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Umweltverträglich, zukunftsfähig, ganzheitlich

Die Vision der Weltklimakonferenz 2015 in Paris: Das Ende des fossilen Zeitalters durch den Ausstieg aus der Nutzung nicht erneuerbarer Brennstoffe. Die Halbierung des globalen Ausstoßes klimaschädlicher Gase bis zur Hälfte des Jahrhunderts als ambitionierter Ansatz zur Kehrtwende in Richtung einer nachhaltigen Entwicklung.
Philipp Kaufmann

Environmental Product Declarations & Co. als Wegweiser nachhaltigen Wirtschaftens?

Die Vision der Weltklimakonferenz 2015 in Paris: Das Ende des fossilen Zeitalters durch den Ausstieg aus der Nutzung nicht erneuerbarer Brennstoffe. Die Halbierung des globalen Ausstoßes klimaschädlicher Gase bis zur Hälfte des Jahrhunderts als ambitionierter Ansatz zur Kehrtwende in Richtung einer nachhaltigen Entwicklung.

Nun ist aktives Handeln gefragt. Die konkrete Umsetzung einer nachhaltigen, ökologischen Entwicklung bleibt in der Verantwortung eines jeden von uns, sowohl Unternehmer als auch Konsument. Insbesondere der Bausektor, verantwortlich für mehr als ein Drittel der anthropogen ausgestoßenen Treibgase, nimmt eine Schlüsselrolle in Bezug auf Ressourcenverbrauch und die Minderung der Folgen der globalen Erwärmung ein.

Ökologische Umweltwirkungen zu erfassen und zu managen, gewinnt zunehmend an Bedeutung und ist in vielen Vorreiterunternehmen bereits Alltag. Etablierte Tools wie Ökobilanzen helfen Entscheidungsträgern dabei, ihre unternehmens-, produkt- und gebäudebezogenen Umweltwirkungen zu quantifizieren und die gesamte Wertschöpfungskette im Sinne einer ganzheitlichen Lebenszyklusbetrachtung zu optimieren. Die Ökobilanz betrachtet die Folgen für die Umwelt, die über den Lebenszyklus eines Produktes, Systems oder einer Aktivität entstehen. Dabei werden alle Tätigkeiten von der „Wiege bis zur Bahre“, der Herstellung der Rohstoffe, der Weiterverarbeitung, der Nutzung und dem Lebensende (Recycling, thermische Verwertung, etc.) berücksichtigt.

Resultat daraus sind unter anderem Umweltproduktdeklarationen (EPDs; engl. Environmental Product Declarations). Diese standardisierten Dokumente basieren auf Ökobilanzen und stehen für die verlässliche Berechnung und transparente Kommunikation der lebenszyklusbezogenen Umweltleistung eines Produktes. Vergleichbar mit einem umweltbezogenen Handout, präsentiert eine EPD die Umweltwirkung des Produktes sowie zugrunde gelegte Annahmen und Methoden. Die Qualität der veröffentlichten Umweltinformationen wird durch einen strikten Prüfprozess, in dem unabhängige Dritte die durch Spezialisten wie Daxner & Merl, thinkstep  und anderen erstellten Ökobilanzen genau durchleuchten, gewährleistet.

EPDs zu erstellen wird zunehmend leichter. Innovative Ansätze in der Berechnung der Ökobilanz führen zu erheblicher Effizienzsteigerung. Die Zukunft liegt in der Weiterentwicklung der Systeme hin zu einer zunehmenden (Semi-)Automatisierbarkeit der Ökobilanzierung durch durchdachte Modelle und die Optimierung der Schnittstellen zwischen den Datenbanksystemen und verfügbaren Softwaretools.

Klimawandel und Co. – ein Set an Umwelt­indikatoren 

Ökobilanzen stellen ökologische Indikatoren als Entscheidungsgrundlage zur Verfügung. Dabei werden der Beitrag zur globalen Erwärmung, Versauerung von Böden und Gewässern, übermäßiger Nährstoffeintrag (Überdüngung) und Sommersmog sowie der gesamte lebenszyklusbezogene Wasserbedarf und Energieeinsatz bewertet. Neben diesen international anerkannten Kriterien sind Indikatoren für weitere zentrale Themen wie Biodiversität und Landnutzung in Entwicklung. Die Fülle an Indikatoren zur Betrachtung der Spuren der heutigen Gesellschaft im Ökosystem Erde spiegelt dessen Komplexität direkt wieder. Eine nachhaltige Entwicklung im ökologischen Sinne ist somit nur unter der Voraussetzung einer möglichst umfassenden Betrachtung verschiedener potentieller Umweltwirkungen möglich. Durch die differenzierte Analyse verschiedener Faktoren lässt sich die Verschiebung der Umweltlast im System Erde von einer bekannten Umweltbelastung zu Ungunsten anderer, nicht erfasster Umweltmedien vermeiden. Damit können natürliche Grenzen in der Verfügbarkeit von Ressourcen und Landfläche erkannt und Strategien für unternehmerisches Risikomanagement, die Nutzung branchenübergreifender Synergien und politische Entscheidungen entwickelt werden.

Der Durchbruch der EPDs im Bausektor

Insbesondere im Bausektor ist der Durchbruch geschafft: in der öffentlichen Beschaffung stellen Umweltproduktdeklarationen bereits einen unverzichtbaren Faktor bei der Auftragsvergabe dar. Um ein möglichst gutes Nachhaltigkeitszertifikat – Platin, Gold oder Silber - für das eigene Gebäude zu erreichen, stellen EPDs für immer mehr Bauherren, Projektentwickler und Planer die Entscheidungsgrundlage im Vergabeprozess dar.

Gebäudezertifikate, wie das der Österreichischen Gesellschaft für Nachhaltige Immobilienwirtschaft (ÖGNI), der Partnerorgnisation der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB), bewerten unter anderem die ökologische Gebäudequalität über die Umweltleistung des Gebäudes unter Betrachtung aller verbauten Baumaterialien, der Instandhaltung, der Nutzungsphase und des Rückbaus. Die produktbezogene Umweltwirkung der verbauten Produkte findet in Form von EPDs direkt Eingang in die Nachhaltigkeitsbewertung des gesamten Gebäudes. Somit kann die in den Umweltproduktdeklarationen enthaltene Information erst im Gebäudekontext unter Zusammenwirken der einzelnen Komponenten wirklich beurteilt werden.

Produkt-Gebäude-Stadt-Region: Regionalplanung der Zukunft

Über den Gebäudekontext hinaus bieten Umweltproduktdeklarationen bzw. die Nutzung lebenszyklusbezogener Umweltinformation die Grundbausteine für das Material- und Ressourcenmanagement der Zukunft. Umfassende Materialdatenbanken, die basierend auf den Informationen aus der Gebäudezertifizierung die Umsetzung einer Kreislaufwirtschaft ökologisch und ökonomisch verträglich unterstützen, sind die Zukunftsvision einer effizienten (raumplanerischen) Ressourcenwirtschaft.

In Zeiten der raschen Zuwachsraten gigantischer Großstädte und damit einhergehender Umweltprobleme ist es eine optimierte Stadtentwicklung, die die Lebensqualität der Menschen erhalten muss. Ökobilanzen als Instrument zur Abbildung der ökologischen Folgen regionaler Entwicklungen und Quantifizierung raumplanerischer Erfolge können dabei in Zukunft einen essentiellen Beitrag zu einer nachhaltigen Stadtentwicklung leisten.

Umweltproduktdeklarationen sind jedoch nicht ausschließlich auf Materialströme zu beziehen: Auch Deklarationen der ökologischen Auswirkung der Energieversorgung sind bereits veröffentlicht. Die somit zugängliche Umweltinformation kann zukünftig einen wesentlichen Treiber einer postfossilen Energiewende darstellen.

Wertschöpfung, Innovation und Eco-Design durch Ökobilanzen

Das Potential der in der Ökobilanz enthaltenen Informationen ist damit bei Weitem nicht ausgeschöpft. So sind es genau jene Daten, die für EPDs gesammelt werden, die auch die Basis für den Umweltfußabdruck von Unternehmen bieten. Der unternehmensbezogene Fußabdruck als die Summe der erzeugten Produkte bezieht die Umweltwirkungen der gesamten Wertschöpfungskette, der Transporte und des Gebäudebestandes ein. Die Lebenszyklusbetrachtung als neuer Blickwinkel eröffnet eine völlig neuartige Herangehensweise an das operative Unternehmensmanagement, moderne Innovationsprozesse und die Abläufe im eigenen Unternehmen.

Ökobilanzen unterstützen darüber hinaus in der Bewertung von Innovationen, die sich mit dem Schließen der Materialkreisläufe beschäftigen. Die Kreislaufwirtschaft, wie sie in verschiedenen modernen Konzepten wie der circular economy oder cradle2cradle aufgegriffen wird, ist ein wichtiger Baustein einer nachhaltigen Entwicklung. Das Wirtschaften im Kreislauf wird durch das Schaffen möglichst effizienter Synergien zwischen Materialproduzenten in Form einer kaskadischen Nutzung der Materialien möglich. Dabei ist die Lebenszyklusbetrachtung unverzichtbar. Sie hilft dabei, Systeme zu bewerten, indem sie Umweltlasten, die zum Erreichen der Kreislaufführung nötig sind, dem eingesparten Material und der vermiedenen Umweltbelastung gegenüber stellt.

In einer globalisierten Welt fließen Material- und Stoffflüsse auf übergeordneter Ebene. So ist die Ergänzung der ökobilanziellen Betrachtung durch die globale Analyse der Stoff- bzw. Materialflüsse eine Notwendigkeit, um die Potentiale und Grenzen der Kreislaufwirtschaft in Zukunft zu beurteilen.

Auch aktuelle Normensysteme wie die ISO 14001:2015 setzen in ihrer überarbeiteten Version vermehrt auf die Lebenszyklusbetrachtung. Indirekte Emissionen in der Lieferkette gewinnen zunehmend an Wichtigkeit für das betriebliche Umweltmanagement. Es sind transparent berechnete Umweltkennzahlen, die Möglichkeiten für Optimierungsprozesse, in der Nachhaltigkeitsberichterstattung und die Positionierung als nachhaltige Marke bieten und in Zukunft wahre Wettbewerbsvorteile schaffen. Durch den Fokus auf die gesamte Wertschöpfungskette ergeben sich zukunftsweisende Möglichkeiten in der Bildung von Kunden-Lieferanten-Beziehungen und der Intensivierung der Kundenbindung durch den Austausch produktbezogener Umweltkennzahlen, wie sie in EPDs enthalten sind.

Umweltinformation für alle

Dabei ist es nicht nur der Markt, der lebenszyklusbezogene Umweltinformation fordert. Im Rahmen der Environmental Footprint Initiative der europäischen Kommission wird auf Ökobilanzen (engl. life cycle assessment) gesetzt. Ziel der Initiative ist es, bis 2020 einen harmonisierten Rahmen für die Kommunikation der umweltbezogenen Produkt- und Unternehmensleistung an KonsumentInnen zu schaffen. Dabei gilt es, in Zukunft große methodische und politische Hürden zu bewältigen. Betrachtet man den Bausektor, so ist es insbesondere die Harmonisierung der erarbeiteten Resultate mit den bestehenden EPD-Programmen, die eine Herausforderung der nächsten Zeit darstellt. Die Ökobilanz liegt als gemeinsamer Nenner und zentrales Instrument der Zukunft allen Systemen zugrunde.

Es ist die ganzheitliche Betrachtung über die gesamte Wertschöpfungskette, die grundlegendes Erfordernis und durch die transparente Kommunikation fundierter Umweltinformation wettbewerbsentscheidend sein wird. So wie die Übersicht und Kontrolle über die Finanzbuchhaltung für Unternehmen, Regionen und Staaten selbstverständlich sind, wird es in Zukunft unumgänglich, Stoff- und Materialströme zu erfassen und zu managen.

Die Ökobilanz als innovatives Instrument zur Quantifizierung ökologischer Kennzahlen liefert quantitative, lebenszyklusbezogene Umweltinformation auf allen Ebenen und kombiniert diese miteinander: Material – Produkt – Unternehmen – Gebäude – Stadt – Region.


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Die Lebenszyklusbetrachtung als neuer Blickwinkel eröffnet eine völlig neuartige Herangehensweise an das operative Unternehmensmanagement, moderne Innovationsprozesse und die Abläufe im eigenen Unternehmen.

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Adolf Merl

EPDs stehen für die verlässliche Berechnung und transparente Kommunikation der lebenszyklusbezogenen Umweltleistung eines Produktes.

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Factsheet EPD

EPD = Umweltproduktdeklaration (engl. Environmental Product Declaration) = informiert über die Umweltwirkungen, die ein Produkt über seinen     gesamten Lebenszyklus hinterlässt. = basiert auf einer Ökobilanz (Lebenszyklusanalyse; engl. Life Cycle Assessment = LCA) = ISO 14040, 14044 & EN 15804 konform = Typ III Verifizierte EPD gemäß ISO 14025

Prominente Programmhalter (exemplarischer Auszug) AT |       BauEPD GmbH |       http://www.bau-epd.at DE |       Institut Bauen und Umwelt e.V. |       http://bau-umwelt.de SWE |       The International EPD System |       http://environdec.com


Factsheet Daxner & Merl

Mit Sitz in Wien, bietet Daxner & Merl strategische Beratungsleistungen im Bereich Unternehmens- und Produktnachhaltigkeit, Nachhaltigkeitsberichterstattung, im nachhaltigen Lieferantenmanagement sowie im nachhaltigen Bauen. Zentrales Instrument zur Berechnung der Umweltwirkungen von verschiedenen Systemen stellen dabei Ökobilanzen dar.

Kernkompetenzen:

  • Nachhaltiges Bauen – Gebäudezertifizierung (ÖGNI: DGNB und BlueCard)
  • Umweltproduktdeklarationen (EPDs)
  • Ökobilanz-Studien (LCA)
  • Semi-automatisierte Ökobilanz-Modellierung (GaBi Software)
  • Externe Prüfung