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Viele RH-Empfehlungen bei staatlicher Immobilienfirma ARE umzusetzen

Drei Viertel alter Empfehlungen noch offen, vieles nicht prüfbar - Ab 2025 keine Direktvergaben durch Bund mehr möglich - Partnerprojekt "Vienna TwentyTwo" von insolventer Signa übernommen
Patrick Baldia
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© APA/ROLAND SCHLAGER | Der Rechnungshof sieht "einen Widerspruch zwischen den strategischen Vorgaben des Eigentümers für die ARE und dem Ziel des Regierungsprogramms 2020-2024

Der Rechnungshof (RH) hat geprüft, ob die Immofirma Austrian Real Estate (ARE), eine 100-Prozent-Tochter der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG), Empfehlungen einer Prüfung von 2019 umsetzt. Hier gibt es bei drei Viertel der Empfehlungen noch Handlungsbedarf. Auch waren die strategische Ausrichtung der ARE und deren Wahl privater Partner wie etwa Signa-Gesellschaften Prüfungssache. Das Projekt "Vienna TwentyTwo" ist wegen der Signa-Insolvenz nun alleinige ARE-Sache.

Die ARE übernimmt laut RH-Angaben vom Freitag den 51-Prozent-Signa-Anteil am Partnerprojekt "Vienna TwentyTwo", an dem die ARE zuvor 49 Prozent hielt. Der Rechnungshof fragte heuer im Jänner laut eigenen Angaben bei der ARE an, welche Auswirkungen der Insolvenzantrag der wichtigsten Signa-Gesellschaften auf die Unternehmen der Signa-Gruppe haben, die die 51 Prozent am Partnerprojekt in Wien hielten. Laut ARE würde sie - genauer ihre Tochter ARE Development - alle Anteile am Projekt übernehmen und es eigenständig fortsetzen. Ein entsprechender Vertrag sei Ende Jänner 2024 unterzeichnet worden, so der RH.

Die Privatbeteiligungen an ARE-Projekten erschwerten die Prüfung des Rechnungshofs massiv, zeigen dessen Angaben: "Wegen Privatbeteiligungen unterlag rund ein Drittel der 122 Projektgesellschaften nicht der Kontrolle des Rechnungshofes."

Grundsätzlich sieht der Rechnungshof "einen Widerspruch zwischen den strategischen Vorgaben des Eigentümers für die ARE - nämlich die Entwicklung in Richtung eines markt- und gewinnorientierten Unternehmens - und dem Ziel des Regierungsprogramms 2020-2024, den geförderten Wohnbau zu berücksichtigen". Für eine Konzentration der ARE auf frei finanzierten Wohnbau sprachen sich laut RH die Staatsholding ÖBAG - zu der die ARE-Mutter BIG ausschüttet - und das ÖVP-geführte Finanzministerium aus. "Das Finanzministerium setzte sich - betreffend BIG und ARE - weder mit dem Ziel des Regierungsprogramms 2020-2024 (Schaffung von leistbarem Wohnraum) auseinander, noch prüfte es dessen Umsetzbarkeit." Die Entwicklung in Richtung eines markt- und gewinnorientierten Unternehmens passe nicht mit dem Ziel des aktuellen grün-türkisen Regierungsprogramms zusammen, den geförderten Wohnbau zu berücksichtigen.

Preis- und Zinsentwicklungen bezeichnet der RH als steigende Risiken, aufgrund derer "der ARE-Konzern seine Strategie anpassen sollte". "Die BIG und die ARE sollten vor dem Hintergrund der Preis- und Zinsentwicklung die zunehmende Bedeutung nicht-öffentlicher Projekte und deren Auswirkungen im Risikomanagement analysieren", empfiehlt der RH. "Insbesondere bei steigenden Risiken wären die Strategie für den Konzern der ARE und seine operativen Ziele anzupassen."

Prinzipiell soll der Bund Beteiligungen nur dann erwerben, wenn unter anderem einem wichtigen volkswirtschaftlichen Anliegen auf diesem Wege besser entsprochen werden kann, schreibt der RH, für den laut eigenen Angaben allerdings "in diesem Zusammenhang offen bleibt, inwieweit dieses Aufgabenspektrum des ARE-Konzerns als Unternehmen des Bundes und der BIG einem wichtigen volkswirtschaftlichen Anliegen im Sinne des Bundeshaushaltsgesetzes 2013 diente". Zu hinterfragen seien die Internationalisierungsbestrebungen der ARE mit dem Ziel, neue Märkte - insbesondere in Deutschland - zu erschließen. "Denn damit könnte sich die ARE von ihrer gesetzlichen Aufgabe - primär Raum für Bundeszwecke bereitzustellen und nicht mehr für Bundeszwecke benötigte Objekte zu verwerten - entfernen."

Sogenannte In-house-Vergaben (Direktvergaben ohne Ausschreibung, in diesem Fall durch den Bund an die ARE) dürften indes ab 2025 bei der ARE Geschichte sein, wie das Finanzministerium laut RH mitteilte. Schon erfolgte Aufträge an die ARE - etwa Neu- und Zubauten für den Bund - hätten schon dem Vergaberecht unterliegen können, so die Prüfer: "Aufgrund des Wachstumskurses der ARE durch steigende Umsätze aus Verträgen außerhalb des Bundes bestand zur Zeit der Vorprüfung das Risiko, dass der Bund die Möglichkeit der In-house-Vergabe an die ARE verliert. Er würde dann verstärkt auch Bauaufträge an private Unternehmen vergeben. Bis zur Zeit der Follow-up-Überprüfung war weiterhin unklar, ob der Bund die Möglichkeit der In-house-Vergabe an die ARE bereits verloren hatte oder wann mit dem Verlust zu rechnen war. Der Rechnungshof empfahl dem Finanzministerium, die Prüfung der Auswirkungen eines möglichen Verlusts der In-house-Vergabe bei Aufträgen des Bundes an die ARE in Abstimmung mit der Finanzprokuratur zügig abzuschließen." Das Finanzministerium teilte in seiner Stellungnahme mit, dass eine In-house-Vergabe voraussichtlich ab dem Jahr 2025 nicht mehr möglich sei.

Die ARE wurde im Jahr 2012 als BIG-Tochtergesellschaft gegründet. Aufgabe der BIG ist es, den Raumbedarf des Bundes zu bedienen. Ende 2021 war der Bund Eigentümer von Gebäuden und Bauten, insbesondere von Schulen, Justizanstalten, Kasernen und Botschaftsgebäuden. Verwaltet werden diese vom BIG-Konzern, aber auch von den jeweiligen Ministerien. Insgesamt verwaltet der BIG-Konzern Liegenschaften beziehungsweise Gebäude mit einem Verkehrswert von 14,89 Mrd. Euro. Die ARE kommt ins Spiel, weil die BIG Liegenschaften an Töchter übertragen darf.

Der ARE wurden marktgängige Liegenschaften, wie Büro- und Wohnimmobilien, übertragen. Sie bedient sowohl den Bund als auch Private mit Büro-, Gewerbe-, Entwicklungs- und Wohnungsliegenschaften. Der Gesellschaftsvertrag der ARE ermöglicht es, auch vom Markt zugekaufte Liegenschaften zu verwerten. Ein Ziel bei der Abspaltung der ARE im Jahr 2012 war, regelmäßige Gewinnausschüttungen an den Bund sicherzustellen.

Ende Dezember 2021 war die ARE Alleineigentümerin von 72 Projektgesellschaften und neben privaten Partnern Miteigentümer von 50 Projektgesellschaften. An 42 dieser 50 Projektgesellschaften war der ARE-Konzern mit weniger als 50 Prozent beteiligt. Rund ein Drittel der 122 Projektgesellschaften der ARE unterlag Ende 2021 nicht der Kontrolle des Rechnungshofes. Der Prüfzeitraum für die Follow-up-Prüfung war von 2018 bis 2021. (apa)