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Wie werden Immobilien werthaltig?

Werthaltigkeit: Was sie bei einer Immobilie bedeutet, hängt sehr von den Interessen der Eigentümer ab.
Amelie Miller
Stefan Schleicher
Stefan Schleicher
© REMG

Worst Case ist ein Investor, der seine Rendite aus billigem Bauen und teurem Verkaufen an den nächsten Eigentümer schöpft. Dessen Rendite wiederum resultiert aus hohen Mieten und – wie in vielen Großstädten sichtbar – einem erneuten Verkauf der Immobilie schon nach wenigen Jahren an den nächsten Eigentümer, der oftmals allein an der Lage der Immobilie ein Interesse hat. Nach dem Abriss des Baubestandes wiederholt sich dieser Eigentümer-Zyklus.

Noch ist dieser unter vielen Aspekten destruktive Umgang mit Immobilien bei uns eher eine Ausnahme. Die Entdeckung von Innovationen, die einen anderen Umgang mit Immobilien sichtbar machen, der ihnen mehr Werthaltigkeit verleiht, lohnt sich aber. Darüber gibt das internationale Forschungsprojekt ReConstruct Orientierung (www.rethinkconstruction.net).

Multifunktionales Design von Bauten.

Nicht zuletzt die Lockdowns der Covid-Pandemie machten darauf aufmerksam, dass die Grenzen der bisherigen Baustrukturen verwischen. Wohnungen sollten auf einmal auch die Funktion eines Home-Offices erfüllen, waren dazu aber meist nicht ausreichend vorbereitet. Künftig sollten sich Wohnungen nicht nur den Arbeitsbedingungen, sondern auch den Lebensabschnitten der nutzenden Personen besser anpassen, von den Phasen Single über Partnerschaften mit Kindern bis zu den Herausforderungen einer Aging Society.

Aktive Rolle von Bauten im Energiesystem.

Derzeit geltende Rollen von Energie in Gebäuden beschränken sich weitgehend auf ein passives Verhalten mit Empfehlungen für eine hohe thermische Qualität bei der Gebäudehülle und einem Energiebezug aus erneuerbaren Quellen. Radikal innovativ ist die Erkenntnis, dass Gebäude eine aktive Rolle in einem lokalisierten Energiesystem übernehmen können. Unter der Bezeichnung von Energy Hubs ergänzen sich Gebäude hinsichtlich der Verwendung und Bereitstellung von erneuerbarer Energie über Sonne, Wind und Geothermie.

Integration von mit Gebäuden verbundenen Abläufen.

Die Integration ist eine Erweiterung des multifunktionalen Designs einzelner Gebäude auf einen Komplex solcher Gebäude, erkennbar unter den Bezeichnungen „Quartiere“ und „Areale“. In diesen findet sich in fußläufiger Distanz von Kinderbetreuung bis zum Golfklub und von der Elementarpädagogik bis zu universitären Forschungseinrichtungen die Infrastruktur für die täglichen Abläufe. Mit der Technologie von 3D-Printing könnten außerdem viele Produkte in kurzen geografischen Distanzen bereitgestellt werden.

Wegen ihres Verlustes an Werthaltigkeit werden heute gebaute Immobilien schon bald umgebaut oder sogar rückgebaut werden müssen, wenn sie diese zukunftsfähigen Perspektiven nicht erfüllen.

Zum Autor

Stefan Schleicher ist Professor am Wegener Center für Klima und Globalen Wandel an der Karl-Franzens-Universität Graz. Er begleitet seit Jahren die österreichische und internationale Energie- und Klimapolitik.