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Top oder Flop?

Qualität. Aufsichtsratsmitglieder von Immobilienunternehmen haben vor allem rechtliche und betriebswirtschaftliche Ausbildungen und Berufserfahrungen, aber oft nur wenig immobilienwirtschaftliche Kenntnisse. Im Zuge einer wissenschaftlichen Arbeit an der Donau-Universität Krems wurde unter anderem diesen Fragen nachgegangen und versucht, die Qualität der Aufsichtsräte sowie die Risiken der Geschäftsmodelle zu messen.
Rainer Altmann

Qualität. Aufsichtsratsmitglieder von Immobilienunternehmen haben vor allem rechtliche und betriebswirtschaftliche Ausbildungen und Berufserfahrungen, aber oft nur wenig immobilienwirtschaftliche Kenntnisse. Im Zuge einer wissenschaftlichen Arbeit an der Donau-Universität Krems wurde unter anderem diesen Fragen nachgegangen und versucht, die Qualität der Aufsichtsräte sowie die Risiken der Geschäftsmodelle zu messen.

Immobilien und deren Wert stellen das zentrale Vermögen von Immobilienunternehmen dar. Corporate Governance Kodex, Aktiengesetz, ethische Standards etc. zwingen verantwortungsvolle Unternehmen, die Unternehmensführung und -überwachung transparent und nachvollziehbar zu gestalten. Bei Eigentümerwechsel wird immer wieder mit der Inkompetenz der Aufsichtsräte argumentiert und versucht, nicht qualifizierte Mitglieder dieser Gremien auszuwechseln.

Aufsichtsratsmitglieder von Immobilienunternehmen haben vor allem rechtliche und betriebswirtschaftliche Ausbildungen und Berufserfahrungen, aber oft nur wenig immobilienwirtschaftliche Kenntnisse. Die Informationen, die sie beispielsweise aus Liegenschaftsbewertungen erhalten, sind nur bedingt geeignet, um beispielsweise Entscheidungen betreffend Immobilientransaktionen fundiert treffen zu können.

Fühlen sich Aufsichtsräte daher gut genug gewappnet, um die entsprechenden Entscheidungen in der von ihnen geforderten Qualität treffen zu können?

Denkt der Vorstand, dass genügend Immobilien-Knowhow und insbesondere Liegenschaftsbewertungs-Knowhow im Aufsichtsrat vertreten ist?

Im Zuge einer wissenschaftlichen Arbeit an der Donau-Universität Krems wurde unter anderem diesen Fragen nachgegangen und versucht, die Qualität der Aufsichtsräte sowie die Risiken der Geschäftsmodelle zu messen. Neben 21 persönlichen, strukturierten Expertengesprächen, darunter mit 18 ehemaligen und aktuell bestellten Aufsichtsratsmitgliedern und Vorständen der acht österreichischen börsennotierten Immobiliengesellschaften, wurden zusätzlich vor und bei den Hauptversammlungen ausgewählte Fragen an den Vorstand und die Aufsichtsratskandidaten gestellt. Darunter Fragen zur Einschätzung der Immobilienbewertungs-Kompetenz des eigenen Aufsichtsrats und analoge Fragen an die Aufsichtsratskandidaten sowie zu ihrem persönlichen Nutzen, den sie sich aus der Mitgliedschaft im Aufsichtsrat erhoffen.

Wenig überraschend fühlen sich die Mitglieder der Aufsichtsräte – egal wie fundiert ihre Kenntnisse der Liegenschaftsbewertung sind – subjektiv gut gewappnet, Transaktions- bzw. Projektenscheidungen zu treffen. Anders als vom ICG (Initiative Corporate Governance der deutschen Immobilienwirtschaft e. V.) empfohlen, sehen sie keinen Bedarf, in die Bestellung von Sachverständigen formal eingebunden zu werden oder den Liegenschaftsbewertungen größere Aufmerksamkeit zu widmen. So orientieren sich Aktiengesellschaften mehr an der Peergroup und daran, welches Bewertungsunternehmen vom Mitbewerber ausgewählt wird, als sich selbst zu überlegen und zu beurteilen, ob das Bewertungsunternehmen geeignet ist, die eigenen Bedürfnisse abzudecken. Konkret empfiehlt der ICG unter anderem: „Bei Immobilienunternehmen soll der Aufsichtsrat bzw. das Audit Committee mit der Bewertung des Immobilienbestandes unter Einschluss der Auswahl der Bewerter befasst werden. Diese Aufgabe kann auch einem gesonderten Bewertungsausschuss übertragen werden.“ Heute werden diese und andere Empfehlungen des Initiative Corporate Governance der deutschen Immobilienwirtschaft noch ignoriert, obwohl sechs der acht untersuchten Immo-AGs einen großen Teil ihres Geschäfts in Deutschland betreiben bzw. Aktionäre von dort kommen oder sie sich um Investoren aus Deutschland bemühen.

Soll-Profil des professionellen Immobilien-Aufsichtsrats

Aus der Analyse internationaler Zertifizierungsprogramme, den Expertengesprächen und umfassender Recherche empfiehlt der Autor, dass die Aufsichtsratsmitglieder bzw. das Aufsichtsgremium über folgendes Profil verfügen sollten:

Eigenschaften (Mindestanforderung):

  • Persönlichkeit (Zuverlässigkeit, Aufrichtigkeit, Unvoreingenommenheit)
  • (finanzielle) Unabhängigkeit
  • Fähigkeit, schwierige rechtliche und wirtschaftliche Zusammenhänge erfassen zu können
  • „Financial Literacy“
  • Kommunikation
  • Menschenkenntnis
  • Loyalität gegenüber dem Unternehmen und allen Aktionären

Qualifikationen (Kenntnisse) / Common Body of Knowledge für Aufsichtsräte

  • Rechtliche Rahmenbedingungen (Aktienrecht, Insolvenzrecht, Haftung/Absicherung, Börsenrecht)
  • Kapitalmarkt
  • Corporate Governance Grundkenntnisse (Grundlagen und Grundsätze einer wirksa- men Unternehmensaufsicht)
  • Grundlagen und Organisation der,,,,,,,,,,,, Aufsichtsratsarbeit
  • Struktur / Organisation des Aufsichtsrats / Selbstevaluierung
  • Hauptversammlung
  • Vorstandsbestellung und Vergütung

Erfahrungen

  • Unternehmerische Erfahrung
  • Netzwerk

Fachkompetenz (Können)

  • Kontrollkompetenz (Strategie, Unter- nehmensfinanzierung, Rechnungswesen, Rechnungslegung, Risikomanagement, Compliance, Unternehmenssteuern, Cont- rolling, Human Ressource Management)
  • Finanzmarkt
  • Bilanzierungsfragen / Abschlussprüfung

Spezialkompetenz (Immobilienkompetenz)

  • Assetklassen (Wohnen, Büro, Hotel, Einzel- handel, Gewerbeimmobilien)
  • Märkte (Deutschland, Österreich, CEE, SEE, Russland)
  • Geschäftsmodelle (Projektentwicklung, Real Estate Investment Management, Portfolio Management, Asset Management, Property Management)
  • Liegenschaftsbewertung (Sachwert, Ver- gleichswert, Ertragswert, DCF, Residualwert verfahren)

Gewerbeordnung (Immobilientreuhänder)

  • BTVG etc.

Kompetenz im Gremium

  • Teamkompetenz
  • Spezialkenntnisse
  • Branchenerfahrung
  • Diversität (Alter, Erfahrung, Gender, In- ternationalität, Kenntnisse)
  • Beratungsreife

Qualität der Aufsichtsräte

Die Bewertung der Aufsichtsräte (als Gremium) erfolgte nach den Kriterien:

  • Diversität (unterteilt nach Erfahrung, Kom- petenz, Gender und Alter)
  • Aktionäre (Berücksichtigt wird die Präsenz der Aktionäre bei Hauptversamm- lungen, Rückhalt beim Hauptaktionär, Langfristinteresse der Hauptaktionäre in die Gesellschaft – und damit die Wahr- scheinlichkeit, inwieweit Aufsichtsräte langfristig agieren können.)
  • Qualität (Netzwerk, Liegenschaftsbewertungskompetenz, Zertifizierung der Aufsichtsräte)

Dabei wurde berücksichtigt, inwieweit einzelne Faktoren im Zuge der Experteninterviews als wichtig angesehen wurden. Entsprechende Wichtungen tragen dem Rechnung: Erfahrung wurde mit der höchsten Wichtung bedacht, Kompetenz, Rückhalt bei den Aktionären und Einigkeit der Aktionäre bzw. stabile Hauptaktionäre wurden mittel gewichtet. Diversität im Bereich Gender und Alter sowie die Einzelqualitäten: Netzwerk, Liegenschaftsbewertungskompetenz und Zertifizierungen wurden nieder gewichtet.

Risiko der Geschäftsmodelle

Die Bewertung des Risikos der Geschäftsmodelle differenziert nach den Bereichen:

  • Märkte: (unterteilt in Westeuropa (Deutsch- land, Österreich etc.), CEE / SEE (Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn, Rumänien, Bulgarien / Slowenien, Kroatien etc.) und Russland)
  • Assetklassen: (unterteilt in Residential, Commercial, Retail und Hotel)
  • Geschäftsmodelle im engeren Sinn / Wert schöpfungsbereiche und Unternehmenskompetenzen (Projektentwicklung, Auftei- lung / Verkauf, Asset-Management, Dienst- leistungen, Hotelbetrieb)

Hier wurde durch eine Wichtung die Risiko- inhärenz berücksichtigt und, dass die Unternehmen einzelne Bereiche unterschiedlich gut beherrschen.

Aufsichtsrat-Geschäftsrisiko-Matrix 

Berücksichtigt man die Größe der Unternehmen, so lässt sich das Ergebnis der beiden Bewertungen in der folgenden Abbildung darstellen:

Die BUWOG fällt in der Grafik vor allem durch ihr stabiles Geschäftsmodell auf. Die vergleichsweise schlechte Position von IMMOFINANZ, die geringe „Qualität“ des Aufsichtsratsgremiums bei gleichzeitig hohem Risiko des Geschäftsmodells ergibt sich u.a. aus dem stark national ausgerichteten Aufsichtsrat verbunden mit dem Russlandengagement sowie einer eher heterogenen Projektentwicklungskompetenz. Wenig überraschend ist WARIMPEX, vor allem durch das starke Engagement in Russland. ATHOS zeichnet sich durch ein Geschäftsmodell mit vergleichbar geringem Risiko verbunden mit einem Aufsichtsrat aus, der aufgrund seiner Kompetenz und der Größe des Unternehmens und Marktes nahe am Tagesgeschäft dran ist. Bei S IMMO ist der bestehende Aufsichtsrat Ausdruck der starken und stabilen institutionellen Eigentümerstruktur. UBM profitiert vom starken Eigentümersyndikat, was aber auch potentielle Investoren abschrecken kann, und muss sich nach der Neubestellung des Vorstands noch am Kapitalmarkt hinsichtlich Kursentwicklung und Streubesitz beweisen. Da die Bewertung vor der Übernahme der CONWERT durch VONOVIA erfolgte, spiegeln sich noch die Konflikte im Aufsichtsrat wider und auch CA-IMMO leidet noch unter den Turbulenzen des O1-Engagements.


Über den Autor

DI Rainer Altmann MSc MRICS CSE Immobilienökonom (ebs) und SV für Projektentwicklung ist seit 1989 in der Immobilienwirschaft tätig. Als Projektentwickler, Asset-, Property- und Facility Manager hat er Erfahrung mit den Assetklassen Wohnen, Gewerbe, Industrie, Einzelhandel und Hotel. Er war in Ungarn, Österreich, Deutschland, Tschechien, Rumänien, Estland und Italien tätig. Der studierte Bauingenieur und Immobilienökonom engagiert sich seit 1991 stark in der Lehre und schrieb die Masterthese im Rahmen des Studiums „International Real Estate Valuation“ an der Donau-Universität Krems. Parallel dazu absolvierte er eine Aufsichtsratsausbildung und ließ sich zum „Certified Supervisory Expert“ zertifizieren.