Egal welche Vorhersagen letztlich eintreffen, Patrick Penn, Geschäftsführer von docunite ist der Meinung: „Wir sollten aufhören, KI zu belächeln oder uns davor zu fürchten. Jetzt müssen wir der Branche dabei helfen, enttäuschte Erwartungshaltungen neu zu justieren, um das konkrete Potenzial durch ChatGPT und seine Weiterentwicklungen zu nutzen.“ Für die Immobilienbranche - wie für viele andere - ist das Ausmaß der Auswirkungen noch gar nicht absehbar. Doch der aktuelle technologische Sprung kann der Immobilienbranche mehr helfen als schaden. Voraussetzungen: der Wille zu Innovation und eine ehrliche Erwartungshaltung.
Wenn es um die Entwicklung künstlicher Intelligenz geht, geht Patrick Penn ganz offen mit der Branche – und sich selbst – ins Gericht: „Das Niveau, das ChatGPT erreicht hat, kann viele Geschäftsmodelle von heute auf morgen drastisch verändern. Die klassische Funktion von Datenräumen könnte beispielsweise bedeutungslos werden, wenn alle Dokumente zentral an einer Stelle strukturiert sind. Liegen alle Informationen aus Dokumenten in einem Modell vor, können Fragen mit einem Chatbot wie Siri qualifiziert und in natürlicher Sprache beantwortet werden, beispielsweise im Zuge einer Transaktion. Es ist nur eine kurze Validierung der Antworten nötig. Unser Produkt – ein Dokumentenmanagementsystem – müsste eigentlich umbenannt werden in Knowledge Management System.“
Wer bisher in künstliche Intelligenz investiert hat, sieht sich plötzlich überholt
Herausfordernd wird die Evolution von GPT laut Penn vor allem für diejenigen Proptechs, die jahrelang vermehrt in ihre eigene künstliche Intelligenz investiert haben. Denn sie sehen sich plötzlich von globalen Lösungen bedroht und könnten Gefahr laufen, einen USP zu verlieren, da OpenAI ungleich mehr Daten zur Verfügung steht. Zudem kann ChatGPT in allen wichtigen globalen Sprachen branchenübergreifend operieren – vor allem für international agierende Immobilienunternehmen ein Muss, um sich konzernweit digital aufzustellen und Wissen standortübergreifend zu teilen. Mit docunite arbeitet Penn deshalb jetzt schon daran, die Technologie von OpenAI in das eigene Produkt zu integrieren und die KI „NEO“ in Verbindung mit den bereits vorliegenden Daten zu kombinieren. Dabei hat Datensicherheit auch weiterhin oberste Priorität für Penn: „Bei all dem Hype um das scheinbar selbstlernende Programm dürfen wir nicht vergessen, dass GPT seine ‘Intelligenz’ aus Unmengen von Daten zieht. Um im Immobilienalltag nützlich zu sein, schützen wir Unternehmensdaten, indem wir die KI als geschlossenes System in Microsoft Azure arbeiten lassen.”
Grundlagen für den erfolgreichen Einsatz von ChatGPT
Künstliche Intelligenz kann nur dann sein volles Potenzial entfalten, wenn ausreichend Daten in hoher Qualität zur Verfügung stehen. Immobilienunternehmen sollten daher in den Aufbau einer soliden Dateninfrastruktur investieren, um die KI-gestützte Analyse von Markt-, Objekt- und Kundeninformationen zu ermöglichen. Dazu zählt auch eine hochwertige Datengrundlage, für die Daten regelmäßig überprüft und aktualisiert werden müssen. Externe Datenquellen sollten zudem eingebunden und konsolidiert werden, um die Wissensbasis zu erweitern. Die Implementierung einer KI-Lösung sollte Hand in Hand gehen mit der Optimierung von Geschäftsprozessen und dem Aufbau von Wissen und Erfahrungen durch die Nutzung von GPT, denn die Ergebnisse sind noch keinesfalls perfekt. Nur so können Unternehmen sicherstellen, dass sie von den Vorteilen der KI-gestützten, automatisierten Entscheidungsfindung wirklich profitieren.
Zahlreiche Anwendungsgebiete für die Immobilienbranche
Künstliche Intelligenz mit der aktuellen Reife hat das Potenzial, viele der drängendsten Probleme der Immobilienbranche schneller zu lösen, als bisher angenommen. Dazu gehören:
Der Fachkräftemangel
Asset und Property Manager können viele administrative Aufgaben bereits heute an die Technologie abgeben. Sie können Angebote vorformulieren lassen, zum Beispiel Mietverträge oder Exposés, deren Informationen sich aus dem zentralen Datenpool speisen. Auch Wirtschaftlichkeitsberechnungen lassen sich von KI erstellen. Asset Manager müssen nur die richtigen Fragen stellen, die Suche nach Informationen, die Zusammenstellung der richtigen Daten und einer sinnvollen Antwort inklusive der Begründung für die Antwort liefert die KI. „Spezialisten braucht es nur, um zielgerichtete Fragen zu stellen und die Korrektheit der Antworten zu validieren. Aber ein großer Teil der Arbeit kann rasend schnell automatisiert werden. Die Folgen des Fachkräftemangels ließen sich damit enorm lindern oder sogar völlig aus der Welt schaffen. In jedem Fall wird sich die Art und Weise der bisherigen Arbeit verändern und neue Fähigkeiten erfordern“, prognostiziert Penn.
Datensilos lösen sich auf
Dokumente auslesen und das Wissen, das sonst nur einzelnen Managern im Unternehmen zugänglich war, allen verfügbar machen, die es benötigen – künstliche Intelligenz kann Immobilienunternehmen von heute auf morgen einen nahezu unerschöpflichen Wissensvorrat zur Verfügung stellen und diesen gleichzeitig nutzbar machen. Eine Hoffnung, die in der Vergangenheit laut Penn schon viele Lösungsanbieter in Aussicht gestellt hatten: „Der Unterschied ist, dass die Technologie bisher zwar das gleiche Ziel, aber noch nie diesen Reifegrad und das gleiche Potenzial hatte. Der Sprung, den GPT-4 in Sachen Sprachverarbeitung und Datenanalyse gemacht hat, kann die häufig enttäuschten Erwartung endlich erfüllen.“
Innovationspotenziale heben
Mit der Automatisierung von Aufgaben, legen Immobilienunternehmen dringend benötigte Innovationspotenziale frei. Es werden Ressourcen geschaffen, um beispielsweise Potenziale im Rahmen der EU-Taxonomie zu identifizieren und mitzugestalten. Digitalisierung im Sinne der Cradle-to-Cradle-Wirtschaft kann vorangetrieben werden. Asset und Property Manager können sich mit nutzerzentrierten Fragen ihrer Immobilien auseinandersetzen und neue Lösungen entwickeln. „Der heutige Stand der Technik kann all jene, die offen für Innovationen sind, in eine neue Poleposition bringen. Wer sich der Technologie weiterhin verschließt und nicht der Grundlagenarbeit zur Datenverfügbarkeit nachkommt, wird abgehängt“, ist sich Patrick Penn sicher.