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Vorreiter oder Nachzügler?

Real Circle 06. Schon zum sechsten Mal luden Facilitycomfort*, C/M/S und der ImmoFokus Experten der Immobilienbranche zum Austausch ins Park Hyatt. Diesmal zum Thema: „Wirtschaftsstandort Österreich“.
Angelika Fleischl

Real Circle 06. Schon zum sechsten Mal luden Facilitycomfort*, C/M/S und der ImmoFokus Experten der Immobilienbranche zum Austausch ins Park Hyatt. Diesmal zum Thema: „Wirtschaftsstandort Österreich“.

In den vergangenen Jahren wurden immer mehr Headquarters namhafter Unternehmen aus Österreich abgesiedelt. „Österreich ist als Wirtschaftsstandort auf dem absteigenden Ast“, erklärt Ronald Goigitzer, ImooFokus, gleich zu Beginn. Martin Fassl von ecoplus kann diese Aussage nicht ohne Widerspruch hinnehmen: „Der internationale Wirtschaftsstandort Österreich hat als Drehscheibe durchaus Zukunft.“ Gerade die EU-Märkte seien von Relevanz.

Österreich als Markt zu klein

Gernot Schöbitz, KONE: „Vor allem nach der Öffnung des Vorhangs waren diese Kontakte, egal ob zu Ungarn, Rumänien oder dem Balkan, aber wesentlich wichtiger als heute.“ Die Frage wäre auch, ob in dieser vernetzten Zeit eine Drehscheibe überhaupt noch nötig sei. So habe die Bedeutung mit der Zeit deutlich abgenommen. Als reiner Wirtschaftsstandort sei Österreich als Markt zu klein. „So groß sind wir nicht, um große Konzerne zu Tisch zu bitten“, so Alen Music, Hauscomfort. Ein Trend sei auch, dass Firmensitze zunehmend nach Deutschland abwandern. Herwig Teufelsdorfer, Buwog, sieht dies als logische Entwicklung: „Durch die regionale Nähe ist die Arbeitsqualität Österreichs oft mit den östlichen Standards vermischt worden.“ „Auch im Bereich der Landwirtschaft ist Österreich stark abgefallen. Waren wir früher noch Marktführer, ist es jetzt Indien oder China“, so Music.

Politik wieder attraktiver machen

Eines der wesentlichen Dinge wäre, die Politik wieder attraktiver zu machen. „Niemand traut sich etwas zu entscheiden. Das ist es, was das Land umbringen wird!“, bringt es Teufelsdorfer auf den Punkt. „Das ganze Land ist schlicht unternehmerfeindlich.“ „Das Image ist keines von Professionalität“, so Schöbitz. Die wäre aber wichtig, wenn man Betriebe anlocken möchte.

Regulierungswahn ist zu groß

Es muss bei der Politik beginnen, denn diese bildet den Rahmen. Der Regulierungswahn ist jedoch zu groß. Selbst wenn man etwas ändern will, hat man es mit Reformen nicht leicht: „Sie starten als Tiger und enden als Bettvorleger“, scherzt Fassl. „Natürlich spielt Mentalität hier auch eine Rolle“, so Music. „Der Karren muss erst gegen die Wand fahren, sonst passiert nichts“, tadelt Schöbitz.

Man müsse dem Steuerzahler das Warum erklären – das sei die Basis eines jeden Veränderungsprozesses. Bildung sei hier ein wesentlicher Faktor – jungen Menschen beibringen, was Wirtschaft ist und wie sie funktioniert. Auch müsse man den Dingen offener gegenüberstehen und mehr Selbstbewusstsein aufbauen. Christian Pillwein, Beckhoff, sieht den österreichischen Markt als gut und innovativ: „Aber die Zeit, in der wir als Hub Richtung Osten gegolten haben – der Zug ist abgefahren.“ Martina Jochmann, Facilitycomfort, fügt hinzu: „Wir müssen aufpassen, dass wir nicht überholt werden.“

Lebensqualität allein ist zu wenig

real-circle-no6-_-september-2016-_-056„Wenn die Vizebürgermeisterin sagt, wir haben die höchste Lebensqualität: Ja, stimmt. Aber von der Lebensqualität kommen keine Transaktionen nach Österreich“, kritisiert Philipp Kaufmann. Signifikante Zuzüge großer Unternehmen fehlen in den letzten Jahren, darunter leidet auch der Büromarkt. Jochmann sieht die hohe Lebensqualität, vor allem in Wien, dennoch als einen Pluspunkt, denn „es ist erstrebenswert, hierher zu kommen.“ Österreich als Wirtschaftsstandort hat reichlich Potenzial nach oben, darin ist sich die Runde einig. Viele Themen, wie das Mietrecht oder die Gewerbeordnung, werden seit Jahren diskutiert, ohne zu Ergebnissen zu kommen. „Viele ruhen sich auf diesem bequemen Polster aus, der momentan vorhanden ist“, so Jochmann.

Johannes Hysek, CMS, stellt fest, dass ausländische Investoren, beispielsweise aus Deutschland, im Hinblick auf Steuern immer mehr jammern: „Hier müssen von der steuerlichen Seite Vereinheitlichungen geschaffen werden, um eine Attraktivität für den Standort Österreich zu schaffen.“ Bezüglich der Gewerbeordnung ist Hysek überzeugt, dass das Modell des „One Stop Shop“ sinnvoll wäre. Auch die Rechtsgeschäftsgebühr wird (erneut) angesprochen, diese sei vor allem für ausländische Investoren nicht nachzuvollziehen. Und auch die Grunderwerbssteuer bringe Nachteile für Investoren.

„Die Industrie ist ebenso von gestern, wir sollten uns darüber Gedanken machen, was morgen ist!“ betont Stefan Sadleder, APCOA. Der Tourismus hilft, allein davon wird man aber nicht leben können. Die Bürokratie in Österreich ist eine weitere Erschwernis. Für Pillwein ist das Thema Internet ein wichtiger Faktor. „Schnelle Internetleitungen sind für große Unternehmen genauso wichtig wie Wasserleitungen.“ Auch in diesem Bereich hinkt Österreich hinterher.

Hysek spricht den Bildungsstandard an und erfährt Zuspruch von Jochmann: „Sowohl Leute zu finden, die Zusatzqualifikationen haben, als auch der Spagat zwischen Bildung und Soft Skills sind große Herausforderungen.“ Es sei wichtig, den Nachwuchs zu fördern. Intelligente Köpfe wandern derzeit aber lieber ins Ausland. Um die Situation zu verbessern, sei es wichtig, Themen wie Ausbildung oder Steuern zu vereinfachen und eine sinnvolle Regulation zu finden. Die Problematik in der Politik fasst Sadleder konkret zusammen: „Bei uns zählt das Foul mehr als das Tor!“ Dabei wäre es einfach, Reibung zu vermeiden, wenn man kooperiert.

Wo bleibt der One-Stop-Shop

real-circle-no6-_-september-2016-_-030„In Österreich dauert die Gründung eines Unternehmens durchschnittlich 25 Tage, bis es ins Firmenbuch eingetragen wird“, betont Nikolaus Weselik, Partner bei CMS, gleich zu Beginn. Generell gibt es in Österreich sehr komplexe gewerberechtliche Regelungen. „Das liegt vor allem daran, dass es nicht nur eine Behörde gibt, die für alles zuständig ist“, kritisiert Weselik.

Wolfgang Scheibenpflug, Flughafen Wien, sieht das neue Baurecht mit seinen unterschiedlichen Regelungen in den Bundesländern als problematisch: „Für den ausländischen Investor ist es nur sehr schwer zu durchschauen.“ Um mithalten zu können, sei hier essenziell, eine Vereinheitlichung vorzunehmen.

Eine Flat Tax ist für Weselik nicht der richtige Ansatz, um neue Dynamik zu schaffen: „Sie würde sicher zu einer steuerlichen Vereinfachung führen, ist aber in Österreich politisch schlicht nicht umsetzbar.“ Christoph Pramböck, Partner bei BDO, ist sich sicher, dass eine Flat Tax nur zu einer Umverteilung führen würde. Er gibt zu bedenken: „Der Steuersatz selbst ist nicht das Problem, sondern die Bemessungsgrundlage.“

Die Abgabenbelastung in Österreich ist die zweithöchste Europas. Pramböck betont auch, dass eine extrem hohe Rechtsunsicherheit vorliegt bezüglich der Änderungen in der Steuergesetzgebung. Dies erschwert es Investoren, aber auch Privatpersonen, in Bezug auf Österreich in die Zukunft zu planen. Pramböck: „Es ist wichtig, nicht nur von Wahl zu Wahl zu denken.“ „Hier ist die Frage, ob Österreich nicht getrieben ist durch eine Anlassgesetzgebung“, ergänzt Helmut Dietler, Vienna Estate Immobilien AG.

Oft werden auch über komplizierte Steuerstrukturen Steuerlasten (legal) ins Ausland verlegt – das ist volkswirtschaftlich nicht gerade optimal. So tut sich Österreich auch im internationalen Wettbewerb schwer, darin ist sich die Runde einig. „Man sollte nicht außer Acht lassen, dass Österreich ein recht seliges Land ist, aber wir fallen immer weiter zurück“, so Willy Rader, Lenikus.

Den USP herausstreichen

Doch wie bekommt man neues Geld oder Investoren ins Land? Hier spielen Anreize eine große Rolle. „Es ist notwendig, den USP herauszustreichen“, sagt Scheibenpflug. „Österreich hat viel zu bieten: Lebensqualität, sozialer Frieden. Da sind wir vorne mit dabei. Man muss aber auch etwas tun, damit das so bleibt.“ Die Attraktivität im kulturellen Bereich ist durchaus gegeben. Auch die soziale Sicherheit ist vorhanden. Positiv wird auch hervorgehoben, dass die Korruption in Österreich im Vergleich zu anderen Ländern eher gering ist.

Auch wird ein Vergleich zu Deutschland gezogen: Österreich sei immer ein bisschen später dran als Deutschland, heißt es. Dies wird aber auch als Chance wahrgenommen. Man kann mit kleiner Verzögerung nachziehen und Dinge dann auch besser machen. „Die Frage ist, wie man sich positionieren möchte – will man Vorreiter oder Nachzügler sein“, äußert sich Dietler kritisch. Dennoch gibt es einige Bereiche, die aus österreichischer Sicht nachahmungswürdig wären.

Mangel an attraktiven Objekten

„Summa summarum dürfen wir mit dem Immobilienstandort Österreich zufrieden sein“, erklärt EHL-Immobilienexpertin Sandra Bauernfeind. Doch es gibt schon ein paar Kleinigkeiten, die den Diskutanten zum Thema „Immobilienstandort Österreich“ sauer aufstoßen. „Was will man im Office-Bereich mehr erwarten?“, stellt Bauernfeind eine rhetorische Frage in den Raum. Die internationalen Investoren hätten den Wiener Office-Markt als relevanten Investitionsstandort in Österreich längst entdeckt – allein es fehle an attraktiven Objekten. „Ein unaufgeregter Markt mit keinen Top-, aber stabilen Renditen“, bringt sie es auf den Punkt. „Auch das ist in Zeiten wie diesen gefragt“. Doch für die internationalen Investoren sind kaum geeignete Objekte auf dem Markt. „Investoren sind auf der Suche nach Tickets im hohen zwei- oder gar dreistelligen Millionenbereich, davon haben wir nicht viele. Aber der Markt funktioniert“, so Bauernfeind.

Geltendes Mietrecht ein Hindernis

Anders hingegen sieht es im Wohnbereich aus. Zwar sieht man ab und zu internationale Investoren am Parkett, doch „… das geltende Mietrecht ist für viele Investoren sicher ein Hindernis“, wirft Roland Pichler, DWK (Die Wohnkompanie), in die Diskussion ein. „Kaum ein Österreicher kennt sich hier aus – wie soll das dann auch ein Manager eines ausländischen Fonds verstehen?“ „Kein Wunder, dass Buwog & Co. lieber in Deutschland als in Österreich bauen“, wirft Alexander Pavlovic, Facilitycomfort, ein.

Daran werde sich auch in den nächsten Jahren nichts ändern. Denn dass die amtierende Bundesregierung bis zum Ablauf der Regierungsperiode ein neues Mietrecht auf den Weg wird bringen können, daran glaubt kein Teilnehmer. „Ich sehe da keine Hoffnung“, so Pavlovic. Ein Punkt, in dem sich die Gruppe einig ist. Für Pichler sind auch die vielen, für ihn zu vielen, Mitspracherechte ein Problem: „Bauvorhaben werden dadurch massiv verlängert.“ „ … und die Bauvorhaben, die verwirklicht werden, sind für internationale Investoren zu klein“, wirft Bauernfeind ein. „Wirklich große, für internationale Investoren interessante Stadtentwicklungen finden kaum statt.“

Freunderlwirtschaft und Korruption

real-circle-no6-_-september-2016-_-021Alfred Czech, Corporate Trust, sieht auch in der besonderen Mentalität ein Problem, diese werde nach wie vor im Ausland oft missverstanden. „Die liebliche Reblaus-Mentalität wird mit Freunderlwirtschaft und Korruption gleichgesetzt.“ Zudem gehe man im Office-Bereich mit dem Thema Sicherheit viel zu lasch um. „Wir glauben noch immer, auf einer Insel der Seligen zu leben – das ist aber grundsätzlich falsch.“

Warten auf die nächste Ostphantasie

Dass der Immobilienstandort Österreich kaum vom BREXIT profitieren werde können, darin ist sich die Runde schnell einig. Österreich werde wohl auf die nächste „Ostphantasie“ warten müssen.

Beim Thema Umwelt denkt Christian Ofner, reamis, schon, dass Österreich eine gewisse Vorreiterrolle hat. Als Beispiel nennt er das Energieeffizienzgesetz. Thomas Zhanel, Loytec, ergänzt: „Wir sind schon Vorreiter bei gewissen Dingen, aber wir haben manchmal nicht die Konsequenz, es bis zum Schluss durchzuziehen!“ Besonders bei der Gebäudetechnik werde hier so manches Potenzial nicht ausgeschöpft. Hermann Kolar, Facilitycomfort, ist überzeugt, dass man nur dann das volle Einsparungspotenzial ausschöpfen kann, wenn man während des Betriebes auf die Nutzer eingeht. „Optimieren ist ja nicht ein Prozess, der in zwei Wochen abgeschlossen ist. Das geht über Monate und Jahre.“

„Wo Österreich auf jeden Fall eine Vorreiterrolle hat, ist die Bewusstseinsbildung“, hebt Kurt Kager, Siemens, hervor. „Es geht letztlich um einen Erfahrungsaustausch“, so Kolar. Auch digitale Information ist ein guter Ansatz, jedoch kann diese die Mensch-zu-Mensch-Kommunikation nicht ersetzen. Es ist wichtig, Leute mit Betriebserfahrung in die frühe Phase der Planung mit einzubinden, um Nachhaltigkeit zu erzielen. „Das Problem ist, es gibt zwischen Experten und Bauherren zu viele Ebenen“, zeigt Kager auf.

„Es hapert an der Umsetzung“, so Zhanel. „Dann braucht man sich nicht wundern, dass auch bei Neubauten viel Potenzial verloren geht.“ Dazu gibt es Interessenkonflikte. „Der Eigennutzer hat hier ein stärkeres Interesse, Energie zu sparen“, so Kolar. „Das ist natürlich bei einem Konzern etwas anderes. Hier sind die Kosten um einiges höher“, ergänzt Kager. Durch neue Arbeitswelten und Großraumbüros könne man beispielsweise Flächen einsparen. Dennoch gehe der Trend wieder hin zu einzelnen, kleineren Einheiten.

„Die neue Arbeitswelt mit flexiblen Arbeitsplätzen ist gescheitert – so gut wie – aber das Zusammenlegen mehrerer Standorte auf einen zentralen Campus macht schon Sinn“, fasst Call zusammen. Laut Zhanel könne man mit zwei Prozent der Baukosten 30 bis 40 Prozent der Funktionalität eines Gebäudes beeinflussen. Oft schrecken dann die Errichtungskosten ab, in dieser Momentaufnahme wird der Lebenszyklus nicht eingerechnet. „Es ist auch eine Sache des Gewöhnens und viele wollen das Gewohnte nicht verlassen.“

„Billig“ wird zu oft bevorzugt

Ofner spricht ein weiteres Problem an: „Irgendwann müssen wir uns Gedanken darüber machen, wie wir Dinge wieder entsorgen.“ Oft werden auch Materialen als umweltfreundlich empfunden, die in der Herstellung und bis sie am Bestimmungsort ankommen nicht mehr ganz so nachhaltig sind. Hier spielt auch der wirtschaftliche Faktor eine Rolle.

Ein Problem sei auch, dass „billig“ oft bevorzugt wird. „Wenn Produkte aus anderen Länder billiger sind, als einheimisch produzierte, dann hinkt das System“, erklärt Christian Call, Facilitycomfort. Auch wird Österreich mit der Schweiz verglichen, „wo Nachhaltigkeit stark gelebt wird“ – sowohl aus monetärer Motivation als auch aus Umweltbewusstsein. „Vielleicht sind die die Vorreiter“, so Kolar.