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Vermieter unter Druck

„Bei vielen gerichtlichen Auseinandersetzungen sind die Banken wesentlicher Treiber“, analysiert Rechtsanwältin Birgit Kraml von Wolf Theiss.
Michael Neubauer
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© REMG

Es scheint so, dass uns die gerichtlichen Auseinandersetzungen noch jahrelang beschäftigen werden. Rechtssicherheit wird wohl erst der OGH schaffen?   

Birgit Kraml: Wir betreten hier juristisches Neuland. Die Gerichte haben sich bisher noch nicht oft mit Seuchen auseinandersetzen müssen. § 1104 ABGB normiert den Entfall der Verpflichtung zur Mietzins- oder Pachtzinszahlung, wenn der Bestandgegenstand wegen außerordentlichen Zufalls nicht zum bedungenen Gebrauch benutzt werden kann. § 1104 ABGB zählt auch Seuche als solchen Zufall auf, nicht aber behördliche Betretungsverbote. Durch diese Betretungsverbote wird der bedungene Gebrauch aber eingeschränkt: Ein Geschäft oder ein Gasthaus, das von Kunden nicht betreten werden kann, verliert seinen Verwendungszweck.

§ 1105 ABGB regelt das Mietzinsminderungsrecht bei beschränkter Gebrauchsmöglichkeit wegen außerordentlichen Zufalls. Das Problem dabei ist: Pächter sind schlechter gestellt als Mieter. Pächter können eine Zinsminderung nur dann geltend machen, wenn ihr Vertrag nicht länger als ein Jahr läuft. Bei mehrjährigen Pachtverträgen entfällt dieses Recht, da von einem Ausgleich der Pachterträge in den Folgejahren ausgegangen wird.

„Durch diese Betretungsverbote wird der bedungene Gebrauch aber eingeschränkt: Ein Geschäft oder ein Gasthaus, das von Kunden nicht betreten werden kann, verliert seinen Verwendungszweck.“

Also keine Gleichstellung von Miete und Pacht?

Laut Gesetz nicht, einige Gutachten behaupten nun aber Gegenteiliges mit dem Argument, dass das ABGB noch keine Unternehmenspacht kannte und § 1105 ABGB nur die Landpacht im Auge hätte. Diese Rechtsmeinung kann ich nicht nachvollziehen. Gerade in der Hotellerie und Gastronomie ist Pacht weit verbreitet – hier kann es genau wie bei der landwirtschaftlichen Pacht vorkommen, dass es von Jahr zu Jahr zu Umsatzschwankungen kommt. Weniger Umsatz in einem Jahr wird im nächsten wettgemacht. 

Der Oberste Gerichtshof hat zur Frage, ob unter Pacht nach  § 1105 ABGB auch Unternehmenspacht zu verstehen ist, bereits 1965 Stellung bezogen (2Ob 11/65) und diese  Frage bejaht: Der Gesetzeswortlaut stellt auf Pacht ab und differenziert nicht zwischen Unternehmens- und landwirtschaftlicher Pacht. Somit steht bei einer Pacht also keine Mietzinsreduktion zu, wenn der Pachtgegenstand zumindest teilweise weiter genutzt werden kann.

Es werden wohl einige Verfahren, die aktuell laufen, vor dem Obersten Gerichtshof landen. 

Da bin ich mir sicher. Es ist schön zu sehen, dass es bei manchen Gerichten sehr schnell ging und bereits Entscheidungen vorliegen. Das ist gut für den Rechtsstaat und die Rechtssicherheit. Aber ich bin mir sicher, dass einige Fälle den Instanzenzug bis rauf zum OGH durchlaufen werden.  

Es gibt aber auch bereits bestätigende Urteile von Landesgerichten. 

Ja, wobei sich diese mit Betretungsverboten von Buchhandel und eines Ateliers mit Schneiderei sowie mit dem Fixkostenzuschuss auseinandersetzten. Die Frage der Reduktion wegen Umsatzrückgangs oder ob Mietzinsreduktion bei Büros gerechtfertigt ist, wie mancherorts gefordert, wurde da noch nicht behandelt. Es erscheinen auch jede Woche Zeitungsartikel zu dem Thema mit unterschiedlichen Standpunkten.

Eine Mietzinsminderung trotz Öffnung damit zu begründen, dass der Umsatz zurückgegangen sei, kann ich nicht nachvollziehen. Umsatz ist ein klassisches Unternehmensrisiko. Was passiert, wenn ich meinen Betrieb auf Touristen ausgerichtet habe, und auf einmal in deren Herkunftsland ein Ausreiseverbot erlassen wird und die Touristen aus diesem Land daher ausbleiben. Hätte ich dann Anspruch auf Mietreduktion? Wohl nicht.

„Eine Mietzinsminderung trotz Öffnung damit zu begründen, dass der Umsatz zurückgegangen sei, kann ich nicht nachvollziehen. Umsatz ist ein klassisches Unternehmensrisiko.“

Für Büroflächen gab es keine Betretungsverbote, Home Office wurde nur empfohlen. Diese Bestandgegenstände waren somit durchgehend nutzbar. 

Unternehmer sein, heißt auch, Risiko zu tragen. Viele Fragen sind allerdings noch offen und werden erst von den Höchstgerichten entschieden. Zum Beispiel, ob bei Erhalt von Förderungen Mieten zu bezahlen sind. Wie weit geht die Schadensminderungspflicht? Wird die COFAG, die COVID-19-Finanzierungsagentur des Bundes, Zuschüsse zurückfordern, wenn gegen die Schadensminderungspflicht verstoßen wurde? Das wird schwierig werden.

Wo sehen Sie die größten Probleme? 

Dass der Staat letztes Jahr schnell auf die Krise reagieren wollte, aber vieles nicht wirklich durchüberlegt wurde. Die COFAG agiert privatwirtschaftlich nicht hoheitlich, Das heißt, die COFAG kann sich ausgezahlte Förderungen nur über den Rechtsweg zurückholen und nicht mit Bescheid des Finanzamtes. Die COFAG müsste sich jeden Fall genau ansehen und dann die Unternehmer auf Rückzahlung klagen, sollte den Kriterien nicht entsprochen worden sein, Spannend, ob sie die Ressourcen hat, um das durchzufechten. 

Es gibt Stimmen, die beim Fixkostenzuschuss von Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes sprechen. Ein Unternehmen, das jede einzelne seiner Filialen als eigenständige Gesellschaft führt, erhält für jede einzelne Gesellschaft maximal 800.000 Euro. Ein Unternehmer, der alle Filialen in einer einzigen Gesellschaft hat, nur einmal diesen Höchstbetrag. 

Ein interessantes Thema. Viele der Themen sind daraus entstanden, weil rasch geholfen werden wollte. Unschärfen inklusive. Man kann sich generell lange unterhalten, wie wirksam oder wie sinnvoll die Förderungsmaßnahmen waren oder sind. Man wollte rasch helfen und hat mangelnde Treffsicherheit in Kauf genommen.  

Wie haben Ihre Mandanten auf die Situation reagiert. Konfrontation oder Konsens? 

Konfrontation gibt es vorwiegend im Handel und bei Dienstleistungsbetrieben. Bei Hotels wird eher versucht, Einigung zu erzielen. Es kommt auch auf die Lage an. Bei vor der Pandemie gut gehenden Einkaufscentern wird weniger gestritten als in Einkaufscentern, die auch ohne Pandemie bereits mit Problemen zu kämpfen hatten. Im Retail-Segment sind Mieter auch rascher austauschbar. In der Hotellerie einen neuen Betreiber zu finden, ist bedeutend schwieriger. Unternehmer sind nicht per se streitsüchtig – oft bleibt ihnen keine andere Wahl.

„Konfrontation gibt es vorwiegend im Handel und bei Dienstleistungsbetrieben. Bei Hotels wird eher versucht, Einigung zu erzielen.“

Wie darf man das verstehen? 

Viele Vermieter haben ein Problem mit ihren Banken. Bei Finanzierungen werden von den Banken Mieten als Sicherheiten akzeptiert. Die bestehen nun darauf, dass die Mieten gezahlt werden. Das heißt, die Vermieter haben jetzt ein Thema mit ihren Banken. Sie müssen auf ihrer Position beharren und sagen: „Nein. Miete ist zu zahlen“, einfach damit sie gegenüber ihrer Bank mehr Verhandlungspuffer haben. Bei vielen gerichtlichen Auseinandersetzungen sind auf Vermieterseite die Banken wesentlicher Treiber. 

Bei einem unserer Mandanten hat sein Vermieter wegen Nichtbezahlen der Miete eine Bankgarantie gezogen. Unser Mandant musste nun klagen, um dies zu verhindern. Mit einer einstweiligen Verfügung haben wir erwirken können, dass die Bank das Geld nicht auszahlen darf. Ein Rechtsstreit, den der Mieter führen muss, ob er will oder nicht. Wäre die Bankgarantie bereits gezogen und der Betrag ausgezahlt worden, hätte er klagen müssen, um sich das Geld wieder zurückzuholen.  

Sind institutionelle Investoren beteiligt, wird mit fremdem Geld gearbeitet, sind Einigungen schwieriger zu erzielen. Hier sind den Vorständen oft die Hände für Verhandlungen gebunden. 

Stellt die Pandemie einen Kündigungsgrund dar?  

Mieter, die sich von nicht mehr wirtschaftlich zu führenden Filialen trennen wollen, stoßen bei ihren Vermietern auf taube Ohren, sofern sie befristete Verträge vorzeitig auflösen wollen. Für den Vermieter ist die Sache eindeutig. „Vertrag ist Vertrag. Pandemie ist kein Kündigungsgrund.“ Mieter berufen  sich auf Judikatur, die besagt, dass, wenn über einen längeren Zeitraum geschlossen gehalten werden muss, der Mieter wohl ein Kündigungsrecht hat.

Zukünftig werden Mietsvertrags-Prolongationen wohl unter anderen Gesichtspunkten verhandelt? 

Da bin ich mir sicher. Es wird nicht einfacher werden – vor allem dann, wenn in der Phase der Pandemie die Parteien wenig Bewegung gezeigt hatten, eine Einigung zu erzielen. Mietverträge sind Verträge auf lange Zeit. Man muss sich auf Augenhöhe begegnen. 

Birgit Kraml, Partnerin bei Wolf Theiss, berät regelmäßig Unternehmen bei bedeutenden Immobilienprojekten und -entwicklungen in Österreich und CEE. Sie ist spezialisiert auf privates und öffentliches Immobilienrecht, Mietrecht, Bau-, Anlagen-, und Umweltrecht sowie auf die Beilegung von Immobilienstreitigkeiten und ist Expertin für Einkaufszentren. Internationale Erfahrung sammelte Birgit Kraml während ihres Studiums und ihrer Tätigkeit in London und Paris. Bereits während des Doktoratsstudiums an der Universität Wien fokussierte sie auf Planungs- und Baurecht. Sie war Lektorin zu internationalem Umweltrecht (Masterprogramm) an der Universität für Bodenkultur Wien und hält Vorträge an der Technischen Universität Wien.