Bei einer ersten Gerichtsverhandlung zur Klage des russischen Strabag-Aktionärs Rasperia Trading Limited gegen andere Strabag-Aktionäre auf 1,9 Mrd. Euro hat die von der Klage ebenso tangierte Raiffeisenbank Russland am Mittwoch in Kaliningrad beantragt, die Causa öffentlich zu verhandeln. Dies erklärte der Anwalt der russischen RBI-Tochter, die im Rahmen einer in diesem Verfahren erlassenen einstweiligen Verfügung nicht verkauft werden darf, am Mittwoch russischen Medien.
Der auf Wirtschaftsverfahren spezialisierte Moskauer Anwalt Andrej Timtschuk begründete gegenüber der Tageszeitung "Wedomosti" den Antrag der RBI-Tochter vor Gericht damit, dass zu den Vorgängen im Gerichtssaal maximale Transparenz hergestellt werden solle. Der bisherige Ausschluss der Öffentlichkeit hat mit einem Antrag von Rasperia Trading Limited zu tun, dem eine Richterin bereits Anfang September stattgegeben hatte.
Der Kläger habe seine Forderung damit begründet, dass dem Gericht Dokumente mit dem Stempel "Geschäftsgeheimnis" vorgelegt worden seien, referierte "Wedomosti". Dabei seien die gleichen Dokumente zuvor ohne Stempel und ohne Verweis auf ein Geschäftsgeheimnis anderen Personen vorgelegt worden, berichtete Timtschuk. Das Gericht werde bei der nächsten Verhandlung am 30. Oktober über diesen Antrag der Raiffeisenbank Russland entscheiden.
Dem russischen Fachmedium "Frank Media" erzählte der Anwalt zudem, dass der Kläger im Widerspruch zur Haager Übereinkommen über den Zivilprozess die beklagten österreichischen Firmen nicht wie vorgeschrieben über zuständige staatliche Stellen informiert habe, sondern einfach Briefe verschickt habe. Weiters begründete er einen am 14. Oktober von der Raiffeisenbank Russland bei Gericht eingebrachten Antrag auf Einstellung des Verfahrens damit, dass die Rechte von Rasperia als Aktionär einer österreichischen Gesellschaft keinen Bezug zur Rechtssprechung in Russland habe. "Dieser Streit muss vor einem internationalen Schiedsgericht verhandelt wird. Sollte sich das Gericht dieser Ansicht anschließen, müsste das Verfahren in Russland eingestellt werden", zitierte "Frank Media" den Rechtsvertreter der Bank.
Weiterhin unklar bleibt indes, mit welchen genauen Argumenten Rasperia jene einstweilige Verfügung gegen die Raiffeisenbank Russland beantragt und erwirkt hat, die einen Verkauf der Bank derzeit verbietet. Ein Sprecher von RBI, des Mutterkonzerns der Raiffeisenbank Russland, widersprach am Donnerstag jedenfalls der Darstellung von "Wedomosti", die die Klage im Zusammenhang mit dem unter US-amerikanischen Sanktionsdruck gescheiterten Erwerb von Rasperias Strabag-Aktien durch die Raiffeisenbank International (RBI) im Mai 2024 in Verbindung brachte. Rasperia war in der Vergangenheit vom westlich sanktionierten russischen Oligarchen Oleg Deripaska kontrolliert worden, der nunmehr jedoch nichts mehr mit dieser Firma zu tun haben möchte.
"Die Klage richtet sich gegen Strabag und deren Kernaktionäre, die - so wird behauptet - seit 2022 schrittweise unter dem 'Vorwand' der Anwendung von EU-Sanktionen Rasperia ihrer Aktionärsrechte beraubt und 'enteignet' hätten", erklärte der RBI-Sprecher. Diesen angebliche Schaden, der von den Beklagten verursacht worden wäre, solle dabei gegen Assets der Raiffeisenbank Russland vollstreckt werden. Den Klagstext selbst könne er leider nicht zur Verfügung stellen.
Keine weiteren Auskünfte wollte man auch beim beklagten Baukonzern Strabag erteilen. "Wir bitten um Verständnis, dass wir in der Sache derzeit keine über unsere Pressemeldung (vom 6. September, Anm.) hinausgehenden Auskünfte erteilen werden", erklärte eine Konzernsprecherin der APA am Donnerstag. Der Baukonzern selbst hat sich vor dem Handelsgericht in Kaliningrad vergleichsweise passiv verhalten: Anders als die Raiffeisenbank Russland, die zahlreiche Anträge stellte und Schriftstücke einreichte, hat die Strabag bisher laut russischem Gerichtsregister lediglich drei Anträge auf Akteneinsicht gestellt - am 10. und am 16. Oktober. (apa)