Im Rahmen der Wiener Immobilienmesse hat der ImmoFokus eine Umfrage gemacht mit dem Motto: „Worauf würden Sie in ihrem Wohnumfeld verzichten, wenn dafür die Miete günstiger wird?“ Auf der einen Seite wurden Umfragen, die es zu diesem Thema gibt, bestätigt, auf der anderen Seite gab es sehr interessante neue Aspekte bezüglich „Wohnen & Verzicht.“ Allerdings muss man dazu sagen, dass prinzipiell jüngere Besucher der Messe befragt wurden. Die Älteren, so hat eine Studie von immowelt.at ergeben, sind grundsätzlich zufriedener. Die Antworten, die wir erhielten, waren vielfältig und interessanterweise betrafen sie oftmals gar nicht die Miete.
Prinzipiell ließ sich bei der Befragung von rund 50 Personen feststellen, dass die Wohnzufriedenheit der Österreicher sehr hoch ist. Hohe Wohnzufriedenheit breiter Bevölkerungsschichten ist eines der wichtigsten Ziele der Wohnungspolitik und im weiteren Sinne auch der sozialen Ausgewogenheit. „Passt alles!“, war zumeist die Antwort auf die Frage, ob man auf etwas verzichten würde, wenn dafür die Miete geringer wäre. Das Preis-Leistungs-Verhältnis wurde von sehr vielen Befragten als „in Ordnung“ bezeichnet und Michael Pisecky, Geschäftsführer der sReal und Fachverbandsobmann in Wien, bestätigt dies: „Manche müssen vielleicht in kleinere Wohnungen oder günstigere Lagen gehen, aber aus meiner Erfahrung haben im Prinzip sehr viele das, was sie wollen.“ Eine EU Studie über die Wohnzufriedenheit der Österreicher gibt dieser Aussage auch Recht. Auf einer sechsstufigen Zufriedenheitsskala erreichte Österreich den Wert 5,1, was laut Studie besagt, dass die heimischen Haushalte mit ihrer aktuellen Wohnsituation im Durchschnitt „ziemlich zufrieden“ sind.
[caption id="attachment_635" align="alignleft" width="300"] © Fotolia / sframe[/caption]Aber worauf wären die Mieter bereit zu verzichten? Naheliegend ist die Wohnungsgröße - also auf Quadratmeter verzichten, wenn die Wohnung beziehungsweise die Miete dadurch günstiger wird. Fehlanzeige. Offensichtlich haben viele der Mieter dies bereits eingepreist. Quadratmeter sind nicht so wichtig wie eine gut geschnittene Wohnung und die Anzahl der Zimmer. Isabella Zyla vom Maklerunternehmen „Wohn3“ fasst ihre Erfahrungen zusammen: „Wenn sie eine gewisse Anzahl an Zimmern brauchen, dann können und wollen die Mieter darauf nicht verzichten.“ Tatsächlich wären die Befragten – wenn überhaupt – eher bereit den einen oder anderen Quadratmeter aufzugeben „wenn die Wohnung gut aufgeteilt ist.“
„Der Waschkeller“, sagte eine Frau: „Ich habe eine eigene Waschmaschine, aber ich muss die Betriebskosten für diese Räumlichkeiten mitbezahlen.“ Überhaupt war für viele weniger die Miete ein Thema, sondern vor allem die Betriebskosten. Kein Wunder, sind diese doch in den letzten Jahren im Vergleich zu den Mieten weitaus stärker gestiegen. „Wenn man das Reinigen des Stiegenhauses und das Pflegen des Gartens selbst übernehmen könnte, dann würden sich die Betriebskosten reduzieren“, schlug eine Mutter mit Kind vor: „Für die Gartenpflege kommt nämlich immer ein eigenes Unternehmen ins Haus.“ Es würde auch den Gemeinschaftssinn im Haus fördern „aber die Frage ist immer, ob auch alle mitmachen.“ Im Zuge dieser Frage entwickelte sich die Diskussion, ob nicht diejenigen, die im Haus gewisse Tätigkeiten für die Hausgemeinschaft übernehmen, auch gewisse Begünstigungen haben könnten – in Form einer Reduktion oder Rückzahlung eines Teiles der Betriebskosten.
„Eine Sauna im Haus brauche ich nicht und auch kein Schwimmbad auf dem Dach“, antwortete ein Paar: „Fitnessraum müssen wir auch nicht haben.“ Diese „Goodies“ schlagen extrem auf die monatlichen Kosten und diese Aussage entspricht einer gesellschaftlichen Veränderung, die eher die Jugend betrifft: Das Nutzen von anderen Räumen, die außerhalb des Hauses sind, gewinnt an Bedeutung. „Die Räume müssen nicht alle am gleichen Ort sein, sie müssen nur nutzbar sein“, so Harry Gatterer, Geschäftsführer des Zukunftsinstituts, vor kurzem in einem Vortrag: „Damit verändert sich der Haushalt an sich. In urbanen Räumen ist diese Entwicklung schon sehr signifikant.“ So wird zum Beispiel auch das Fitnesscenter als nutzbarer Raum verstanden, der in gewisser Weise zum Haushalt dazugehört – auch wenn er sich nicht im Haus befindet. Für junge Menschen gar keine Frage: Ein Teil des Haushaltes, der sich nicht im Haus befindet und für den auch keine monatlichen Betriebskosten anfallen. Genutzt werden Sauna, Schwimmbad oder Fitnesscenter, wenn man will, und nicht weil man muss, um die Kosten „einzuspielen“.
[caption id="attachment_636" align="alignright" width="300"] © Fotolia / Jürgen Fälchle[/caption]Der Begriff Haushalt wird immer weiter gefasst, da auch immer mehr Orte außerhalb des Wohnraums miteinbezogen werden. „Die Menschen beginnen sich ihre Wohnräume auch neu zu strukturieren“, erklärte Gatterer. Dinge, die man früher zu Hause hatte, werden jetzt in einen halb öffentlichen Raum ausgelagert. Anbieter von Lagerräumen wie das Unternehmen „MyPlace“ freuen sich über diese Entwicklung. „Dann lieber nur ein kleines Kellerabteil, den Rest kann ich ohnehin auslagern“, meinte ein Befragter. Ob denn so eine gemietete Lagerfläche zum Haushaltsbudget gerechnet wird, gab eine interessante Zweiteilung. Die kleinen angemieteten Flächen ja, weil sie ja faktisch den Keller „ersetzen“, ab einer gewissen Größe nicht mehr. „Einen Keller mit 20 Quadratmetern könnte ich in meinem Haus ohnehin nicht bekommen, also ist die Variante mit dem SelfStorage die bessere.“ Ohne Lift geht‘s auch
Interessant war auch folgende Aussage: „Wir sind jung und wohnen im dritten Stock. Ich brauche keinen Lift. Auf den könnte ich sehr gut verzichten.“ Wie sich dieser Aspekt auf die anderen Hausparteien auswirken würde, sei dahingestellt, denn irgendwie müssen die Betriebskosten für den Lift ja aufgeteilt werden. Dieser Zugang zeigt aber, dass Bequemlichkeit nicht alles ist.
„Auf die Nähe zur Stadt könnte ich verzichten und ich nehme an, dass damit die Mieten auch geringer wären“, meinte ein freiberuflicher Werbegrafiker. Da seine Frau aber einen fixen Arbeitsplatz bei der Gemeinde Wien hat, ist ein Umzug in eine Randlage derzeit keine Option. Aber die „neue“ Form des Arbeitens, nämlich per Computer und Internet, zeigt einmal mehr, wie junge Menschen mit der Technik die Arbeits- und Wohnwelt umgestalten.
Ein Klassiker unter den jungen Menschen: der Stellplatz für das Auto. Wer einen hat, der kann problemlos darauf verzichten, da auch die Autonutzer immer weniger werden, aber die meisten haben sich ohnehin bereits eine Wohnung gesucht, bei der dieser „unnötige Kostenfresser“, wie es ein „Car-Sharer“ ausdrückte, ohnehin kein Thema ist. Auf ein Bad mit Fenster würde gegebenenfalls auch verzichtet, wenn die Miete günstiger wird. Auch eine schlechter ausgestattete Küche würde aus dem gleichen Grund in Kauf – besser in Miete – genommen.
Auch auf Nachfrage war aber faktisch niemand bereit, auf Balkon oder Terrasse zu verzichten. „Sich aus der Wohnung hinauszubewegen, ohne diese aber verlassen zu müssen“ trifft den Punkt sehr genau. Insofern sieht man auch, dass die Wiener Bauordnung, die ja seit Sommer 2014 den Anbau von Balkonen erleichtert, in die richtige Richtung geht. Gewisse „Goodies“ sind eben unverzichtbar.
Zu guter Letzt gab es auch Mieter, die mehr zahlen würden: „Ich bin vor sechs Monaten in meine neue Wohnung eingezogen“, erklärte ein Werbefachmann: „Es ist die schönste Wohnung, die ich je hatte,und ich bin bereit, das zu zahlen, was ich zahle. Das Konzept passt.“ Er wäre sogar, meinte er im Verlaufe des Gespräches „bereit gewesen, bei der alten Wohnung mehr zu bezahlen, wenn die Fenster dafür in einem besseren Zustand gewesen wären.“
"Im Prinzip haben sehr viele das, was sie wollen." - Michael Pisecky, Geschäftsführer der sReal und Fachverbandsobmann Wien
"Die Menschen beginnen sich ihre Wohnräume auch neu zu strukturieren." - Harry Gatterer, Geschäftsführer des Zukunftsinstituts