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Speckgürtelförderung

Nach langer Diskussion hat sich die österreichische Bundesregierung auf die Eckpunkte der ökosozialen Steuerreform geeinigt und diese am 3. Oktober stolz der Öffentlichkeit präsentiert.
Gunther Maier
Gunther Maier
Gunther Maier
© REMG

Das Adjektiv „ökosozial“ geht vor allem darauf zurück, dass mit dieser Reform ein CO2-Preis eingeführt wird. Ab Mitte 2022 soll der Ausstoß von Kohlendioxid vorerst 30 Euro kosten. Bis 2025 soll der Preis bis 55 Euro ansteigen. 

Die Intention hinter dieser Steuer ist klar und einfach: Der Ausstoß des klimaschädlichen CO2 kostet und wer mehr Ausstoß verursacht, zahlt mehr. Weil die CO2-Bepreisung breit angelegt ist, werden dadurch auch Produkte, deren Produktion mehr CO2 verursacht, teurer werden. Und wenn ein Produkt im Vergleich zu anderen teurer wird, so wird es normalerweise auch weniger gekauft. 

Altes Problem Verkehr

Ein wichtiger Emittent und ein Problemkind der österreichischen Klimapolitik ist der Verkehr, vor allem die tägliche Autofahrt zur Arbeit, zum Einkaufen, zur Schule usw. Nachdem die CO2-Bepreisung auch Kraftstoffe trifft, werden längere Fahrten teurer werden und manche Leute werden sich nach Alternativen umsehen. Langfristig betrachtet wirkt sich eine CO2-Bepreisung auch auf die Siedlungsstruktur aus: weniger Zersiedelung, weniger Bodenversiegelung, weniger Einkaufszentren am Stadtrand. Dass dieser Zusammenhang besteht, weiß jeder, den es schon einmal in die Suburbs einer amerikanischen Stadt verschlagen hat. Deren endlose Eintönigkeit ist auch das Ergebnis des über lange Zeit sehr niedrigen Benzinpreises.

Lenkungseffekt

Allerdings hat die österreichische Bundesregierung die CO2-Bepreisung mit einem „regionalen Klimabonus“ verknüpft. Dass die Einnahmen aus der Steuer an die Bevölkerung zurückgegeben werden, schwächt zwar den Lenkungseffekt, hilft aber der Akzeptanz der Maßnahmen in der Bevölkerung. Allerdings soll der Klimabonus in Österreich nicht gleichmäßig oder nach sozialer Bedürftigkeit verteilt werden, sondern nach vier Gebietstypen. Und in Stufe vier ist der Klimabonus mit 200 Euro doppelt so hoch wie in Stufe eins. 

Der mögliche Lenkungseffekt der ökosozialen Steuerreform auf die Siedlungsstruktur wird damit nicht nur geschmälert, sondern ins Gegenteil verkehrt. Die Gebiete mit dem höchsten Energieverbrauch pro Kopf erhalten den höchsten Bonus pro Kopf. Aus dem „Klimabonus“ wird so ein „Pendler- und Häuslbauerbonus“. 

Im Umland der Städte wird daraus eine Speckgürtelförderung. Während die Wienerinnen und Wiener in Breitenlee nur 100 Euro bekommen, gibt es im benachbarten Aderklaa das Doppelte. Der Blick auf die Karte zeigt ähnliche Beispiele auch bei anderen Städten. Die ersten Umwidmungen sind wahrscheinlich schon in Vorbereitung.

Univ. Prof. Dr. Gunther Maier: Modul Universität Wien (MU). Gründer des Forschungsinstituts für Raum- und Immobilienwirtschaft an der WU Wien und Vizepräsident der European Real Estate Society.