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Und führe uns nicht in Versuchung …

Ist die Immobilienbranche so besonders korrupt? Ist der Anteil der Schlitzohren dort ganz besonders hoch? Ohne detailliertere Analysen lassen sich diese Fragen nicht klar beantworten.
Gunther Maier
Und führe uns nicht in Versuchung …
© ImmoFokus

Seit ihrer Gründung am 1. September 2011 hat die „Zentrale Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption“, besser bekannt als „Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft“ oder WKStA, genug zu tun. Dabei sind es nicht nur die durch die Medien geisternden Ermittlungen gegen aktive und ehemalige Politiker und die damit einhergehenden Berichtspflichten, die die Ermittler an die Belastungsgrenze bringen. Viele Verfahren sind ausschließlich oder zumindest größtenteils im Bereich der Wirtschaft angesiedelt. Und in vielen davon spielen Immobilien eine tragende Rolle.

Lang lebe die Korruption

Ist die Immobilienbranche so besonders korrupt? Ist der Anteil der Schlitzohren dort ganz besonders hoch? Ohne detailliertere Analysen lassen sich diese Fragen nicht klar beantworten. Es gilt daher auch hier zuerst einmal die Unschuldsvermutung: „Wahrscheinlich nicht“. Was sich aber schon sagen lässt, ist, dass die Rahmenbedingungen der Branche viele Möglichkeiten eröffnen. Da sind zuerst einmal die hohen Werte. Wenn einzelne Entscheidungen den Ausschlag dafür geben, ob wer zig Millionen besitzt oder nicht, dann liegt die Idee der Hilfe bei der Entscheidungsfindung wohl nahe. Zwar macht auch das sprichwörtliche Kleinvieh Mist, aber bei wirklich großen Brocken zahlt sich das Risiko vielleicht eher aus. Dazu kommt noch, dass viele Entscheidungen eher komplex sind, sodass sich leichter etwas verstecken und eine Spur verwischen lässt. 

Zweitens sind die hohen Werte ziemlich unsicher. Der „wahre“ Wert eines Gebäudes oder eines Grundstücks lässt sich nur eingrenzen, aber nicht zweifelsfrei festlegen. Wenn jemand eine Immobilie billig kauft und nach einigen Wochen oder Monaten teuer wiederverkauft, hatte der dann Glück mit den Gutachtern? War er besonders geschäftstüchtig? Oder hatte doch jemand die Finger im Spiel, der sich gar nicht mehr erinnern kann, was „meine Leistung eigentlich war“? 

Komplexität verlangt nach Spezialisten

Die Komplexität der wichtigsten Prozesse der Immobilienbranche erfordert die Unterstützung von vielen Spezialisten. Jeder größere Developer oder Investor braucht den Input von vielen Spezialisten: Juristen, Bewerter, Professionisten, Berater usw. Das wirft Abstimmungsprobleme auf, die in der Ökonomie als „Agentenproblem“ oder als „Principal-Agent-Problem“ bekannt sind. Der „Principal“ beauftragt den „Agent“ (den Spezialisten), ein bestimmtes Problem für ihn zu lösen, und erwartet, dass der „Agent“ in seinem Sinne handelt. Allerdings hat der „Agent“ auch eigene Interessen. Laufen diese denen des „Principal“ zuwider, so kommt es leicht zum Konflikt, zu Verdächtigungen und Anschuldigungen. 

Diese Probleme sind nur schwer zu lösen, denn sie stecken quasi „in der Natur der Sache“. Notwendig sind wahrscheinlich mehr Augenmerk in der Ausbildung auf derartige Problemzonen, mehr Sensibilität der Akteure, klarere Richtlinien und auch das Aufdecken von Missständen durch die WKStA.

Univ. Prof. Dr. Gunther Maier: Modul Universität Wien (MU). Gründer des Forschungsinstituts für Raum- und Immobilienwirtschaft an der WU Wien und Vizepräsident der European Real Estate Society.