Die Wirtschaft in der Eurozone hat ihren Schrumpfkurs zu Beginn der zweiten Jahreshälfte verschärft. Die Unternehmensstimmung trübte sich im Juli erneut deutlich ein. Der Einkaufsmanagerindex für die Privatwirtschaft - Industrie und Dienstleister zusammen - sank im Juli um 1,0 auf 48,9 Punkte, wie der Finanzdienstleister S&P Global am Montag zu seiner Umfrage unter tausenden Firmen mitteilte. Das ist der zweite Rückgang in Folge und der schlechteste Wert seit November 2022.
Das an den Finanzmärkten stark beachtete Barometer entfernte sich damit weiter von der Wachstumsschwelle, die bei 50 Punkten liegt. Befragte Ökonomen hatten nur mit einem leichten Rückgang auf 49,7 Punkte gerechnet.
"Die Wirtschaft der Eurozone wird in den kommenden Monaten wahrscheinlich weiter schrumpfen, da der Dienstleistungssektor an Schwung verliert", sagte Chefvolkswirt Cyrus de la Rubia von der Hamburg Commercial Bank (HCOB), die die Umfrage sponsert. Das Barometer für den Servicesektor fiel um 0,9 auf 51,1 Punkte, den niedrigsten Stand seit einem halben Jahr. Erstmals seit der Jahreswende sei das Neugeschäft geschrumpft, ebenso der Auftragsbestand.
Noch düsterer sieht es in der Industrie aus. Hier sank das Barometer um 0,7 auf 42,7 Punkte. Das ist der schlechteste Wert seit mehr als drei Jahren. "Das verarbeitende Gewerbe ist weiterhin die Achillesferse der Eurozone", sagte de La Rubia. "Die Hersteller haben ihre Produktion im Juli erneut in beschleunigtem Tempo zurückgefahren." Die Industrie leidet seit längerem unter einer schwachen Auslandsnachfrage. Die Dienstleister haben der Entwicklung lange Zeit getrotzt, die Branche schwächelt aber zunehmend.
Bankvolkswirte deuteten die Zahlen als Abschwungsignal. "Die Rezession kommt näher", heißt es in einem Kommentar des Commerzbank-Experten Christoph Weil. Nach neuesten Daten ist die Eurozone im Winterhalbjahr einer technischen Rezession noch denkbar knapp entgangen. Für den weiteren Jahresverlauf sind Ökonomen aber skeptisch: "Die konjunkturellen Aussichten trüben sich weiter ein", warnte Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der Liechtensteiner VP Bank.
Ähnlich äußerten sich die Fachleute von S&P Global: Die trüben Geschäftsaussichten und der schwache Auftragseingang deuteten darauf hin, dass sich die Talfahrt in den nächsten Monaten beschleunigen könnte. Positiv vermerken sie, dass der Preisdruck weiter nachgelassen habe. Die durchschnittlichen Verkaufspreise seien so schwach wie seit knapp zweieinhalb Jahren nicht mehr gestiegen. In der Industrie wurden die Preise wegen der sinkenden Nachfrage so stark reduziert wie seit dem Höhepunkt der globalen Finanzkrise 2009 nicht mehr, hieß es. Bei den Dienstleistern steigen sie zwar noch immer, aber so langsam wie seit 21 Monaten nicht mehr.
Fraglich ist, wie sich die Entwicklung auf die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) auswirkt. Als nahezu sicher gilt, dass ihr Leitzins in dieser Woche weiter steigt. Am Donnerstag trifft der EZB-Rat seine Entscheidungen. Der anschließende Kurs ist aber ungewiss. Nach Einschätzung von Commerzbank-Fachmann Weil sprechen die S&P-Umfragedaten dagegen, dass die EZB die Leitzinsen nach Juli weiter erhöht. (apa)