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Widerstand gegen Villacher Logistikzentrum in Naturgebiet wächst

Bau eines Logistikzentrums seit 18 Jahren in Planung - Projekt grenzt an Natura-2000-Gebiet - Massiver Widerstand von Bürgerinitiative bremst Projektfortschritt - Stadt verweigert Interview
Patrick Baldia
Widerstand gegen Villacher Logistikzentrum in Naturgebiet wächst
In Villach wird ein geplantes Logistikprojekt seit Jahren von einer Bürgerinitiative gebremst.
© AdobeStock

Seit 2006 plant Villach an der Erweiterung eines Logistik-Standortes im Westen der Stadt. Der Anschluss an die Mittelmeerhäfen soll Kärnten eine Aufwertung als Wirtschaftsstandort bringen. Dass das Projekt noch nicht auf Schiene ist, liegt am heftigen Widerstand der Gegner, die ein angrenzendes Naturschutzgebiet sowie Ungereimtheiten ins Treffen führen. Auch 18 Jahre nach Beginn des Bauvorhabens scheinen die Planungen auf der Stelle zu treten, während der Widerstand wächst.

Auf der einen Seite stehen Arbeitsplätze und die wirtschaftliche Aufwertung des Standortes, auf der anderen Seite Naturschutz und die direkte Nachbarschaft zu einem Natura-2000-Schutzgebiet. Es ist der ewige Konflikt zwischen menschlichen Nutzungsinteressen und den Bedürfnissen eines Naturraumes, der seit 2006 im Süden Kärntens Weltanschauungen aufeinanderprallen lässt. Die Stadt Villach, seit der Nachkriegszeit fest in SPÖ-Hand, plant gemeinsam mit der Deutschen Logistik Holding (DLH) den Bau des Logistikzentrums "Alplog Nord" im Westen der Stadt.

"Alplog Nord" soll die Erweiterung des bestehenden Logistik Center Austria Süd (LCA Süd) sein. Während das LCA Süd am südlichen Ufer der Gail liegt, soll das "Alplog Nord" am Nordufer der Gail entstehen. Dieses Gebiet, auch Schütt genannt, befindet sich direkt zwischen dem Natura-2000-Schutzgebiet Schütt-Dobratsch und den Auwäldern des Flusses und ist Feuchtwiese sowie Ackerfläche. Die Bürgerinitiative "Rett ma die Schütt", die das Bauvorhaben um jeden Preis verhindern will, steht in diesem Konflikt der Stadt gegenüber.

Zu einem Gespräch mit der APA war vonseiten der Stadt niemand bereit, man verwies auf vor Kurzem erschienene Medienberichte zu diesem Thema. Laut "Der Standard" besitzt Villach in der Schütt 46 Hektar Land. Für das Projekt soll nun eine Fläche von 18,3 Hektar genutzt werden. 6,3 Hektar davon seien bereits an die DLH verkauft worden. Laut dem Villacher Bürgermeister Günther Albel (SPÖ) soll hier das "grünste Logistikzentrum Österreichs" entstehen. Dem Projektantrag und weiteren Medienberichten ist zu entnehmen, dass "bei der Konzeption der Beleuchtung besonders auf die Wildökologie Bedacht genommen" und "mit einem Grünraumkonzept dem Naturraum Rechnung getragen" werden soll.

Strenge bauliche Maßnahmen wie eine Begrünung der Dächer, Abstands- und Emissionsflächen und die Nutzung von Photovoltaik auf den Dächern sollen das "Alplog Nord" zu einem Vorzeigeprojekt machen, was umweltverträgliches Bauen angeht. Zudem ist von der Nutzung eines infrastrukturell wertvollen Gebietes und der Schaffung mehrerer Arbeitsplätze die Rede. Für den Villacher Magistratsdirektor Alfred Winkler spreche "der Trade-off zwischen Versiegelung und erwartbarer CO2-Reduktion" für das Projekt, weil damit der Warenverkehr per Bahn aufgewertet würde. Zudem sei das angrenzende Natura-2000-Schutzgebiet vom geplanten Gewerbegebiet ohnehin nicht betroffen. Soweit die prominentesten Argumente der Befürworter.

Den Verein "Rett ma die Schütt" überzeugt allerdings keines davon. Für dessen Vertreter Anton Dicketmüller, Lennart Schaffert und Helga Ortner ist das Bauvorhaben generell falsch am Platz, egal wie "grün" der Anstrich sei. "Das Areal und auch die dem Natura-2000-Gebiet angrenzenden Flächen sind ein wichtiges Brut- und Jagdgebiet für Vögel, die im Naturschutzgebiet nisten, wie den Uhu, den Neuntöter oder den Ziegenmelker. Es sind auch andere Tiere, die durch EU-Recht geschützt sind, vorhanden", erklärte Schaffert im APA-Interview und Ortner ergänzte: "Es gibt hier Pflanzen und Tiere, die nur in diesem Raum vorkommen und sonst nirgends, wie zum Beispiel den Triestiner Skorpion." Viele der Tierarten in diesem Gebiet würden auch auf der Roten Liste der gefährdeten Tierarten stehen, wie die vom Aussterben bedrohte Hornviper. Und diese Tiere würden laut den Naturschützern von einem direkt angrenzenden 24-Stunden-Betrieb mit Licht und Lärm vertrieben werden.

Die Initiative verwies auch auf das nahegelegene LCA Süd auf der anderen Seite des Flusses, bei dem viele Flächen leer stehen würden. Doch so einfach sei die Sache nicht, wie dessen Geschäftsführer Andreas Pichler erklärte. Freie Fläche wäre zwar vorhanden, aber diese sei viel zu fragmentiert. "Derzeit hätten wir widmungstechnisch und größenordnungstechnisch nicht die Flächen, um eine Realisierung dieses Projektes zu ermöglichen", erteilte Pichler diesem Lösungsansatz eine Abfuhr.

Aber auch andere Argumente würden laut der Bürgerinitiative gegen das Projekt sprechen. So etwa die Tatsache, dass für das "Alplog Nord" kein Anschluss an die Bahn geplant ist. Zwar sind der Verschiebebahnhof Fürnitz und der Bahnanschluss des LCA Süd nicht weit entfernt und die Stadt wolle die Waren mit autonomen Elektro-Lkw vom "Alplog Nord" über die Gail zur Bahn transportieren. Aber: "Das würde den Lkw-Verkehr auf ein Vielfaches ansteigen lassen", warf Dicketmüller mit Verweis auf die Anrainer ein. Auch für Martijn Kiers von der Mobilitätsgruppe der Scientists for Future macht ein Logistikzentrum ohne Bahnanschluss keinen Sinn. Durch den zusätzlichen Umschlag der Güter könne für das "Alplog Nord" nur ein Weitertransport auf der Straße wirtschaftlich sein. "Um als Umschlagplatz für Güter von Schiene zu Schiene dienen zu können, sind ein direkter Gleisanschluss und ein funktionierender Umschlagbahnhof erforderlich", so die Meinung des Verkehrsexperten.

Dicketmüller verwies zudem darauf, dass die Idee hinter dem Projekt, Kärnten mit der Nähe zum internationalen Handelshafen Triest und der bestehenden Schienenverbindung für den weltweiten Markt interessant zu machen, ohnehin passé sei. Vor allem von der chinesischen Initiative, mit der "neuen Seidenstraße" weitere lukrative Handelswege aus dem Reich der Mitte zu erschließen, hatte man sich im Jahr 2019 viel erhofft, als Italien einen umstrittenen Handelspakt mit China unterzeichnete, der den Hafen in Triest als Handelsdrehscheibe ins Zentrum rücken wollte. Die aktuelle italienische Regierung unter Giorgia Meloni hatte diesen Deal 2023 allerdings platzen lassen. Laut dem paneuropäischen Sender Euronews äußerten Behörden in Italien zudem Befürchtungen, die Angriffe der Houthi-Rebellen im Roten Meer könnten mittel- oder langfristig negative Auswirkungen auf die Häfen im Mittelmeer haben.

Neben der Bürgerinitiative "Rett ma die Schütt" sehen auch der Alpenverein Kärnten, der Verein Verkehrswende.at, die Radlobby Kärnten, der Naturschutzbeirat sowie die Umweltanwaltschaft des Landes Kärnten das Vorhaben kritisch. Derzeit sind zwei Beschwerden beim Bundesverwaltungsgericht anhängig, in denen die Rechtsrichtigkeit der UVP-Feststellung geprüft werden soll. Der Naturschutzbeirat wirft den Projektverantwortlichen eine "Salamitaktik" vor, also den Versuch, die Pflicht zur Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) mit der Zerstückelung des Projektes umgehen zu wollen. Den Vorwurf, die Flächen des Projekts so geschönt zu haben, damit sie unter die Flächenbagatellgrenze einer UVP fallen, weist die DLH zurück.

Fraglich scheinen aber auch jene Flächen, die Villach baureif zu machen hätte. Die Stadt müsse sich um die Hochwasserfreistellung sowie eine neue Infrastruktur kümmern, wofür der Auwald gerodet und das Gelände aufgeschüttet werden soll. Zumindest bis das Ergebnis der Prüfungen durch das Bundesverwaltungsgericht auf dem Tisch liegt, dürften die Nächte für Uhu, Ziegenmelker und Co. vorerst noch ruhig und dunkel bleiben.

Harsche Kritik kam am Mittwoch auch von Greenpeace: "Die Behauptung von Bürgermeister Albel, es handle sich um das grünste Logistikzentrum, ist aus unserer Sicht irreführend und verhöhnt alle, die sich ernsthaft um ressourcen- und umweltschonende Projekte bemühen", so die Umweltschutzorganisation in einer Aussendung. Dachbegrünung und Photovoltaikanlagen könnten das Projekt keineswegs kompensieren: "Feuchtwiesen tragen wie Moore und Wälder wesentlich dazu bei, die Biodiversitäts- und Klimakrise zu bewältigen. Die Zerstörung solcher Flächen, insbesondere in besonders schützenswerten Gebieten, ist angesichts des massiven Artensterbens unverantwortlich." Außerdem sei es "absurd" zu behaupten, dass die Versiegelung von CO2-speichernden Feuchtwiesen zu einer CO2-Reduktion beitragen könnte. (apa)