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Vorschusslorbeeren

Dass ein neu angelobter Bundeskanzler über Parteigrenzen hinweg gelobt wird, ist neu. Selbst der Koalitionspartner, sonst mit Sticheleien und verbalen Untergriffen nicht sparsam, hat sich ein Schweigegelübde auferlegt. Von kleinen Ausrutschern mal abgesehen.
Michael Neubauer

Dass ein neu angelobter Bundeskanzler über Parteigrenzen hinweg gelobt wird, ist neu. Selbst der Koalitionspartner, sonst mit Sticheleien und verbalen Untergriffen nicht sparsam, hat sich ein Schweigegelübde auferlegt. Von kleinen Ausrutschern mal abgesehen. Auch beim 145 Jahre ÖRAG Geburtstagsfest war Christian Kern eines der Hauptgesprächsthemen. So mancher der anwesenden Immobilienmanager gestand, sich die Antritts-Pressekonferenz des neuen Kanzlers angesehen zu haben. „Erfrischende Rhetorik“, „Endlich einmal keine Worthülsen und Stehsätze“, „Eine klare Ansage“, „Der weiß, was er will“, „Er hat recht, die Großparteien oder das was von ihnen noch über ist, haben eine letzte Chance“, „Ein Mann der Wirtschaft“, „Er ist auch kein richtiger Linker“. Keiner meiner Gesprächspartner findet ein negatives Wort. Aber reicht das? „So geht es nicht mehr. Wir brauchen einen neuen Deal“. Wie oft haben wir diesen Satz schon gehört – und kaum war der Satz verklungen, wurde weitergewurschtelt wie bisher. Die ÖVP in Wien hat dieses Spiel bis zur Perfektion betrieben, mit dem Resultat, dass sie kaum mehr wahrgenommen wird und nicht mehr und nicht weniger ist als eine halbwegs gut organisierte Bürgerbewegung. Auch wenn Kern für einen „New Deal“ stehen will – er wird an seinen Taten gemessen werden. Hier sei ein Blick in die USA erlaubt. Mit welchen Vorschusslorbeeren wurde Barack Obama bedacht. Auch er musste einsehen, dass es ohne Basis nicht geht – und wenn diese nicht mitspielt, ist es aus mit lustig. Heute scheint Kern die SPÖ-Basis hinter sich zu haben. Wenn Arbeiterkammer und ÖGB nicht mitspielen, kann es bald aus sein mit dem „New Deal“. Kern sollte bei den ehemaligen Bundesparteiobmännern nachfragen: Kaum einer, der nicht die Macht der Bünde und Landesfürsten zurückdrängen wollte. Die Ergebnisse sind bekannt. Die letzte von Landeshauptmann Erwin Pröll initiierte Personalrochade ist uns allen in Erinnerung. Die Immobilienbranche ist gespannt, ob der „New Deal“ auch die Diskussion über ein neues Mietrecht umfasst. Hier kann Christian Kern beweisen, ob die Vorschusslorbeeren gerechtfertigt sind, dass er ein Mann der Wirtschaft ist.