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Weniger Immo-Verbücherungen im ersten Halbjahr

Remax: Ein Minus von 10.372 Verbücherungen in den ersten sechs Monaten von 2024 bedeutet -17,8 % zum Vorjahr und -37,6 % zum Rekordjahr 2021
Patrick Baldia
Weniger Immo-Verbücherungen im ersten Halbjahr
Trotz überschaubarer bisheriger Marktzahlen, kann Bernhard Reikersdorfer, Managing Director von Remax Austria, die Talsohle am heimischen Immobilienmarkt ausmachen
© RE/MAX Austria/Christian Postl

Mit -17,8 % weniger Kaufakten ist das erste Halbjahr 2024 österreichweit noch deutlich im Minus, allerdings fehlten von 2022 auf 2023 sogar -21,6 %. Fast alle Bundesländer zeigen zweistellige Rückgänge. Niederösterreich liegt mit 9.740 Transaktionsseiten voran, auch wenn -2.124 oder -17,9 % zu 2023 fehlen. Wien verzeichnete mit Ende Juni 7.765 Verkäufe – um -1.530 weniger (-16,5 %) und schnappte der Steiermark den zweiten Platz wieder weg. 7.184 Immobilien reichten der Grünen Mark für Rang drei. Die -2.129 Objekte weniger als 2023 sind der absolut größte und prozentuell zweitgrößte Rückgang unter den Bundesländern. Oberösterreich büßte -1.800 Transaktionen ein und landete mit 6.624 (-21,4 %) auf Rang vier. Den Platz in der Mitte der Rangreihe übernimmt wieder Tirol – diesmal mit 4.567 Verkäufen, um -801 oder -14,9 % weniger als im Vorjahr.

Ausnahme Salzburg: Knapp am Turnaround

Auf Rang sechs findet sich Salzburg mit 3.597 Kaufakten, nur um -30 (-0,8 %) weniger als zuletzt. Dahinter Kärnten, das im Vorjahr noch einen Platz weiter vorne innehatte. Aber -1.136 Objekte Rückgang bei einer Verbücherungsmenge von 3.456 bedeuten -24,7 % und eben Platz sieben. Das Burgenland hat sich mit 2.804 Kaufakten relativ gut gehalten. Der Rückgang von -352 oder -11,2 % ist der zweitgeringste unter allen Bundesländern und bedeutet: das zweite Mal nach 2023 nicht das Schlusslicht. Vorarlberg kommt auf 2.086 Einheiten, -470 weniger als 2023 oder -18,4 %.

Mehr als ein Drittel unter dem Spitzenwert

Der Transaktionswert findet sich mit 13,37 Mrd. Euro zwischen den Jahren 2016 und 2017, auf jeden Fall aber um -19,4 % unter dem Vorjahr und um -38,5 % unter dem Umsatzrekord von 2022. Um -8,37 Mrd. Euro weniger wurden 2024 weniger Realitäten gehandelt als noch zwei Jahre zuvor.

Umsatz: Tirol überholt die Steiermark

Trotz der Rückgänge im ersten Halbjahr um insgesamt -19,4 % ist die Reihenfolge der Bundesländer im Umsatzranking beinahe unverändert: Wien liegt voran mit 3,64 Mrd. Euro Verbücherungswert und damit um -15,1 % hinter dem Vorjahr. Niederösterreich folgt mit 1,99 Mrd. Euro und einem deutlichen Rückgang (-25,8 %), der sich in Summe mit -695 Mio. Euro zu Buche schlägt, und Oberösterreich mit 1,66 Mrd. Euro (-19,7 %). Geringere Rückgänge bescheren Tirol eine Rangverbesserung: Vierter dank 1,58 Mrd. Euro (-15,8 %). Die Steiermark fällt mit 1,55 Mrd. Euro und -20,6 % auf Platz fünf zurück. Salzburg kommt auf 1,23 Mrd. Euro und den geringsten Wertrückgang, nämlich -13,8 %. Kärnten fehlt mit 712 Mio. Euro Umsatz ein Viertel auf das Vorjahr (-25,1 %). Vorarlberg beklagt den höchsten prozentuellen Umsatzrückgang, nämlich -28,4 % auf 651 Mio. Euro. Das Burgenland beendet den Reigen mit 353 Mio. Euro und -17,0 %.

Top-100-Verbücherungen verlieren um -7,0 % an Gesamtwert

Die Summe der 100 größten und teuersten Verbücherungen betrug im ersten Halbjahr 1,496 Mrd. Euro und somit um -7,0 % weniger als 2023. Die Veränderungen der letzten Jahre lagen bei +12 % von 2021 auf 2022, dann -18 % und heuer eben bei -7,0 %. Der Einbruch flacht ab, die Talsohle scheint erreicht. Um unter die Top-100 zu kommen, musste eine Immobilie im Jahr 2021 noch 8,4 Mio. Euro kosten, 2022 sogar 10,0 Mio. Euro (+19,0 %), 2023 jedoch nur mehr 7,8 Mio. Euro, also um -22,0 % weniger. 2024 ist dieser Grenzwert weiter, wenngleich schwächer gesunken, nämlich auf 7,0 Mio. Euro (-10,3 %).

Wohnimmobilien-Rückgang geht zurück

War im Vorjahr der Einbruch der Immobilientransaktionszahlen vor allem bei kreditfinanzierten Privatimmobilien festzumachen, so zeigt sich heuer ein differenzierteres Bild: Doppelhaushälften mit -14,2 % (2023/22: -34,3 %) und Reihenhäuser mit -13,4 % (-32,2 %) liegen weiter im Minus, aber der Rückgang bremst sich auf weniger als die Hälfte ein. Hausanteile kommen mit -15,2 % (-24,6 %) und Wohnungen mit -20,1 % (-23,8 %) langsamer zurück, aber der Abschwung verlangsamt sich auch hier.

Einfamilienhäuser knapp vor der Wende

Die separat verkauften PKW-Abstellplätze liegen mit -17,6 % (2023: -29,1 %) zwar weit unter der Vorjahresmenge, aber die Kurve wird auch hier deutlich flacher. Knapp vor dem Wendepunkt nach oben steht die Entwicklung der Einfamilienhäuser, nämlich bei -1,3 % (-16,0 %). Abgestürzt sind im ersten Halbjahr 2024 dagegen die Seegrundstücke mit -59,7 % (+6,9 %), und die Gebäude am See mit -57,9 % (+27,9 %), aber auch die Kleingärten mit -47,1 % (-7,5 %).

Noch weniger Grund zu(m) Bauen

Im Privatbereich ein wichtiger Wert sind die Grundstücksverkäufe, zu denen auch die Baugrundstücke gehören. Mit -22,2 % im ersten Halbjahr 2024 (-15,1 % im Vorjahr) liegen sie deutlich schlechter als 2023, was wiederum für die Baubranche im laufenden und nächsten Jahr wenig Gutes bedeuten wird.

Ein gutes Weinjahr

Im landwirtschaftlichen Bereich kommen die Zahlen wieder in Schwung: Landwirtschaften halbieren ihr Minus, -14,0 % (-34,7 %), Waldstücke legen gehörig zu: +5,9 % (+0,6 %) und Weingärten boomen förmlich mit +8,6 % (-4,5 %).

Lager statt Laden

Im Gewerbebereich und Investmentbereich fällt ein Rückgang der Verbücherungen im ersten Halbjahr 2024 bei den Zinshäusern um -40,3 % (-10,1 %) und Bürogebäuden um -44,3 % (+10,9 %) ins Auge. Büroflächen liegen zwar auch noch immer im Negativtrend, jedoch mit -16,2 % (-33,2 %), bei weitem nicht so stark wie die Bürogebäude. Mehrfamilienhäuser sehen mit -7,1 % (-45,3 %) beinahe wie strahlende Sieger aus, auch Gebäude mit nicht weiter definierter Nutzung haben sich gegenüber 2023 mit -14,2 % (-23,6 %) erheblich verbessert. Zur Entwicklung der Handelsflächen hat die Konzentration und der Onlinehandel seinen Teil beigetragen: Während der Handel mit den Geschäftslokalen des stationären Handels um -31,0 % (-7,7 %) wegbricht, nimmt die Transaktionszahl der Lagerflächen um +2,8 % (-23,1 %) zu.

Erklärungsmuster

Die Suche nach einem Muster – und damit nach einer Erklärung – ergibt kein valides Ergebnis: Weder West-Ost, noch Billig-Teuer, noch eine Einfamilienhaus-Wohnungs-Dominanz führt zu einer hinreichenden Übereinstimmung. Einzig der Kontrast Stadt-Land zeigt eine verblüffende Regelmäßigkeit:

Die Landeshauptstädte zeigen im ersten Halbjahr 2024 durchwegs eine schlechtere Entwicklung als ihr Bundesland, einzig Bregenz (Stadt samt Umland) ist um eine Spur positiver als Vorarlberg. In nackten Zahlen betrachtet sind die Immobilienverbücherungen in der Stadt Salzburg um -12,0 % im Jahresabstand gesunken, in der Bundeshauptstadt um -16,5 %, in Bregenz um -17,6 %. Eisenstadt inkl. Eisenstadt-Umgebung fehlt -21,1 % auf die Halbjahresmenge des Vorjahres, Innsbruck folgt mit -22,6 %, St. Pölten mit -28,0 % und Graz mit -32,2 %. Linz liegt sogar -44,0 % unter dem Vorjahrsniveau und Klagenfurt hat sich mit -47,3 % beinahe halbiert.

„In den größeren Städten kommen bei Wohnimmobilien die höheren Anschaffungspreise und der höhere Anteil an Bauträgerobjekten als in ländlichen Regionen zusammen, dazu die Entwicklung der Büroimmobilien und Zinshäuser. Diese Kombination ist im Moment besonders in den Landeshauptstädten oftmals eine Herausforderung“, meint Bernhard Reikersdorfer, MBA, Managing Director von Remax Austria.

Weltwirtschaft und Hausgemachtes

„Das überraschend schnell angestiegene Kreditzinsniveau, die Inflation, die allgemein ungewöhnlich krisenhafte Weltlage und die dadurch ausgelösten Ängste und nicht zuletzt die Verschärfung der Kreditvergaberichtlinien hatten spürbare Auswirkungen auf den Immobilienmarkt,“ erläutert Reikersdorfer.

Guter Wille und falsche Regelungen

„Die temporäre Gebührenbefreiung bei der Grundbuchseintragung, die sich viele Käufer bei ihrer ersten Wohnimmobilie sparen können, ist sicher ein positives Zeichen. Die Problematik, dass selbst junge Gutverdiener aufgrund der KIM-Verordnung keine Kredite bekommen, die sie sich nach ihrer Haushaltsrechnung aber locker leisten könnten, bleibt weiterhin bestehen und verschärft den Wettbewerb unter Käufern bei niedrigpreisigen Immobilien. Ob das sozial sinnvoll ist, darf angezweifelt werden. Darüber hinaus fehlt den Bauträgern und damit der gesamten Bauwirtschaft inklusive Baunebengewerbe genau diese Kundschaft im mittleren Preisdrittel“, resümiert Reikersdorfer.

Ohne mehr Risiko und ohne Mehrkosten Erleichterung möglich

„Eine positive Haushaltsrechnung und die strikte Einhaltung der 20 % Eigenkapitalquote sollten als Sicherheit für die Banken und die Volkswirtschaft ausreichen. Dagegen ist die maximal 40%ige Rückzahlungsquote vom Haushaltseinkommen nur ein Hindernis für ambitionierte Doppelverdiener. Sie zu streichen würde ohne zusätzliche Staatsausgaben und ohne zusätzliches Risiko den Immobilienerwerb erleichtern und die Wirtschaft erheblich beleben“, so Reikersdorfer weiter.

Auch Immobilienfinanzierungen weiter rückläufig

Der spürbare Rückgang im 1. Halbjahr bei Grundbuchseintragungen geht Hand in Hand mit den Immobilienfinanzierungen. Durch den starken Rückgang bei Kredit-Neufinanzierungen und aufgrund von vermehrten Sondertilgungen schrumpfte laut OeNB auch das Gesamtvolumen an Hypothekarkrediten, nämlich um -1,6 % zu 2023 und um -4,0 % zu 2022 auf 130 Mrd. Euro – anstatt inflationsbedingt wie in der Vergangenheit zu steigen. „Für viele Kaufinteressenten war es aufgrund der Kombination mehrerer Hindernisse, bestehend aus hohen Zinsen, restriktiven regulatorischen Vorgaben wie der KIM-V und den hohen Preisen sehr herausfordernd, einen passenden Kredit zu bekommen“, so Manuel Tauchner, Geschäftsführer der Realfinanz, einer der größten unabhängigen Kreditvermittler Österreichs.

Kreditsituation entspannt sich etwas

„Die jüngsten Entwicklungen stimmen jedoch positiv. Im Juni 2024 hat die EZB erstmalig die Leitzinsen um -0,25 % gesenkt, im September ist eine nächste Rücknahme zu erwarten. Diese Maßnahme entspannt variable Kreditraten. Im Bereich der Fixzinsangebote sind diese und weitere Zinsrückgänge bereits eingepreist. Damit sind je nach Zinsbindung und Bonität Fixzinsvereinbarungen bereits wieder ab 3 % erhältlich“, so Tauchner. „Auch die ‚höheren‘ Lohnabschlüsse erleichtern über das angepasste Einkommen die Kreditvergabe. Dennoch ist für die Finanzierung die passende Produkt- und Bankauswahl entscheidend, da es zwischen den Banken bei der Preis- und Risikopolitik große Unterschiede gibt.“

Zukunftshoffnung

Auch wenn die bisherigen Immobilienmarktzahlen noch überschaubar sind, so lässt sich die Talsohle festmachen: Beim Marktführer Remax gehen die Anfragen auf der Website deutlich nach oben und das Grundbuch meldet im Juli und im August mehr Anträge auf Verbücherungen als 2023: Im Juli ein Plus von 10,3 % und im hitzegeplagten August immerhin noch eines von 1,0 %. Das wird sich in den Verbücherungszahlen der Folgemonate entsprechend positiv auswirken.