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Unter Strom

„Der aktuelle Hype um Elektro­autos bietet nun die Chance, Mobilität völlig neu weiter zu denken“, sagt BEÖ-Vorstand Jürgen Halasz im Interview mit dem ImmoFokus.
Michael Neubauer

„Der aktuelle Hype um Elektro­autos bietet nun die Chance, Mobilität völlig neu weiter zu denken“, sagt BEÖ-Vorstand Jürgen Halasz im Interview mit dem ImmoFokus.

Experten des Umweltbundesamtes gehen in optimistischen Szenarien davon aus, dass bis 2020 der Bestand an E-Autos auf 175.000 Fahrzeuge ansteigen wird. Ein realistisches Ziel?

Jürgen Halasz: Dieses Ziel ist sehr ambitioniert, kann aber zumindest bis 2025 mit entsprechenden finanziellen und steuerlichen Anreizen erreicht werden.

Ohne Förderung geht’s nicht?

Man muss Anreize schaffen. Damit sich der Umstieg auf elektrisch betriebene Fahrzeuge auch langfristig durchsetzt, muss es neben neuen Technologien auch finanzielle und steuerliche Anreize geben.

… und die wären?

Seit Jahresbeginn 2016 können sämtliche E-Autos, die als Firmenfahrzeuge angemeldet werden, voll von der Vorsteuer abgesetzt werden. Zudem erhalten elektrifizierte Firmen­fahrzeuge eine 100-prozentige Befreiung von der geltenden Sachbezugsregelung. Diese steuerlichen Vorteile gehen in die richtige Richtung. Immerhin sind zwei Drittel aller neuzugelassenen PKW Firmenfahrzeuge - bei Elektroautos ist dieser Anteil sogar 77 Prozent.

Aus meiner Sicht führt an einer Kaufprämie, wie sie kürzlich in Deutschland beschlossen wurde, kein Weg vorbei. Diese sollte für Privatpersonen, aber ausschließlich für reine Elektroautos gelten und in Folge schrittweise reduziert werden. Vorreiter für Kaufprämien gibt es in Österreich übrigens bereits heute schon: Etwa die Förderungen in Vorarlberg, Salzburg oder Niederösterreich.

Aber:Wirken diese Maßnahmen?

Dass eine Kaufprämie die Nachfrage ankurbelt, hat die Förderungsoffensive klima aktiv mobil bewiesen. Die Aktion war auf 1.000 Fahrzeuge limitiert und musste Ende März bereits eingestellt werden. Es geht auch um den Wirtschaftsstandort. Nicht alle Elektrofahrzeuge kommen aus Fernost, viele Fahrzeuge haben Teile drinnen, die aus der österreichischen Wirtschaft kommen. Das bedeutet auch Impulse für die Forschung & Entwicklung.

Im ersten Quartal 2016 gab es 992 neu zugelassene Elektroautos. Prämie gab’s für 1000 Fahrzeuge. War’s das dann für heuer? Strohfeuer oder doch Boom?

2009/2010 gab es einen ersten Hype. Dieser war in erster Linie ein von den Medien getragener Hype. Das hat man ganz deutlich an den Zulassungszahlen gesehen. Da war nicht wirklich viel los. Das ist jetzt anders. Es gibt, wenn auch von einem niedrigen Niveau aus, eine Verdopplung der Zulassungen. Wenn das so weitergeht – und heuer sind wir schon wieder auf der Verdopplungskurve ganz genau drauf – dann kann sich das Ziel - 175.000 Fahrzeuge zumindest bis 2025 - ausgehen.

Wo sehen Sie aktuell die größten Probleme?

In der Ladeinfrastruktur und in der noch zu komplizierten Abrechnung. Anfang des Jahres haben wir gemeinsam mit Hubject das Projekt ÖHUB gestartet, das ein einfaches Laden und Bezahlen von E-Fahrzeugen an öffentlichen Ladestationen in ganz Österreich gewährleisten soll. Unsere Mitglieder betreiben bereits heute 80 Prozent der Ladeinfrastruktur in Österreich und werden ihre derzeit rund 1.800 E-Tankstellen in dieses Netz einbringen. Damit entsteht das größte Stromladenetz Österreichs. Je einfacher das Laden und die Abrechnung wird, desto schneller wird sich die E-Mobilität in Österreich durchsetzen.

Die größte Hürde befindet sich im Kopf – wie es häufig bei Innovationen der Fall ist. Elektroautos sind teurer als Benzin- oder Dieselfahrzeuge. Aber jeder schaut auf die Anschaffungskosten und nicht die Gesamtkosten über die Lebenszeit des angeschafften Gutes. Eine Total-Cost-of-Ownership-Betrachtung findet im privaten Bereich nicht statt. Für Ausstattung und Image wird gerne in die Tasche gegriffen. Aber dass ein mit allen Schnick-Schnack ausgestatteter Mittelklassewagen mehr kostet als ein Stromer, das wird gerne übersehen. Unter Betrachtung der Gesamtkosten auf die gesamte Nutzungsdauer der Autos sind die rein elektrisch betriebenen durchaus schon jetzt ebenbürtig.

Halasz, DI Jürgen @ Bundesverband Elektromobilität _ 009 © cityfoto

Aber gibt es genug E-Tankstellen?

Ja, sie sind aber speziell in Wien zu wenig sichtbar, da sie fast durchwegs in Garagen versteckt angebracht sind. Aber auch daran wird intensiv gearbeitet. Durch für die Öffentlichkeit gut sichtbare Tankstellen würden die Elektroautos wahrnehmbarer. Ich bin überzeugt, dass es wie beim Carsharing erst mit dem Herausrücken aus den Garagen auf die öffentlichen Parkplätze zu boomen beginnt.

Also raus aus den Garagen – raus an die Oberfläche?

Definitiv. E-Tankstellen müssen sichtbarer werden. Das ist auch Signal an die potenziellen Nutzer. Keine Angst – die Versorgungssicherheit ist gegeben. Der Weg der Stadt, in den kommenden Jahren ein flächendeckendes Netz an Stromtankstellen in Wien zu schaffen, ist ein Schritt in die richtige Richtung -  wie die Förderaktion für Taxis.

Aber auch hier geht es  nicht ohne Förderung?

Für Fahrer eines Stromautos gibt es eine Förderung von 8.000 Euro pro Fahrzeug. Bis Ende 2017 können die E-Taxis gratis an Ladestationen betankt werden. Ich sehe das aber auch als große Marketingaktion für die E-Mobility.

Was fehlt: Nutzer oder Ladestationen? Für mich scheint es an Nutzern zu fehlen.

Nutzer, das heißt eine entsprechende Anzahl an Autos mit Elektroantrieb. Hier wiederum propagieren wir das Laden mit drei Phasen, was derzeit leider nur wenige Fahrzeughersteller nutzen, sehr zum Leidwesen der Elek- troauto-Nutzer, die an unseren Ladestationen durchaus beschleunigt laden könnten, wenn es ihre Elektroautos unterstützen würden. Aber diesbezüglich sollte auch einiges in Bewegung sein, wenn man den Autoherstellern Glauben schenkt.

Beim Treibstoff-Tanken kann ich bei jeder Tankstelle mit Bankomatkarte bezahlen. Warum geht das beim Stromtanken noch nicht?

Wir arbeiten daran. In Zukunft soll ein einziger Vertrag und ein Zugangsmedium wie eine Karte oder ein Smartphone reichen, um die  Elektrofahrzeuge an allen teilnehmenden Ladestationen auftanken zu können. Die Kunden werden nur mehr ein Vertragsverhältnis mit einem sogenannten e-Mobility-Provider (EMP) haben müssen und trotzdem alle vernetzten Ladestationen verwenden können. Aber wie gesagt – wir arbeiten daran. Jetzt müssen erstmals Schnittstellen geschaffen werden, dass endlich eine anbieterübergreifende Zusammenarbeit funktionieren kann. Zum anderen werden die EMPs Verträge mit den Ladestationsbetreibern abschließen, um so den flächendeckenden Zugang für ihre Kunden zu erhalten – ähnlich wie es die Mobilfunkbetreiber mit den ausländischen Partnern machen, um ihren Kunden ein Roamingnetz zur Verfügung zu stellen.

Ein weiterer Minuspunkt ist aber nach wie vor die Akkuleistung?

Das ist einer dieser Stolpersteine im Kopf. „Ich will auch in der Zukunft mindestens 700 Kilometer Reichweite haben“. Das ist ein psychologischer Faktor. Aber wie oft braucht man diese Reichweite. Vielleicht ein-, zweimal im Jahr. Im Schnitt bringt man es auf eine Fahrleistung von maximal 80 Kilometern pro Tag. Das geht sich mit einem Elektroauto, das 120 oder 150 Kilometer weit kommt, auf jeden Fall aus.

… und was passiert mit den alten Akkus. Die Recycling-Frage ist noch nicht wirklich gelöst?

Da gibt es ganz tolle Projekte für eine Nachnutzung. Dass Akkus nicht mehr die Leistung für den Antrieb einen E-Autos haben, heißt noch nicht, dass es für diese keine Verwendung mehr gibt. Sie könnten zum Beispiel zusammengeschlossen als große Zwischenspeicher genutzt werden. Nissan hat das auch schon gemacht, da werden Batterien im großen Speicherverbund dann installiert, dort reichen 80 Prozent Kapazität auch aus. Ich kann damit Netzleistungen abfedern oder alternativ erzeugte Energie speichern. Zum Beispiel in Eigenheimen mit Solarenergie, aber auch E-Tankstellen könnten damit nachgerüstet werden.

Halasz, DI Jürgen @ Bundesverband Elektromobilität _ 001 © cityfoto

Das klingt in der Theorie ja recht gut. Aber habe ich da nicht große Umwandlungsverluste?

Speicher- und Umwandlungsverluste sind - im Vergleich zu Fahrzeugen mit konventionell angetriebenen Motor – gering. Ein Vergleich von verschiedenen Fahrzeugen hat gezeigt, dass ein konventionelles Kraftfahrzeug einen Wirkungsgrad in der Größenordnung von 30 bis 40 Prozent (Tank to Wheel), ein Elektrofahrzeug einen Wirkungsgrad von rund 85 Prozent (Plug to Wheel) hat. Der hohe Wirkungsgradverlust erklärt sich durch den hohen Wärmeverlust bei Verbrennungsmotoren. Wenn ich bei den E-Fahrzeugen einen Speicher dazwischenschalte, verliere ich eben ein paar Prozent. Dann geht der Wirkungsgrad gesamt betrachtet halt auf 75 Prozent hinunter – aber nie auf 30 bis 40 Prozent wie bei konventionellen Fahrzeugen. Das ist schon ein ganz anderer Faktor.

Bei Neubauprojekten ist die Installation von E-Tankstellen ja kein Problem, wie aber sieht es im Bestand aus. Wie sind hier Ihre Erfahrungen?

Im Bestand gibt es sicher harte Nüsse zu knacken. Das eine sind die Eigentümerverhältnisse, die oft dem Kundenwunsch einen Strich durch die Rechnung machen. Oft ist es auch die mangelnde Trafoleistung, die eine Lösung erschwert.

Wenn ich in eine Garage 3 Tesla reinstelle und jeder Besitzer will auch noch die Möglichkeit einer beschleunigten Ladung haben - und die fängt bei Tesla bei 11 kW an – bedeutet das eine Leistung von 3 mal 11 kW, also 33 kW, die muss man in einer Garage dann noch frei zur Verfügung haben. Da kommt man dann bald einmal an die Trafogrenze. Da habe ich es im Neubau sicher leichter.


Über den BEÖ

Der Bundesverband Elektromobilität Österreich (BEÖ) vertritt die Interessen von elf Energieversorgungsunternehmen in Österreich und setzt sich für eine flächendeckende, offene und interoperable Versorgung mit Elektromobilität aus erneuerbarer Energie in Österreich ein. Die Mitglieder sind: Energie AG Oberösterreich Power Solutions GmbH, Energie Burgenland Green Power GmbH, Energie Graz GmbH & Co KG, Energie Steiermark Mobilitäts GmbH, EVN AG, Innsbrucker Kommunalbetriebe AG (IKB), KELAG-Kärntner Elektrizitäts-Aktiengesellschaft, LINZ AG, Salzburg AG, Vorarlberger Kraftwerke AG (VKW), Wien Energie GmbH. www.beoe.at

Jürgen Halasz ist seit 2014 Vorsitzender des Vorstands des BEÖ und gleichzeitig bei Wien Energie in der Funktion als Abteilungsleiter für Energieeffiziente Lösungen tätig.