„Graz und die Steiermark wären ja so schön, wenn die bösen Investoren nicht wären“, bringt es Gerald Gollenz auf den Punkt. Nicht ohne Grund sei die Stadt Graz gleich mit vier Projekten für den Planlos Award der IG Architektur nominiert worden. Der Immobilienmarkt in der Steiermark funktioniere gut. Allein in Graz drücke der Schuh. Das dafür aber massiv. Die Runde – RE/MAX-Immobilienmaklerin Margot Clement, Baumeister Rudolf Leitner (LMC Leitner Management & Consulting), Gerald Gollenz (Fachgruppenobmann der Immobilien- und Vermögenstreuhänder in der Steiermark) und Markus Gössl (Venta Real Estate Group) – lässt kein gutes Haar an den – speziell mit der Stadtplanung befassten – Beamten der Stadt. „Der Schuh drückt immer dort, wo es um die Stadtplanung geht. Die Verfahren dauern viel zu lang“, so Gollenz. „Die Altstadtsachverständigenkommission ist ein regelrechter Hemmschuh. Diese Kommission kostet uns viel Zeit.“ Man werfe der Immobilienwirtschaft immer vor, gegen die Stadt zu sein. „Das ist das Hauptthema, da leiden wir am meisten. Wir reden eh immer über das gleiche Thema, aber es ändert sich leider nicht sehr viel.“
„Was uns am meisten abgeht, ist die Investorensicherheit“, wirft Leitner in die Diskussion ein. „Graz hat einfach zu wenig Beamte und Fachkräfte in der Stadtplanung und in den Ämtern.“ Egal, ob es um Neubauwohnungen oder Sanierungsprojekte gehe. Leitner hat auch gleich ein plakatives Beispiel parat: den Kanalisationsbeitrag. Dieser sollte – dem Baugesetz nach – zum Stichtag der Bewilligung festgelegt werden. Doch das passiere nicht immer. „Bei einem meiner Projekte, das vor drei Jahren genehmigt und heuer fertiggestellt wurde, wurde der Kanalisationsbeitrag von 20 auf 25,6 Euro erhöht. Das sind dann bei 2.000 Quadratmetern über 11.000 Euro Mehrkosten.“ Gerade bei Bauherrenmodellen arbeite man als Generalplaner und Projektentwickler nicht nur mit eigenem, sondern auch mit fremdem Geld. „Da brauche ich die Sicherheit, dass meine Kalkulation hält.“
Wie für Gollenz dauern auch Leitner die Verfahren viel zu lang. „Durch die langen Verfahrensdauern verlieren wir auch unsere Glaubwürdigkeit. Wir versprechen unseren Kunden: Wir sind in eineinhalb Jahren fertig – dann werden es drei. Damit kannst Du aber auch den erhofften steuerlichen Erfolg, den der Investor sozusagen erwartet hat, nicht einhalten. Damit bist du als Projektinitiator nicht mehr glaubwürdig.“
Was aber mehr stört, ist die derzeitige Koordination in der Stadtentwicklung. „Ich bin seit 35 Jahren als Generalplaner, als Baumeister tätig. Wir haben in diesen 35 Jahren im Bereich der Bauherrenmodelle rund 1.200 geförderte Wohnungen errichtet. Aber das Thema Behörde und Verfahren trifft alle. Es hat aber noch nie Bestrebungen gegeben, diese Projekte zusammenzuführen und zu koordinieren.“ Dabei wäre es ein Leichtes, Sanierungen und Neubauvorhaben miteinander zu verbinden. „Die Stadtplanung weiß, wer wo welche Anträge stellt. Wenn in einer Gasse zwei Objekte saniert werden und in der Parallelgasse auch, dann könnte man einen Konsens finden, um alte Strukturen wieder aufleben zu lassen oder zurückzunehmen, sodass man Projekte wie Innenhofgestaltungen wieder zu Tage treten lässt. Diese Kooperation oder dieses Draufschauen auf Projekte gibt es von oberster Stelle in der Altstadt kaum. Hier werden Chancen der Stadtentwicklung leichtfertig vergeben.“
Wie es geht, zeige Leoben und Bruck an der Mur. Leitner: „Wenn etwas gebaut wird, werden alle Beteiligten an einen Tisch geholt – da geht dann wirklich etwas weiter. Was besprochen wird, das hält dann auch. Davon können wir in Graz nur träumen.“ „Warum das in Bruck funktioniert, liegt auf der Hand. Dort ist man froh, dass jemand kommt und investiert“, wirft Clement ein. „Wir werden von den Behörden als Störenfriede und nicht als Partner gesehen“, formuliert Gollenz scharf. „Ich baue seit 30 Jahren in Wien, Salzburg und Graz. Wenn du in Wien ins Bauamt kommst, dann bist du ein Partner, ein Kunde, der bedient wird. Wenn du nach Graz kommst, bist du ein Feind, den man am liebsten draußen haben möchte. Selbst in Salzburg, wo das Stadtplanungsamt lange Jahre in grüner Hand war und noch immer ist, konnte man immer reden. Auch in Salzburg gibt es eine Altstadtkommission, die heißt nur anders. In Graz bist du Bittsteller.“ Selbst gestandene Bauträger, die seit 30 Jahren am Markt sind, sagen: „Nein, ich mag nicht mehr nach Graz", merkt Golenz kritisch an. „Weil man sich fast hinknien muss, damit man hineingehen darf. Das ist das Problem. Der Bürgermeister glaubt es uns einfach nicht, obwohl wir es ihm von vielen Seiten immer wieder sagen. Er hört leider immer nur das, was er hören will.“
[clearfix] [clearfix]Diese Probleme seien auch Ursache dafür, dass nationale und internationale institutionelle Investoren einen Bogen um Graz machen würden. „Kein Wunder, wenn sie monatelang papierlt werden.“
„Das Gleiche betrifft auch den Neubaumarkt“, meldet sich nun auch Gössl zu Wort. „Wir versuchen Wohnungen in der Vorverwertung unterzubringen, bevor wir mit einem Bau starten.“ Das werde aber immer schwieriger. „Wir trauen uns einfach nicht mehr vor Baugenehmigung in die Werbung zu gehen. Was sag ich einem Käufer, der im Glauben kauft, dass er in zwei Jahren einziehen oder seine Wohnung vermieten kann, und wir fangen erst in drei Jahren zu bauen an. Definitiv. Im Neubaugeschäft gehen wir vor einer rechtskräftigen Baugenehmigung nicht mehr in die Werbung. Wir können unseren Kunden ja nicht sagen: Es kann ein Jahr, aber es kann auch vier Jahre dauern. Das geht nicht.“ „Wir müssen mehr bauen“, bringt sich Gollenz wieder in die Diskussion ein. „Es klingt zwar blöd, aber eine Leerstandsquote von fünf Prozent wäre ideal. Stehen fünf Prozent leer, heißt das, dass genug gebaut worden ist. Dann haben wir am Markt auch ein Preisniveau, das für alle leistbar ist. Wo wir verdienen und wo auch der Mieter und Käufer glücklich sind.“
Leitner: „Was Graz fehlt, ist visionäres Denken. Ich durfte vor einigen Jahren beim Forum Alpbach einen Vortrag zum Thema Stadtentwicklung mit Fokus darauf, wer schlussendlich die Verantwortung dafür trägt, halten. Bei dieser Tagung präsentierte der Verantwortliche für die Entwicklung der Hafenstadt in Hamburg städtebauliche Ideen für die Hafencity. Wie viele Wohnungen, wie viele Einheiten für betreutes Wohnen, Büros und Geschäfte sollen errichtet werden. Welche Freizeiteinrichtungen sollen bzw. müssen geschaffen werden. Diese Vorgehensweise heißt Quartiersentwicklung.“ Dieses visionäre Denken müsste in den Köpfen der Stadtväter viel stärker ausgeprägt sein. „In der Altstadt sperren immer mehr Geschäfte zu. Wir haben Probleme in der Jakoministraße, in Teilbereichen des Griesviertels. Da muss man mit städtebaulichen Konzepten gegenhalten.“
Für Gollenz steht fest: „Stadtentwicklung machen wir – nicht die Stadt. Ich habe vor 17 Jahren am Entenplatz auf der anderen Seite der Mur ein Projekt gemacht. Alle haben gesagt: Ja hast Du jetzt einen kompletten Vogel? Aber: Jetzt ist es voll. Jetzt gibt es nichts mehr dort. Das ist aber nicht unsere Aufgabe. Stadtentwicklung in Graz passiert – wird aber nicht geplant. Einer von uns geht hin und baut irgendwas, dann kommen die anderen dazu. Die Beamten machen sich da keine Gedanken. „Wenn wir wollten, würden wir noch zig Plätze finden, die sich für eine Stadtentwicklung eignen würden. Aber der Baudirektor und der Stadtplanungschef konzentrieren sich auf ihre zwei wichtigsten Dinge: Reininghaus und das Murkraftwerk.“ Ein gutes Beispiel für eine Nicht-Planung ist Reininghaus. „Ich kann nicht hunderte Wohnungen bauen, aber nicht einmal wissen, wie ich öffentlich dort hinkomme“, schimpft Gollenz und wird prompt von Leitner unterstützt: „Da lassen wir Investoren anlaufen und Millionen verlieren, wie es Kollegen bei den Reininghausgründen passiert ist.“ Wien sei hier anders, bringt Clement die Seesadt Aspern ins Spiel: „Zuerst wurde die U-Bahn gebaut und dann hat man mit den Wohnbauten angefangen. Bei uns ist es immer so, dass zuerst etwas gebaut wird und dann überlegen wir uns, wie wir dort auch hinkommen.“
[clearfix]Gössl sieht diese Probleme nicht nur auf Graz beschränkt: „Wir haben auch ganz schlechte Erfahrungen in kleineren Gemeinden erlebt. Wenn ein Bürgermeister ein Projekt nicht will, dann will er es nicht. Dann wird es einfach nicht konsequent bearbeitet. Punkt. Generell aber ist das Entgegenkommen der Gemeinden außerhalb von Graz größer.“
„Diese langen Verfahrensdauern sind mittlerweile deutlich am Wohnungsmarkt zu spüren“, so Clement. „Graz hat einen sehr, sehr guten Markt. Unser Bürgermeister spricht ja von zwischen 5.000 und 6.000 Personen Nettozuzug pro Jahr. Das zeigt sich in den Transaktionen: Plus 28 Prozent im Vergleich erstes Halbjahr 2016 zu erstes Halbjahr 2017 – und das bei steigenden Immobilienpreisen. In den letzten sieben Jahren betrug die Preissteigerung 57 Prozent. Schön langsam erreichen wir die Grenzen der Finanzierbarkeit und Leistbarkeit.“ Die Konsequenz: Interessenten, die sich die Preise in Graz nicht mehr leisten wollen oder können, weichen in den Süden von Graz Richtung Gleisdorf, Leibnitz aus. „Ich möchte aber eines festhalten, bevor hier ein falscher Eindruck entsteht: Der Markt in Graz und Graz-Umgebung funktioniert sehr gut. Sowohl im Eigentums-, Vorsorge- als auch Mietbereich“, betont Gössl. „Was allerdings prinzipiell immer schwieriger wird, ist das Produkt leistbares, schönes Wohnen zur Verfügung zu stellen.“
Gollenz stimmt zu: „Der Markt funktioniert. Ein hoher Prozentsatz der Grazer wohnt im Eigentum. Wir sind allerdings auch eine Universitätsstadt – und viele der 50.000 Studenten mieten. Aber das wiederum nicht in Zinshäusern, sondern in Eigentumswohnungen, die von Investoren gekauft wurden. Das klassische Zinshaus gibt es in Graz sehr selten. Das Thema Gründerzeitviertel und Miete ist in erster Linie ein Wiener Thema.“ Oft werde zuerst gemietet, dann gekauft. „Wobei Kauf bedingt durch das niedrige Zinsumfeld sehr interessant ist“, so Clement.
Doch auch in den Umlandgemeinden steht nicht alles zum Besten. Gollenz sieht vor allem in der schlechten Planung eines der größten Handlungsfelder der Politik: „Wir müssen die Infrastruktur verbessern. Nicht nur den Verkehr, sondern das gesamte soziale Umfeld. Schulen, Kindertagesstätten und so weiter müssen her. Die Gemeinden müssen attraktiver werden.“ Für Gollenz steht fest: „Die Gemeinden verpassen hier eine Chance. Wenn du heute in Wien arbeitest und in Baden eine Wohnung kriegst, dann schleckst du dir alle Finger ab, obwohl du eine Stunde bis Wien brauchst. Wenn du dir in Wildon eine Wohnung kaufst, dann sagen alle: Bist du deppert. Obwohl Du in zwanzig Minuten in Graz bist.“ Die Regionen im Süden von Graz sind im Kommen. „Ich selbst komme aus Radkersburg und seit Jahrzehnten sage ich, baut Wohnungen. Jetzt werden 100 Wohnungen gebaut.“
Für Leitner stellt sich die Frage: „Wie kann ich Investoren für die Revitalisierung der Ortskerne überzeugen? Wir haben in Leoben und Bruck über 200 Wohnungen. In Leoben kostet die Altsubstanz zwischen 500 und 600 Euro pro Quadratmeter ausbaubarer Fläche. In Graz bekommen wir unter 2.000 Euro pro Quadratmeter fast nichts mehr. In Bruck oder Leoben werden die Wohnungen damit zur Belebung der Innenstadt beitragen. Ein Investor ist eben von der Lage zu überzeugen."
Das etwas geht, zeige die Region Spielberg. Die Initialzündung kam von Dietrich Mateschitz. Seit seinen Immobilieninvestitionen haben die Preise angezogen, so Gollenz.