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Tiroler Regierung erkennt keinen Wohnungsnotstand in Stadt Innsbruck

Antrag abgelehnt - Mit 1,74 Prozent an Einwohnern zu wenig mit konkretem Wohnbedarf - Bodenbeschaffungsgesetz soll nicht angewendet werden - Kritik aus Stadtregierung
Patrick Baldia
Innsbruck
Innsbruck
© AdobeStock | Die Tiroler Landesregierung sieht keinen "quantitativen Wohnungsfehlbestand" in Innsbruck

Die schwarz-rote Tiroler Landesregierung hat der Landeshauptstadt Innsbruck bei der beantragten Verordnung eines Wohnungsnotstandes eine Absage erteilt. Nach Prüfung eines entsprechenden Antrages der Stadt aus dem Jahr 2022 habe man den konkreten Wohnbedarf quantitativ erhoben und kein Überschreiten der erforderlichen Quote von zwei Prozent erkannt, berichtete die "Tiroler Tageszeitung" (Dienstagsausgabe). Aus der Stadtregierung kam scharfe Kritik an der Haltung des Landes.

Die Landeshauptstadt hatte sich vor zwei Jahren mit dem Antrag an das Land gewandt, einen "quantitativen Wohnungsfehlbestand" festzustellen. Nun teilte das Land der Stadt laut "TT" mit, dass diese Prüfung negativ ausgefallen sei. Demnach seien derzeit 2.232 Anträge von insgesamt 4.630 Wohnungssuchenden registriert. Ihnen stünden 2.052 bereits geplante geförderte Wohnungen bzw. Wohneinheiten gegenüber. Ziehe man diese von der Zahl der Anträge ab, benötige es weitere 180 Wohnungen. 2.315 Personen hätten somit einen konkreten Wohnungsbedarf. Im Verhältnis zu 132.594 mit Hauptwohnsitz in der Landeshauptstadt gemeldeten Personen seien das 1,74 Prozent und damit weniger als die erforderlichen zwei Prozent.

Auch verwies man auf widersprüchliche Stellungnahmen aus dem Stadtmagistrat. Das Land sah demnach ein Auslangen mit gelinderen Mitteln, etwa der Ausweisung von Vorbehaltsflächen und Vertragsraumordnung. 3,5 Hektar könnten entsprechend gewidmet werden.

Damit wird nach aktuellem Stand das seit 1974 bestehende und seitdem noch nie angewandte Bodenbeschaffungsgesetz weiter in der Schublade bleiben. Innsbruck hatte sich davon Fortschritte im Bereich leistbares Wohnen versprochen. Das Gesetz ermöglicht es Städten unter anderem, in Kaufverträge für Baugrundstücke einzutreten und in letzter Konsequenz sogar zu Enteignungen zu greifen. Dies wäre dann möglich, wenn Eigentümer Verkauf oder Einräumung eines Baurechts ablehnen oder einen nicht angemessenen Preis verlangen. Um das Gesetz anzuwenden, muss zuerst ein Notstand von der Landesregierung erkannt bzw. verordnet werden. Der Gemeinderat Innsbrucks hatte einen entsprechenden Antrag Mitte 2022 gestellt.

Die Grünen, in Innsbruck zusammen mit der Liste "JA - Jetzt Innsbruck" sowie der SPÖ Teil der Stadtregierung, übten Kritik an der Haltung des Landes. Dieses "drückt sich vor einer Verordnung und rechnet sich die Zahlen schön", wurde Vizebürgermeister Georg Willi (er war 2022 noch Bürgermeister) in einer Aussendung zitiert. Die Zahl an registrierten Wohnungssuchenden sei zuletzt stetig nach oben gegangen und die "Wohnungsnot" ende nicht bei den entsprechend Vorgemerkten. Die aktuell zur Verfügung stehenden Instrumente würden nicht ausreichen, betonte Willi.

SPÖ-Vizebürgermeisterin Elisabeth Mayr warf der Landesregierung, der auch ihre Partei angehört, Sabotage vor. "Beim Wolf ist man kreativ und scheut keine juristischen Mühen, damit die Intention erreicht werden kann, beim leistbaren Wohnen hingegen blockiert man Lösungen aus Feigheit", kritisierte Mayr. Man verwechsle Zahlen von Menschen und Wohnungen und verhalte sich so, als gäbe es kein Problem. "Es ist völlig inakzeptabel, wie das Land Tirol die tatsächliche Zahl der Wohnungssuchenden in Innsbruck verzerrt und somit verfälschend nach unten korrigiert", sagte dazu der rote Klubobmann und Stadtparteichef Benjamin Plach: "Niemand kann in einer Wohnung leben, die bisher nur am Papier existiert."

Bürgermeister Johannes Anzengruber (JA) teilte offenbar die Haltung seiner Stellvertreter. Er könne auf deren Aussendungen verweisen, hieß es aus dem Büro des Stadtchefs auf APA-Anfrage.

Die oppositionelle KPÖ ortete "Taschenspielertricks". Die Landesregierung habe mit der Verordnung einfach so lange gewartet, bis die Zahl der als Wohnungssuchenden kurz unter der für das Gesetz notwendigen zwei Prozent der Einwohner lag, mutmaßte Klubobfrau Pia Tomedi. Noch im Februar habe die Zahl der für städtische Wohnungen vorgemerkten Personen noch 5.558 betragen, somit wäre die Quote erreicht gewesen. Der kurzfristige Rückgang sei unter anderem mit der Vergabe von mehreren Wohnungen auf einen Schlag durch Fertigstellung eines Wohnprojekts begründet und ändere nichts an der langfristigen Problemlage.

Ähnlich kritisierte die Alternative Liste Innsbruck (ALi) die Rechnung: "Davon, dass die geplanten und im Bau befindlichen geförderten Wohnungen vom Wohnbedarf abzuziehen seien, steht im Bodenbeschaffungsgesetz selbst jedenfalls nichts". Gemeinderat Mesut Onay sah die von der Koalition angekündigten Maßnahmen auch ohne Notstandsverordnung möglich. Im Gemeinderat hätten sich durch die Wahl im Frühjahr neue Mehrheiten ergeben, erinnerte Onay.

Ganz im Gegensatz dazu zeigte sich "das Neue Innsbruck" von der Entscheidung nicht überrascht. "Den meisten Mandatarinnen und Mandataren war bereits bei der Beschlussfassung klar, dass dieser gesetzlich definierte 'Wohnungsnotstand' nie kommen wird", ortete Gemeinderätin und Ex-Bürgermeisterin Christine Oppitz-Plörer einen "rot-grünen Bauchfleck der Sonderklasse". Gleichwohl brauche es "lenkende Maßnahmen" aufgrund der hohen Wohnungspreise, meinte Oppitz-Plörer und nannte etwa Mobilisierung des Leerstandes durch Projekte wie "Sicheres Vermieten".

Für Andrea Haselwanter-Schneider, Parteiobfrau der Liste Fritz auf Landesebene und Gemeinderätin, sind die Probleme rund um Wohnen in Innsbruck auch "hausgemacht". "Die Stadt hat selbst zur Verknappung und Verteuerung beigetragen. Die Gründe dafür sind einfach wie vielfältig. Jedes Investorenprojekt wurde zugelassen, indem man widerspruchslos Spekulanten und Investoren den roten Teppich ausgerollt hat. Jetzt bekommen wir die Rechnung präsentiert", nahm Haselwanter-Schneider vor allem die Stadtverantwortlichen ins Visier. Gleichzeitig ließ sich auch die "schwarzdominierte" Landesregierung nicht aus der Ziehung: "Dass die schwarz-rote Landesregierung die mitverschuldete Fehlentwicklung nun übersehen will und dies mit Fantasiezahlen vertuscht, ist der Gipfel der Ignoranz", kritisierte die Liste Fritz-Frontfrau.

Die Tiroler Landeshauptstadt Innsbruck ist, wie erst am Montag bekannt geworden ist, das teuerste Pflaster für Eigentumswohnungen unter den Landeshauptstädten Österreichs. Derzeit zahle man hier für eine neue Eigentumswohnung durchschnittlich 9.700 Euro pro Quadratmeter (m2), für eine gebrauchte sind es 5.600 Euro pro m2, wie Raiffeisen Immobilien erhoben hatte. Auch Salzburg und Bregenz sind hochpreisige Städte, am günstigsten sind Wohnungen in St. Pölten und Eisenstadt. Damit gebe es ein klares West-Ost-Preisgefälle, hieß es. (apa)