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Was einmal gesagt sein muss: Luther und seine Gegenspieler

Der Reformator Martin Luther wird nächstes Jahr umfassend gefeiert und als bekennender Anhänger der evangelischen Kirche ist es für mich wieder einmal Anlass, mich mit dem Leben von Luther und seinen Gedanken zu beschäftigen.
Philipp Kaufmann

Der Reformator Martin Luther wird nächstes Jahr umfassend gefeiert und als bekennender Anhänger der evangelischen Kirche ist es für mich wieder einmal Anlass, mich mit dem Leben von Luther und seinen Gedanken zu beschäftigen. In den letzten Wochen habe ich somit nicht nur über Luther gelesen, sondern auch über Johann Tetzel, seinen großen Widersacher. Wie so oft im Leben brauchen große Ideen einen Widerpart, einen Reibebaum und ich habe erkannt: Der Ablasshandel war zweifelsohne ein ökonomischer Geniestreich.

Am 31. Oktober vor nunmehr einem halben Jahrtausend hat Martin Luther 95 Thesen wider den Handel mit Ablassbriefen an die Tür der Schlosskirche in Wittenberg genagelt. Dieser Schritt war einschneidend und hat unsere Gesellschaft verändert. Alleine schon die Übersetzung der Bibel hat die deutsche Sprache mitgeprägt. Also werden große Feierlichkeiten stattfinden und zahlreiche Publikationen, wovon einige bereits erschienen sind, auf den Markt kommen. In den letzten Jahren wurde der „Luther-Dekade“ bereits mit dem 450. Todestag von Co-Reformator Philipp Melanchthon (2010) und dem 500. Geburtstag von Hieronymus Bosch (2015)gedacht. In den nächsten Monaten wird #Luther2017 im Zeichen von Studienfahrten und Essaywettbewerben, von Poetry-Slams oder Kantatenprojekten stehen. Es gibt Luther-Wege für Wanderlustige und natürlich auch ein offizielles Luther-Logo (für alle).

Ein Ketzer, der Böses dabei denkt. Wird an Luther nur deshalb so ausgiebig erinnert, weil er allein im Rückspiegel ein historischer Riese ist, nicht aber mit Blick auf Gegenwart und Zukunft? Bekanntlich war Luther ein glühender Antisemit und glaubte an Hexen, aber das ist längst noch nicht alles. Mit seiner an Augustinus anknüpfenden Lehre vom Gottesgnadentum zum Beispiel machte Luther auch den Renaissance-humanistischen emanzipierten „uomo universale“, der dank Erasmus und Pico della Mirandola soeben selbstbewusst sein Haupt erhoben hatte, wieder klein - und schickte die Menschheit zurück in die Ideenwelt des Mittelalters.

Ganz anders Papst Leo X., Markgraf Albrecht von Brandenburg und Johann Tetzel, gegen die Luther damals eiferte – drei kreative, innovative, unternehmerisch denkende Geister – zumindest aus Sicht eines Betriebswirten der Immobilienwirtschaft: Der kunstsinnige Medici-Papst Leo etwa musste, nachdem Michelangelo gerade die Sixtinische Kapelle ausgepinselt hatte, den Neubau der Peterskirche finanzieren. Er baute den (neuen) Vatikan und erdachte sich daher kurzerhand eine Holding-Struktur, erschloss sich jenseits der Alpen neue Märkte und lancierte mit der Hilfe von Augsburger Bankern kreative Finanzprodukte – nicht zuletzt, um den neuen Dombaumeister Raffael bezahlen zu können.

Gleichzeitig war Markgraf Albrecht mit der Führung des Bistums Magdeburg unterfordert, weshalb er die bürokratischen Fesseln des vormodernen Kirchenrechts (Verbot der Ämterhäufung) sprengte, entschlossen ins Rheinland expandierte und auch in Mainz die Geschäftsführung des päpstlichen Unternehmens übernahm.

Johann Tetzel schließlich war ein genialer Vertriebler, der den ehemals streng regulierten Ablasshandel in Eigeninitiative liberalisierte. Er erweiterte den Sündenkatalog, senkte die Zugangsschranken durch das Streichen von „Reue“ und „Buße“ und avancierte mit dem heute noch modern klingenden Slogan „Sobald das Geld im Kasten klingt, die Seele in den Himmel springt“ zu einer Art Gründervater des Marketings.

Für mich steht fest: Luther, den ich schätze und dem ich folge, brauchte drei Gegenspieler, die auf ihre Art Genies und vor allem Koryphäen der Betriebswirtschaft und des Marketings waren!