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Tiroler Fernpass - Straßenbauprojekt weiter (rechtlich) umstritten

Diskussion über Rechtmäßigkeit mit Blick auf Alpenkonvention entbrannt - Schwarz-rote Landesregierung tritt weiter vehement dafür ein - Anrainergemeinde lehnte Projekt in Volksbefragung ab
Patrick Baldia
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© AdobeStock | Das Straßenbauprojekt am Tiroler Fernpass bleiben weiter umstritten

Das 500 Mio. Euro schwere "Fernpass-Paket" der schwarz-roten Tiroler Landesregierung, das unter anderem den Bau des Fernpasstunnels sowie einer zweiten Röhre des Lermooser Tunnels samt Streckenmaut vorsieht, ist weiterhin sowohl unter der betroffenen Bevölkerung als auch rechtlich umstritten. Ein von den Grünen in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten der Alpenkonvention bezeichnet das Vorhaben nun als "unzulässig". Die Landesregierung verteidigte am Mittwoch die Pläne vehement.

Die Rechtsservicestelle der Alpenkonvention bezog sich in ihrem Gutachten auf das Verkehrsprotokoll. Dabei handelt es sich um einen für Österreich bindenden völkerrechtlichen Vertrag, der die Schaffung neuer alpenquerender Transitrouten sowie den Bau neuer hochrangiger Straßen verbietet. Die Gutachter sehen sowohl den Bau des Scheiteltunnels als auch die zweite Röhre des Lermooser Tunnels als "Kapazitätserweiterung". Dadurch werde auch die "Attraktivität der B 179 für den Transitverkehr weiter gesteigert und es ist dementsprechend stärkerer Verkehr zu erwarten". Dadurch sei die "funktionale Hochrangigkeit" der Fernpassstraße gegeben.

Die Tiroler Landesregierung reagierte am Mittwoch indes prompt auf die Aussagen der Alpenkonvention und wartete mit eigenen Gutachten auf. Landeshauptmann Anton Mattle (ÖVP) sagte auf APA-Anfrage zum Gesamtprojekt: "Es wird am Fernpass keine neue Transitroute geben und das 7,5-Tonnen-Fahrverbot für Lkw wird bestehen bleiben. Stillstand ist keine Option."

Der für Straßenbau zuständige Landeshauptmannstellvertreter Josef Geisler (ÖVP) bezeichnete die Annahmen der ehrenamtlichen Rechtsservicestelle der Alpenkonvention (CIPRA) als "praxisfern". Eine Kapazitätssteigerung werde es nicht geben, von einem "Ausbau" könne keine Rede sein. Dass sogar die zweite Röhre des Lermooser Tunnels als 'Ausbau' tituliert werde, sei ein Affront gegen die vom Ausweich- und Umleitungsverkehr geplagte Bevölkerung im Ehrwalder Becken. "Die zweite Röhre des Lermooser Tunnels ist notwendig, um die heute geltenden Sicherheitsstandards zu erreichen, die untertunnelte Verbindung aufrechtzuerhalten und einen Verkehrskollaps im Ehrwalder Becken zu verhindern", betonte Geisler in einer Reaktion.

Durch den Bau des Fernpasstunnels werde die kurvenreiche Strecke zwischen Blindsee und Haarnadelkurve entschärft, argumentierte die Landesregierung zudem mit einem nötigen Sicherheitsaspekt, der den "Verkehr flüssiger und das Stau-Risiko verringern" werde. Landesbaudirektor Christian Molzer betonte, dass die Fernpassstraße "auch nach dem Bau des Fernpasstunnels nach wie vor beinahe auf der gesamten Länge mit einem Fahrstreifen pro Richtung geführt werde."

Der von der Tiroler Landesregierung beauftragte EU-Rechtsexperte Walter Obwexer sah die Bestimmungen des Verkehrsprotokolls der Alpenkonvention jedenfalls eingehalten. Die Maßnahmen dienten "primär der Verkehrssicherheit und nicht der Kapazitätserweiterung", es handle sich auch nicht um eine "hochrangige Straße". Dem schloss sich auch Arno Kahl vom Institut für Öffentliches Recht, Staats- und Verwaltungslehre der Universität Innsbruck, an. Zudem waren sich die Rechtswissenschafter einig, dass auch das geltende 7,5 Tonnen-Limit für Lkw halten werde. Dem pflichtete auch Verkehrslandesrat René Zumtonel (SPÖ) bei, der "weiterhin sachlich informieren" wolle, und das Paket gemeinsam mit der Bevölkerung umsetzen wolle.

Die betroffene Bevölkerung hatte aber zuletzt ein ablehnendes Zeichen von sich gegeben. Bei einer Volksbefragung Ende Juli in Nassereith, bei der über den Verkauf eines gemeindeeigenen Grundstückes für den Fernpasstunnelbau abgestimmt worden war, hatten sich rund 94 Prozent (Wahlbeteiligung 49,18 Prozent) dagegen ausgesprochen. Über den Verkauf entscheidet aber letztlich im Herbst der Gemeinderat, der Bürgermeister der Anrainergemeinde ist ein Befürworter der Landes-Pläne. ÖVP-Klubobmann Jakob Wolf hatte nach der Volksabstimmung aber einen zurückhaltenderen Ton angeschlagen und gemeint, dass das Ergebnis "zum Nachdenken" führen müsse, "ob die Richtung wirklich stimmt".

Das Fernpasspaket und der damit verbundene - bereits in einer Bürgerinitiative organisierte - Protest hat auch Tirols obersten Anti-Transitkämpfer auf den Plan gerufen. Der Obmann des Transitforum Austria-Tirol, Fritz Gurgiser, machte bei einer "Bürger-Warn-Versammlung" in Reutte dagegen mobil. Er forderte ein "verbindliches Gesamtverkehrskonzept" und keinen "Fernpass-Scheitel-Beschleunigungstunnel" und "keine Enteignung". Es müsse vielmehr an Entlastung, effizienter Verkehrsdosierung, Schwerverkehrsreduktion oder an der Modernisierung der Außerfernbahn in Zusammenarbeit mit der Deutschen Bahn gearbeitet werden, hieß es vom Transitforum.

Auch die im Tiroler Landtag vertretenen Oppositionsparteien zeigten sich ablehnend. Grünen-Klubobmann Gebi Mair sah sich durch das Gutachten der Alpenkonvention bestätigt: "Die Fernpass-Tunnels sind gesetzwidrig". Er erwarte sich nun die "Notbremse für den 'Fernpass-Murks'", ansonsten handle die Landesregierung "fahrlässig". Die Alpenkonvention zeige sehr deutlich was die Bevölkerung erwarte: "Eine neue Transitroute, mehr Lkw, mehr Pkw, mehr Stau und Dreck." Die FPÖ sprach sich wiederum für einen Tunnel von Biberwier bis Mötz aus, damit die "Gesamtstrecke von Biberwier bis über Nassereith, Obsteig und Mieminger Plateau entlastet" sei. Die Liste Fritz sah insbesondere das 7,5-Tonnen-Lkw-Limit in Gefahr und nannte als Alternative "dosieren und mehr kontrollieren." Auch die NEOS fanden, dass das gesamte Projekt überdacht werden müsse und die Bevölkerung ernst genommen werden müsse.

Die Tiroler Landesregierung hatte dagegen zuletzt bereits Pflöcke zur Umsetzung des Pakets eingeschlagen. Anfang Juli wurde die Gründung einer Mautgesellschaft beschlossen. Die Mautstelle soll auf Höhe des Blindsees in Biberwier gebaut werden. Der Gemeinderat hatte dafür bereits grünes Licht gegeben. Die Landesregierung hatte Anfang des Jahres in Reutte das rund 500 Mio. Euro schwere "Fernpass-Paket" präsentiert. Die zweite Röhre für den Lermooser Tunnel soll 250 Mio. Euro kosten, der vier Jahre dauernde Bau 2026 starten. Der Spatenstich für den 160 Mio. Euro teuren Fernpasstunnel soll ebenfalls 2026 erfolgen, mit einer Inbetriebnahme wurde im Jahr 2028 gerechnet. Weitere 90 Mio. Euro werden für Maßnahmen an der Strecke aufgewendet. Der Tunnel wird 1,4 Kilometer lang sein und ersetzt 4,8 Kilometer Passstrecke. Für die Einhebung der Maut (rund 14 Euro/Pkw) wird eine Maut- und Erhaltungsgesellschaft gegründet. Zudem wird es eine "Außerfernförderung" ab 2026 geben, über ein Regionalwirtschaftsprogramm soll die Bevölkerung Gutscheine in Höhe von 150 bis 290 Euro bekommen. (apa)