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Wenn der Vater mit dem Sohne…

Familienbetriebe gibt es in Österreich genug. Glaubt man einschlägigen Studien, wollen immer weniger Söhne und Töchter die Nachfolge ihrer Eltern antreten. Rechtzeitige Planung und pragmatische Überlegungen können da helfen.
Thomas Malloth
Thomas Malloth

Übergabe. Familienbetriebe gibt es in Österreich genug. Glaubt man einschlägigen Studien, wollen immer weniger Söhne und Töchter die Nachfolge ihrer Eltern antreten. Rechtzeitige Planung und pragmatische Überlegungen können da helfen.

Österreich ist ein Land der Familienunternehmen: Insgesamt sind rund 80 Prozent der heimischen Betriebe in Familienbesitz, die wiederum etwa 70 Prozent aller Arbeitnehmer beschäftigen. Das sind die Ergebnisse einer Studie der Beratungsorganisation EY aus dem Jahr 2015. Ob sich in wenigen Jahren dieses Verhältnis drastisch verändern wird, bleibt offen. Klar ist jedoch, heißt es in der Studie weiter, dass es für viele Familienunternehmen hinsichtlich der Firmennachfolge zunehmend schwieriger wird. Denn: Die Mehrheit der potenziellen Nachfolger aus Unternehmerfamilien will lieber Karriere außerhalb des eigenen Betriebs machen. Nicht einmal jeder hundertste potenzielle Nachfolger (0,9 Prozent) will direkt nach dem Abschluss in den Familienbetrieb eintreten. Damit gehört Österreich weltweit zu den Schlusslichtern.

Ambitionierte Nachfolger

Ganz anders lief es da schon im Betrieb der Familie Muzikant. Georg Muzikant, Geschäftsführer der Colliers International Immobilienmakler GmbH, kann sich an eine gute Übergabephase erinnern: „Bei uns lief es ausgezeichnet. Mein Vater hat mir sehr früh vertraut und mich auch meine eigenen Fehler machen lassen – aus denen ich gelernt habe.“ Freilich müssen Verhaltensparameter beachtet werden – von beiden Seiten, ist Muzikant junior überzeugt: „Damit eine Übergabe gut funktioniert, müssen die Eltern selbstbewusst genug sein, um sich auch wirklich aus dem Geschäft zurückzuziehen. Gleichzeitig müssen die Nachfolger aber genug am Kasten haben, damit die Eltern das Geschäft auch guten Gewissens übergeben können. Bei uns hat das wirklich reibungslos funktioniert.“ Für Georg Muzikant war dabei schon früh klar, „dass ich in der Branche lande.“ Aber es bestand durchaus die Chance, dass er in den USA bleiben würde nach seinem Studium: „Ich bin aus anderen Gründen nach Wien zurückgekehrt und habe mich sehr gefreut, dass es wesentlich besser funktioniert hat in der Firma, als ich mir hätte träumen lassen.“ Die Eltern hätten aber auch nie Druck gemacht, „in eine bestimmte Richtung zu gehen“. Seine eigene Nachfolge hat Muzikant noch nicht geplant („Mit 35 wäre das etwas merkwürdig.“). Man könne sich als Vater, der ein Unternehmen aufgebaut oder geführt hat, nur erhoffen, dass er es zu einem späteren Zeitpunkt seinen Kindern übergeben kann. Denn die Chancen stehen – zumindest laut EY-Studie – eher schlecht. Aber Muzikant nennt auch andere Gründe: „Sollten die Unternehmen noch mehr belastet werden in Österreich, bin ich nicht sicher, ob es in 20 Jahren noch einen Zeitungsartikel wie diesen geben wird, da der Begriff ‚Familienunternehmen‘ ausgestorben sein wird.“

Freie Wahl

Auch Robert Wegerer hat den Eintritt ins Familienunternehmen gut in Erinnerung. Der Geschäftsführer der Immobiliengruppe Rustler ist der Schwiegersohn von Peter Rustler, Sohn von Firmengründerin Frieda Rustler. „Es gab einen Vertrag, der die Übergabe regelte, es ist problemlos und unkompliziert gegangen. Und Herr Rustler arbeitet ja noch immer mit.“ Für Wegerer ist – sollte es einmal bei ihm „so weit sein“ – vor allem eines wichtig: „Klarheit. Denn ich brauche irgendwann jemanden, der alles übernimmt.“ Dabei wurden die eigenen Kinder nicht im Sinne einer Unternehmenskultur erzogen, wiewohl man selbstverständlich zu Hause über das, was man tagein tagaus tut, geredet hat, erzählt Wegerer: „Dann versucht man eventuell abzuschätzen, ob das Geschäft die eigenen Kinder interessiert.“ Aber wenn das nicht so ist, sei das auch kein Problem, denn: „Meine Kinder sind schon erwachsen und gehen ihrer eigenen Berufstätigkeit nach. Aber wer weiß, was in ein paar Jahren sein wird. Im Unternehmen haben wir zwar eine 10-Jahres-Planung, aber alles, was darüber hinausgeht, ist nicht abzuschätzen.“

Externe Beratung

Frühzeitiges Auseinandersetzen zwischen Gründern und möglichen Nachfolgern gab es auch im Hause Reikersdorfer, wie RE/MAX Austria-Chef Bernhard Reikersdorfer erzählt: „Meine Eltern haben sich sehr früh mit der Übergabe beschäftigt und von Beginn an alle Kinder einbezogen. Ebenfalls sehr hilfreich bei der Übergabe war die Zusammenarbeit mit einem Berater unseres Vertrauens und eine offene Kommunikationspolitik. So konnte für alle Beteiligten eine klare, saubere und faire Lösung gefunden werden.“ Die Familie ist zu gleichen Teilen Eigentümer des Unternehmens: „Mein Bruder und ich verantworten für unsere Gesellschaften die Geschäftsführung und auch meine Schwester ist – wie viele weitere Familienmitglieder – im Unternehmen tätig. Ein ganz entscheidender Faktor, ob eine Unternehmensübergabe funktioniert, sind die betroffenen Personen, also Übergeber und Übernehmer selbst. Wir sind alle sehr empathisch.“ Daraus resultieren vor allem gegenseitiger Respekt und Verständnis, ist Reikersdorfer überzeugt: „Diese Fähigkeit hilft uns allen enorm. Wir wissen, dass wir mit jedem über alles reden können und immer eine gemeinsame Lösung finden werden.“ Für Bernhard Reikersdorfer war dabei schon in jungen Jahren klar, dass er ins Unternehmen einsteigen würde. „Wäre meine Berufswahl anders ausgefallen, hätte ich mit hundertprozentiger Sicherheit die volle Unterstützung meiner Eltern gehabt. Die Tätigkeit, die man ausübt, muss Spaß machen – es wäre ein großer Fehler, nur den Eltern zuliebe ein Unternehmen zu übernehmen.“ Seine Nachfolgeregelung würde er ebenfalls rechtzeitig – mit all jenen Personen, die davon betroffen wären – gemeinsam planen. Die wichtigste Frage, die Bernhard Reikersdorfer für Familienunternehmen in Zukunft sieht, lautet: „Wer soll das Unternehmen übernehmen? Weiters die wirtschaftliche Auseinandersetzung mit den Kindern, die nicht übernehmen wollen oder können bzw. was passiert, wenn einer der Gesellschafter ausscheidet, sowie die Regelung von Aufgriffsrechten.“

Von ‚alten Hasen‘ lernen

In erfolgreiche Fußstapfen ist auch Maklerin und Verwalterin Ulrike Höreth getreten. Seit Mitte 2014 leitet sie das Immobilienunternehmen Brezina-Real. Als es so weit war, das Familienruder zu übernehmen, holte man sich zur Unterstützung einen externen Berater: „Mit ihm haben wir unsere jeweiligen Erwartungshaltungen schriftlich festgehalten. Dies hat mir sehr geholfen, mein persönliches Ziel als neue Firmeninhaberin klar zu definieren und zu positionieren.“ Mögliche zukünftige Missverständnisse wurden somit gleich ausgeräumt, ist Höreth überzeugt: „Eine Firmenübergabe zwischen Menschen, die einander so nahestehen, muss genauso gewissenhaft abgehandelt werden wie zwischen Fremden. Das ermöglicht, den Respekt und das Vertrauen zueinander zu erhalten.“ Für die Nachfolgesituation bei Brezina-Real war eines immer klar: „Ab dem Zeitpunkt der Firmenübergabe an mich würde meine Mutter das ‚Chefin-Dasein‘ zurücklegen. Damit gab es von Anfang an klare Spielregeln.“ Freilich, erinnert sich Höreth, war sie aber „sehr dankbar“, dass die Mutter im ersten Jahr als Beraterin im Hintergrund zur Verfügung stand: „Ich glaube, ich kann in unser beider Namen sagen, wir würden es wieder so machen. Heute kann ich mich glücklich schätzen, dass ich auf diesem starken Fundament aufbauen konnte.“ Der Weg in die Immo-Branche war dabei nicht so selbstverständlich, denkt Höreth an ihren einstigen Traumberuf Meeresbiologin: „Ich bin mit der Immobilienbranche aufgewachsen, doch wollte ich immer meinen eigenen Weg gehen und nicht gleich dieses ‚Geschenk‘ annehmen. Mein Werdegang führte mich in die Werbung und von meinem Studium Kommunikationswirtschaft war es nur noch ein Katzensprung in die Immobilienbranche.“ Denn, so Höreth weiter, was gebe es Schöneres, als seine eigene Dienstleistung zu vermarkten: „Heute schwimme ich nicht mit Delphinen um die Wette, sondern bringe Transparenz in den Immobiliendschungel.“ Ein Geheimrezept, wie die eigene Nachfolge einmal ablaufen soll, gibt es nicht, erzählt die Firmenchefin: „Ich kann nur aus meiner Erfahrung sagen, wäre ich gedrängt worden, würde ich heute hier nicht sitzen. Und meine Mutter ist stolz und glücklich, dass der Betrieb in der Familie bleibt.“ Höreth weiß auch, worauf es in Zukunft ankommen wird: „Ich denke, die größte Herausforderung besteht in der Branche selbst: Schaffen wir es in den nächsten Jahren, ausreichend Transparenz in unsere Dienstleistung zu bringen und somit die Wertschätzung und Anerkennung zu schärfen? Gelingt es der ‚neuen Generation‘ in Zusammenarbeit mit den ‚erfahrenen Hasen‘, der Immobilienwirtschaft ein gemeinsames Netzwerk zu schaffen, auf dem Nachfolger aufbauen können und Anschluss finden?“

Kein Geheimrezept

Dass es immer so reibungslos bei Unternehmensübergaben innerhalb der Familie abläuft, kann Claudia Melchert-Strohmaier nicht bestätigen. Die Sprecherin der Unternehmensberater der Fachgruppe UBIT sowie Inhaberin der Unternehmensberatung cms consulting, stellt gleich vorweg klar: „Ein Rezept für friktionsfreie Unternehmensnachfolge im Familienbetrieb kenne ich nicht. Als die schwierigste Prüfung für ein Familienunternehmen gilt der Wechsel der Generationen.“ Die enge Verflechtung von Familie und Unternehmen kennzeichnen diesen Unternehmenstyp, das Verhalten einzelner Familienmitglieder hat Einfluss auf den Übergabeprozess im Familienunternehmen, weiß Melchert-Strohmaier: „Die Verflechtung von Familie und Unternehmen ist derart eng, dass die Familienkultur regelmäßig die Unternehmenskultur beeinflusst und umgekehrt.“

Auch Yann-Georg Hansa, Family Business-Experte bei KPMG, bestätigt, dass die Familie und deren Funktionsfähigkeit eine Grundvoraussetzung für den Erfolg ist: „Gelingt der Generationenwechsel nicht bzw. entsteht innerhalb der Familie ein Streit, hat dies negative Auswirkungen auf das Familienunternehmen.“ Der typische Familienunternehmer denkt jedoch langfristig: Er muss den Ausgleich zwischen den unterschiedlichen Familienmitgliedern schaffen. Generell gilt: Je früher man über die Übergabe an die nächste Generation nachdenkt, desto besser, weiß Hansa: „Konkrete Überlegungen ergeben sich dann, wenn sich herauskristallisiert, wer, wann und wie übernehmen könnte. Anschließend startet der eigentliche Denkprozess, in dem herausgearbeitet wird, unter welchen persönlichen, rechtlichen und steuerlichen Bedingungen eine Nachfolge durchgeführt wird.“

Emotion schwingt mit

Trotz aller pragmatischer Betrachtung darf jedoch ein wesentlicher Aspekt bei Firmenübergaben nicht außer Acht gelassen werden: die Emotion. UBIT-Sprecherin Melchert-Strohmaier: „Je kleiner die Unternehmen sind, desto stärker ist die Nachfolge und die Erfolgswahrscheinlichkeit der Nachfolge von den persönlichen Beziehungen und Befindlichkeiten abhängig.“ Gründer haben eine sehr starke emotionale Bindung zu „ihrem“ Unternehmen. Diese enge Beziehung zum Lebenswerk muss verstanden werden, sie haben „alles“ für den Aufbau des Unternehmens eingesetzt und trennen sich schwer von der Führung, weiß Melchert-Strohmaier. Dass dadurch aber auch der Untergang des Unternehmens unbewusst mitverursacht werden kann, wird freilich nicht erkannt. Für die Nachfolger, so sie überhaupt willens sind, sei damit der Weg versperrt: „Die nächste Generation erhält keine oder eine zu eingeschränkte Chance, ihre möglicherweise konträren Vorstellungen von Unternehmensführung umzusetzen. So gehen 50 bis 70 Prozent der Unternehmensnachfolgen innerhalb der Familie schief, sie schaffen den Übergang in die zweite Generation nicht.“

Mangelhafte zeitliche und inhaltliche Planung sowie Konzeption der Übergabe durch den abtretenden Unternehmer sind auch für Gottfried Spitzer, Partner bei Deloitte Österreich, die häufigsten Ursachen des Scheiterns. Freilich komme es oft auch wegen der Nichtbeachtung von rechtlichen und steuerlichen Belangen zu Problemen, weiß Spitzer: „Beispiele hierfür sind unstimmige Testamente, Gesellschaftsverträge oder Ehe- und Erbverträge. Auch eine nur steueroptimierte Nachfolgelösung führt oft zu unüberbrückbaren Schwierigkeiten, die die Nachfolge scheitern lassen und den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens negativ beeinflussen. Bei der Nachfolgeregelung sollte immer der Blick für das Ganze gewahrt bleiben.“

Kein Nachfolger in Sicht

Was tun, wenn sich der Nachwuchs dennoch nicht zur Firmenübernahme hinreißen lassen will? KPMG-Experte Hansa: „Eine Denkvariante ist, externe Manager als Geschäftsführer einzusetzen und die Rolle der Familie auf einen Aufsichtsrat oder Beirat zu beschränken. Stiftungen eignen sich, um sicherzustellen, dass das Unternehmen als Ganzes bestehen bleibt.“ Da jedoch die steuerlichen Anreize Geschichte sind, gibt es meist andere und bessere Lösungen wie z.B. Familienverfassungen oder Syndikatsverträge. „Außerdem muss auch dabei ein Familienmitglied gefunden werden, das die Interessen der Familie vertritt. Erst, wenn das nicht gelingt, wird die Option eines Verkaufs in Betracht gezogen“, so Hansa. Unternehmensberaterin Melchert-Strohmaier sieht ähnliche Alternativen: „Für kleine Unternehmen könnte eine Rechtsformänderung in eine GmbH mit Einsatz von Fremdgesellschaftern ideal sein. Also Eigentum am Unternehmen und Unternehmensführung trennen. Oder das Unternehmen an einen Dritten veräußern. Auch bei der Veräußerung an einen Dritten ist Zeit ein wichtiger Faktor. Je früher klar ist, es gibt familienintern keine NachfolgerIn, desto besser kann auf den Unternehmensverkauf vorbereitet werden.“