstadt, wo der Traisenpark zugegen ist und im Süden aber noch Merkur mit Mediamarkt und starken Fachmärkten im Umfeld einen dritten Schwerpunkt setzt“. Das sind Situationen, wo der Markt unruhig ist und, so lange sich noch kein dominantes Zentrum herausgebildet hat, an allen Ecken gedreht wird. „Man versucht, mit einer Erweiterung eines Zentrums oder mit einer Neuerrichtung eines Zentrums aufzuzeigen und das Zepter an sich zu reißen“, beschreibt Hannes Lindner mögliche Szenarien. Er vermutet, dass in St. Pölten am Ende des Tages wohl der Traisenpark, der momentan erweitert wird, diese Rolle übernehmen wird: „Er wird wahrscheinlich doch als dominantes Einkaufsziel hervorgehen“. Das letzte Wort sei aber noch nicht gesprochen: „Ergodessen ist die Situation dort weich“, so Lindner.
[caption id="attachment_767" align="aligncenter" width="300"] Fischapark Wiener Neustadt (c) Michael Mazohl[/caption]Wenn man sich hingegen Wiener Neustadt anschaut, so sei die Lage mit einem sehr starken Fischapark, der als DAS Shopping-Ziel gilt und einen starken Fashion-Schwerpunkt aufweist, bald versiegelt, meint der Experte: „Der Attraktivitätsabstand auch zu anderen Agglomerationen ist hier so gross, dass er wohl in Zukunft kaum überwunden werden kann.“ Noch vor einigen Jahren war die Dominanz eines einzigen Einkaufsziels aber noch nicht vorhanden: „Man sieht an diesen Beispielen, dass das Rad sich laufend weiter dreht“, meint Lindner. Bezüglich allfälliger Konkurrenzsituationen sei immer die Frage, wo ein Center positioniert und wie groß es ist sowie welches Einzugsgebiet es anspricht: „Im Fall des Gerasdorfer G3 werden sicherlich zu einem starken Teil Wiener Kunden angesprochen und herausgeschält. Oder schauen Sie sich die SCS an – hier ist das Wiener Publikum ein ganz wesentlicher Teil. Die Zentren, die im Nahbereich Wiens positioniert werden, schielen ganz eindeutig auf die Bundeshauptstadt und ihre Wachstumsgebiete“. Besonders Nahe des 21. und 22. Wiener Gemeindebezirks seien die Zentren bereits in Lauerstellung, um sich ein Stück des Kuchens zu sichern.
In anderen Gegenden sind die Einkaufstempel auf Besucher aus Niederösterreich ausgerichtet, aber: „In Bruck an der Leitha zum Beispiel schielt man auf Besucher aus dem Burgenland und Wiener Neustadt kann sogar Kaufwillige aus der steirischen Mur-Mürz-Furche und dem Raum Eisenstadt durch die Merkur-City anziehen“. Das Einzugsgebiet der Shopping City Süd reiche bis Baden bei Wien: „Alles, was südlich davon liegt, fällt schwerpunktmäßig dann doch wieder Wiener Neustadt in den Schoß“, beschreibt Hannes Lindner die Faktenlage. Die SCS sei aber so attraktiv, dass sich ihr Einzugsgebiet bis Bruck an der Leitha ausdehne und sogar Burgenländer anziehe.
„Und dann gibt´s natürlich Phänomene wie die FOC-Agglomeration Parndorf, die Sondereinzugsgebiete hat, die über Bundesländer- und Staatsgrenzen hinweg ausstrahlen“, erläutert der Standort + Markt-Geschäftsführer. Kunden aus dem Ausland können nur wenige Standorte anziehen, wie auch die SCS und Gerasdorf. In Wien sind dies die City sowie die Mariahilfer-straße, so Lindner.
Auffällig sind in Niederösterreich auch neben den geordneten Einkaufszentren die so genannten „Big Boxes“, die willkürlich entstehen und auch der Raumordnung ein Dorn im Auge sind, meint Hannes Lindner. „Diese Fachmarktagglomerationen sind ein wichtiges Ventil für den Handel. Die Zahlen sind aber eigentlich erschreckend, denn es sind allein in Niederösterreich 58 Gebiete mit einer wild gewachsenen Verkaufsfläche von 1,2 Millionen Quadratmetern“. 950 Fachmärkte warten hier auf Kunden. „Man muß sich aber die Frage stellen: Ist das ein funktionales Gebiet oder ist das eher schauderhaft? Denn weder der Händler noch der Konsument fühlen sich hier wohl“, ist der Experte überzeugt.
In diesen Gebieten könnten sich jedoch zukünftig Fachmarktzentren entwickeln, wenn man eine Bündelung dieser Betriebe vornimmt und funktionale Einheiten schafft. „Daher glaube ich, dass bei den Shopping-Centern in Niederösterreich noch nicht das letzte Wort gesprochen ist. Das heißt aber auch, dass einige Hallen in Zukunft leer stehen könnten, weil ihre Mieter in geordnete Retail-Parks umziehen,“ befürchtet der Standort + Markt-Geschäftsführer.
Beispiele dafür sind Amstetten-West, Krems-Ost oder Neulengbach: „Diese Entwicklung ist unabhängig von der Größe der Stadt und des Einzugsgebietes. Meist wird irgendwo ein Supermarkt errichtet, dann ein Baumarkt 100 Meter weiter und dann noch eine Zeile mit einem Drogeriemarkt plus Textildiskont und Schuhdiskont wieder 100 Meter weiter. Also nix, wo zusammenhängende Strukturen geschaffen werden, die für Handel und Konsumenten günstiger wären – alles Sachen, die nicht optimal abgelaufen sind“, sagt Hannes Lindner vom Beratungsunternehmen Standort + Markt.
BIG BOXES - WILDWUCHS IN ÖSTERREICH
5,1 Millionen Quadratmeter Einzelhandelsverkaufsfläche werden in Österreich zwischenzeitlich von Fachmärkten auf der „Grünen Wiese“ belegt, lediglich 17 Prozent (0,9 Millionen Quadratmeter) befinden sich in meist solide geplanten Fachmarktzentren, die verbleibenden Flächen sind willkürlich und in der Regel mehr oder weniger unkoordiniert gewachsen.
Innerhalb von nur 15 Jahren hat sich die Fläche dieser „Big Box“-Gebiete von 2,5 Millionen m² (mit rund 1.400 Shops) auf 5,1 Millionen Quadratmeter (knapp 4.000 Shops) mehr als verdoppelt. Insbesondere das Supermarktsortiment hat bei Fachmarktagglomerationen an Gewicht gewonnen – die Big Box-Gebiete haben sich in nur 15 Jahren zu den neuen Nahversorgern entwickelt. Der Flächenanteil im Supermarktsortiment liegt zwar bei vergleichsweise bescheiden anmutenden 15,7 Prozent, der Umsatzanteil ist – nicht zuletzt aufgrund der zahlreichen flächenleistungsstarken Lebensmitteldiskonter – mit 38,4 Prozent mehr als beachtlich.