Der deutsche Handelsexperte Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein hält eine Insolvenz bei René Benkos Firmengruppe Signa für wahrscheinlich. Alle Signale würden darauf hindeuten, "dass es nicht nur Zahlungsschwierigkeiten gibt, sondern das Unternehmen kurz vor einer Insolvenz unter Umständen steht", sagte Heinemann am Donnerstag im Ö1-"Mittagsjournal". Sanierer Arndt Geiwitz will bis Ende November klarmachen, wie er sich die Restrukturierung vorstellt.
Der deutsche Wirtschaftsprüfer und Steuerberater Geiwitz, der einst Insolvenzverwalter der deutschen Drogeriekette Schlecker war und Benko bei der Sanierung der Galeria-Kaufhäuser beriet, hat jetzt alle Hände voll zu tun. Laut Heinemann wird Geiwitz zunächst Transparenz schaffen und die Banken beruhigen müssen. Ob ihm das gelingen werde, sei jedoch fraglich, so Heinemann. In den nächsten Wochen stünden etliche Refinanzierungen an, und die Banken seien von der deutschen Bankenaufsicht angewiesen worden, "genauer hinzuschauen, was offensichtlich in der Vergangenheit nicht der Fall war. Und da wage ich zu bezweifeln, dass die Banken einfach nur durch ein Schönreden sich hinhalten lassen", sagte Heinemann.
Vieles sei bei dem Firmengeflecht von rund 1.000 Firmen unklar, so der Experte. Zwischen diesen Firmen würden auch Geschäfte laufen und die gegenseitigen Haftungen seien nicht geklärt. Unklar ist vorerst auch noch, um welche Summen es genau geht. Die kolportierten 200 bis 400 Mio. Euro sollen laut Heinemann "angeblich der Betrag sein, der noch im November fällig ist", bis Jahresende sollen es "bis 1 Milliarde und mehr" sein.
Der Signa-Konzern mit einer Bilanzsumme von zuletzt 27 Mrd. Euro bleibt weiterhin undurchsichtig. Wer, wo in der Signa wie viel einschießen wird müssen, will Geiwitz laut Radio-Bericht auch in spätestens drei Wochen wissen. Das Geiwitz-Team und zwei Anwaltskanzleien schauen sich in dieser Zeit die wichtigsten Immobilienbereiche der Signa an, deren Gesamtvermögen wie berichtet auf 20 Mrd. Euro geschätzt wird. Sie prüfen weitere Geschäftsaussichten für Gebäude - also wo etwas verdient werden kann, wo es Kaufinteressenten gibt. Gespräche würden in Europa und im arabischen Raum mit potenziellen Geldgebern geführt. Wichtig werden auch Verhandlungen mit geldgebenden Banken, so Ö1 ohne Angabe von Quellen.
Demnach verdichteten sich auch unbestätigte Angaben, wonach die Signa auf ihren Kernbereich der Immobilien schrumpfen könnte. Dann könnten in der Schweiz Globus und in Deutschland die Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof verkauft werden. Auch die Beteiligungen an "Kronen Zeitung" und "Kurier" gehören nicht zum Signa-Kerngeschäft und dürften genau angeschaut werden.
Die Zeitung "Presse" (Donnerstag) wirft die Frage auf, ob Benko trotz seit Jahren fehlender tatsächlicher operativer Funktion in seinem Lebenswerk nicht doch womöglich "faktischer Geschäftsführer" war, den im Fall des Falles Haftungsfragen treffen können. Für Beobachter steht jedenfalls außer Zweifel, dass Benko bis zur Übergabe an Geiwitz das Sagen hatte. Selbst nannte sich Benko angeblich auch des Öfteren "Chairman". Über seine Familienstiftung hält der 46-Jährige indirekt die Mehrheit der Anteile an seinem "Baby".
Da Benko kein offizielles Amt innehabe, sei unklar, wovon er sich jetzt eigentlich zurückziehe, sagte wiederum Heinemann. "Die Stimmrechte seiner Anteile - über 50 Prozent - sind wohl noch nicht übertragen. Er besitzt ja indirekt über seine Stiftung die Mehrheit, und da ist noch nichts übertragen worden, was man hört. Gerede ist das eine und Fakten und Tatsachen das andere." Fakt ist, Sanierer Geiwitz übt die bisherigen Stimmrechte von Benko aus - was für ein rechtliches Konstrukt dahinter steht, ist offen. (apa)