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Weniger Aufgeregtheit, weniger Schlagworte, mehr Wahrheit, mehr strategisches Denken

Führungswechsel. Per Anfang Dezember steht mit Peter Engert ein alter Hase der Immobilienwirtschaft als Geschäftsführer an der Spitze der ÖGNI.
Michael Neubauer

Führungswechsel. Per Anfang Dezember steht mit Peter Engert ein alter Hase der Immobilienwirtschaft als Geschäftsführer an der Spitze der ÖGNI.

Gratuliere zum ÖGNI Geschäftsführer. Was reizt Sie am neuen Job?

Peter Engert: Nachhaltigkeit begleitet mich schon die letzten 15 Jahre meines Berufslebens. Die Raiffeisen Leasing hat sich unter meiner Führung mit einem sehr engagierten Team an die Spitze nachhaltiger Entwicklung setzen können, weil sie sich nicht nur auf einen Bereich konzentriert hat, sondern viele Themen aufgegriffen hat: Windkraft, Photovoltaik, Biomasse, Elektro-Mobilität oder CSR-Berichterstattung. Durch die Beschäftigung mit diesen Themen konnte ich nicht nur ein gutes Überblickswissen über Nachhaltigkeit in den verschiedensten Branchen gewinnen, mir ist auch die Sinnhaftigkeit von Nachhaltigkeit in Richtung „Enkelgerechtigkeit“ bewusst geworden.

Die Herausforderung sehe ich in der Tätigkeit der ÖGNI: Präsenz zu zeigen, ohne zu schulmeistern; zum ständigen Nachdenken zu motivieren, ohne zu drängen; Konzepte als Einladung entwickeln, nicht als Vorgabe; ein Teil der österreichischen Immobilienwirtschaft zu sein, der so vorangeht, dass die anderen Teilnehmer folgen können und wollen.

Das ist der Reiz dieser Aufgabe, der mich sehr motiviert.

Wie werden Sie die Geschäftsführung im 7. Jahr des Bestehens anlegen?

Zuerst gilt es, Fuß zu fassen, Informationen einzuholen, Daten zu sammeln, für das eigene Verstehen zu ordnen, um auf einer fundierten Basis die anstehenden strategischen Entscheidungen für die Organe vorbereiten zu können. Die ÖGNI ist besonders mit Ihrem Gründungspräsidenten Philipp Kaufmann verbunden, der sie sehr unterstützt. Ich sehe eine meiner Aufgaben darin, alle Mitglieder einzuladen, im Rahmen ihrer Möglichkeiten der ÖGNI zu helfen ihre Aufgaben zu erfüllen. Ich freue mich darauf, wenn die operativen Tätigkeiten in einem geordneten Rahmen funktionieren, mich auf Konzeption, Lobbying und Verbreiterung der Mitgliederbasis zu konzentrieren.

Was ist als Geschäftsführer einer NGO anders als bei ihren bisherigen Aufgaben?

Es ist die Freiwilligkeit, die den Unterschied macht. Die Mitglieder der ÖGNI müssen Tag für Tag von der Sinnhaftigkeit ihrer Mitgliedschaft überzeugt werden. Es gilt, die eigenen Leistungen nicht nur nach außen, sondern auch nach innen zu verkaufen, Argumentarien zu schaffen und die eigenen Entscheidungen zu reflektieren. Übrigens steigt die Qualität von Entscheidungen, wenn sie nicht nur getroffen, sondern auch argumentiert werden müssen.

Was können wir in ersten 100 Tagen von der neuen Geschäftsführung erwarten?

Dass viele Fragen gestellt werden, dass die Sinnhaftigkeit von Abläufen diskutiert wird, dass viele Dinge arbeitsteiliger als bisher organisiert werden müssen, da ich die Geschäftsführung nicht als Vollzeitberuf ausführe, sondern auch weiterhin mit meiner Beratungsfirma CORSOR für Nachhaltigkeit engagiert bin.

[caption id="attachment_10140" align="alignright" width="310"]engert-mag-peter-corsor-gmbh-_-001 © cityfoto[/caption]

Wie lautet Ihre persönliche Definition von Nachhaltigkeit?

Nachhaltigkeit ist umfassendes Vor- und Nachdenken. Das ist sehr wichtig, da es keine Patentrezepte zur Nachhaltigkeit gibt. Jedes Unternehmen ist gefordert, eine eigene Nachhaltigkeitsstrategie zu finden, Abschreiben von anderen bringt nur selten Erfolg. Und es ist immer eine Strategie für das gesamte Unternehmen, die nicht aus Schlagworten besteht, sondern umfassend auf das ganze Unternehmen wirkt.

Vielleicht darf ich das mit einem Beispiel verdeutlichen: „Wir sind barrierefrei“ – toll, aber was sagt das aus? Eine valide Nachhaltigkeitsstrategie wäre wie folgt definiert:

„Wir grenzen niemanden aufgrund körperlicher Beeinträchtigungen aus. Daher sind wir barrierefrei, da uns Menschen mit körperlicher Beeinträchtigung sowohl als Mieter als auch als Mitarbeiter wichtig und wertvoll sind. Wir achten auf Barrierefreiheit bei unseren Projekten und in unseren Büroräumlichkeiten.“ Eine klare und verständliche Formulierung für z.B. die Nachhaltigkeitsstrategie einer Wohnbaugenossenschaft.

Und was nicht zu vergessen ist: Nachhaltigkeit muss sich für das Unternehmen rechnen. Nachhaltigkeit ohne betriebswirtschaftlichen Profit ist unnützer Tand, der rasch wieder in Vergessenheit geraten wird. Davon bin ich überzeugt.

Um die (zu) hohen Baukosten in den Griff zu bekommen, ist geplant, an den Normen zu drehen. Bleibt nachhaltiges Bauen auf der Strecke?

Nachhaltigkeit ist, wenn sie richtig aufgesetzt ist, immer erfolgreich, sowohl für den Bauherrn als auch für die Nutzer. Es ist widerlich, dass es auch im 21. Jahrhundert nur darum geht, in einer Momentaufnahme Kostenvorteile zu sichern, ohne das Projekt über seine Laufzeit zu betrachten. Es ist widerlich, Kaltmieten als Argumentation für politische Aussagen herzunehmen, wo es doch mittlerweile dem Dümmsten klar sein müsste, dass die Kosten für die Nutzung einer Immobilie nicht nur aus der Kaltmiete bestehen und die Betriebskosten mittlerweile einen nicht unbeträchtlichen Teil der Gesamtkosten ausmachen.

Aber wir werden nicht müde, diese Botschaften auch weiter hinauszutragen, und, wie heißt es so schön, steter Tropfen höhlt den Stein.  Nachhaltiges Bauen und Bewirtschaften wird nicht auf der Strecke bleiben.

Im gewerblichen Immobilienbereich sind Zertifizierungen längst angekommen. Im Wohnbereich sind Zertifizierungen noch die Ausnahme. Warum ist das so bzw. welche Aktivitäten sind geplant, um dies zu ändern?

Die ersten Versuche haben schon stattgefunden, die Resonanz war eher dürftig. Solange es nicht gelingt, die Wohnungsnutzer dazu zu motivieren, ein Zertifikat von den Bauherrn, Projektentwicklern, Baufirmen zu verlangen, sehe ich die Chance, Zertifizierungen auch auf den Wohnbau auszudehnen, eher gering, bzw. auf wenige Leuchtturmprojekte beschränkt.

Wir werden also weiterhin versuchen, den Konsumenten auf die Vorteile von Zertifizierungen hinzuweisen. Jedem Wohnungskäufer sollte klar sein, dass er mit einer Zertifizierung die Produktbeschreibung für sein Investment erhält, eine Dokumentation dessen, für das gerade viel Geld ausgegeben wurde. Eigentlich sollte das Interesse dafür leicht weckbar sein.

Welche organisatorischen Veränderungen sind geplant bzw. können wir erwarten?

Natürlich werde ich eine Diskussion über den Sitz der ÖGNI einleiten. Aus meiner Sicht sollte die ÖGNI dort sein, wo die Entscheidungen getroffen werden. Da ich aber auch anstrebe, arbeitsteilige Prozesse zu etablieren, bedeutet eine Sitzverlegung nicht unbedingt, dass auch alle Aufgaben mitwandern müssen. Im 21. Jahrhundert sollte es möglich sein, dank all der technischen Hilfsmittel gemeinsame Aufgaben unabhängig vom jeweiligen Aufenthaltsort gemeinsam zu erfüllen.

Insgesamt habe ich aber noch zu wenige Informationen, um hier fundierte strategische Aussagen treffen zu können.

Was wünschen Sie sich von 2017?

Weniger Aufgeregtheit, weniger Schlagworte, mehr Wahrheit, mehr strategisches Denken und keine nochmalige Wiederholung der Stichwahl zum Bundespräsidenten!