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Wie wohnen wir morgen?

War es früher das Auto, so folgte in den 90er Jahren als Statussymbol das Wohnen: Groß und auffällig. Das hat sich geändert und wird sich weiter ändern: Wohnen als Statussymbol bleibt zwar, aber Individualismus wird immer wichtiger. Der soll sich in den eigenen vier Wänden ausdrücken.
Walter Senk

War es früher das Auto, so folgte in den 90er Jahren als Statussymbol das Wohnen: Groß und auffällig. Das hat sich geändert und wird sich weiter ändern: Wohnen als Statussymbol bleibt zwar, aber Individualismus wird immer wichtiger. Der soll sich in den eigenen vier Wänden ausdrücken.

Egal ob es sich um ein Penthouse oder um eine Kleinwohnung handelt, die „passende“ Wohnung soll es sein. Da sind sich die Zukunftsforscher sicher: „Die Suche nach Unikaten und Produkten oder Objekten mit einer echten Geschichte nimmt zu, da diesen das Wesen der Eigenständigkeit innewohnt – was Konsumenten vermehrt suchen.“ Und diese Konsumenten sind in den kommenden Jahren zwei großen Gruppen.

Zum einen sind es die Babyboomer (geboren zwischen 1946 und 1964) und zum anderen die Millennials (geboren zwischen 1980 und 2000). Es ist eine unterschiedliche Form an Wohnwünschen und Vorstellungen, die sich bei beiden Gruppen ganz wesentlich voneinander unterscheiden. Die eine Gruppe sucht seniorengerechtes Wohnen, Alters-WGs oder betreutes Wohnen, die anderen eher die Städte, und hier auch nicht unbedingt die eigene Wohnimmobilie, sondern Miete und die „Stadt der kurzen Wege“. Wobei das Thema Miete nicht nur mit „wollen“, sondern auch mit der Leistbarkeit von Eigentum zu tun hat.

Damit geht auch Hand in Hand eine sich verändernde Wohnungsgröße. Die Größe der Wohnung wird viel eher nach der aktuellen Lebenssituation gewählt, weshalb „Mieten“ vor „Kauf“ kommt. Das würde aber auch einfache unkomplizierte Mietverhältnisse erfordern, die einen leichten Wechsel möglich machen.

Räume außerhalb der Wohnung

Kleinere Wohneinheiten, wie sie von den Millennials gefragt sind, haben aber nicht nur finanziellen Hintergrund, sondern beinhalten auch ein neues Denken. Wohnen dezentralisiert sich und findet nicht mehr nur an einem Ort statt. Der Begriff Haushalt wird immer weiter gefasst, in dem auch Orte außerhalb des Wohnraums miteinbezogen werden. „Die Menschen beginnen sich ihre Wohnräume auch neu zu strukturieren“, ist der Geschäftsführer des Zukunftsinstituts Harry Gatterer, überzeugt. Dinge, die man früher zu Hause hatte, werden jetzt in einen halb öffentlichen Raum ausgelagert – auch die Nutzung alltäglicher Dinge, die viel Platz benötigen. Waschen mit der eigenen Waschmaschine wird dann passe sein, wozu gibt es schließlich Waschsalons? Andere Räume, die außerhalb des Hauses sind, gewinnen an Bedeutung. „Die Räume müssen nicht alle am gleichen Ort sein, sie müssen nur nutzbar sein“, so Gatterer: „Damit verändert sich der Haushalt an sich. In urbanen Räumen ist diese Entwicklung schon sehr signifikant.“

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So wird zum Beispiel auch das Fitnesscenter als nutzbarer Raum verstanden, der in gewisser Weise zum Haushalt dazugehört. In diesem Zusammenhang werden auch Treffpunkte außerhalb der eigenen vier Wände immer wichtiger. Da bietet sich zunächst einmal der Hof im Haus an, dem in den kommenden Jahren noch eine große Bedeutung zukommen wird. Wie auch in Dörfern werden verstärkt soziale Anknüpfungspunkte außerhalb der eigenen Wände wichtig werden – immerhin findet das Leben einer Kommune seit Jahrtausenden im „Ortskern“ statt.

Wohnen verändert auch die Stadt

Daher werden die neuen Wohnformen auch auf das Aussehen der Städte mehr Einfluss nehmen, als es bisher der Fall war. Während nämlich früher „nur“ Häuser gebaut wurden, um zu wohnen, und die Stadt eher dazu diente, diese Wohnblöcke zu beherbergen, wird es in den kommenden Jahren auch eine Vielzahl an urbanen Räume sein, die „Stadtleben beherbergen“. Jetzt schon verlieren reine Büro- oder Wohnviertel ohne zeitgemäße Durchmischung und zentrale Aufenthaltsqualitäten immer mehr an Bedeutung, denn es fehlt ihnen dieses wesentliche verbindende Element.

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Dadurch entsteht aber ein erhöhter Bedarf für „dritte Orte“ und neue Wohnkonzepte, indem ausgelagerte Räume optional zur Verfügung stehen. Wie zum Beispiel größere Küchen, Bibliotheken, Gästezimmer oder Lernräume. Vor allem könnte auch der Bedarf an „öffentlichen Rückzugsräumen“ wachsen. In Zuge dessen werden auch Services rund um externe Wohnfunktionen entstehen, wie zum Beispiel die Entwicklung von digitalen Plattformen für die Suche und die Organisation von ausgelagerten Alltags-Räumen. Teilen gewinnt an Bedeutung: Nutzen ist wichtiger als besitzen.

Veränderung der Wohnkonfiguration

Innerhalb der Wohnung passiert das im Kleinen, was Außen im Großen passiert. Ein großer zentraler Treffpunkt, kombiniert mit Rückzugsmöglichkeiten. Große, offene Wohnräume, die mit der Küche verbunden sind auf der einen Seite, auf der anderen Seite getrennt begehbare Zimmer. Alle gemeinsam, aber doch jeder für sich, denn einzeln begehbare Räume als Ort des Rückzuges sind trotz einer offeneren Bauweise notwendig. Freiflächen wie Balkone, Terrassen oder Loggien waren einmal Luxus, mittlerweile sind sie ein Muss. „Sich aus der Wohnung hinausbewegen zu können, ohne diese aber verlassen zu müssen“, beschreibt sehr genau den Vorteil, der mit diesen Flächen verbunden ist. Insofern zeigt sich, dass die Wiener Bauordnung, die seit Sommer 2014 den Anbau von Balkonen erleichtert, in die richtige Richtung geht.

Haustechnik teilt sich

Bei der Haustechnik zeigt sich mittlerweile eine Zweiteilung. Wir werden verstärkt intelligente Lösungen brauchen, die speziell den Bereich alte Menschen und gehandicapte Personen betreffen, da Hilfe und Pflege zu Hause organisiert werden. Betreffend der klassischen Haustechnik lässt der Blick in die Zukunft erwarten, dass die überkomplex zu bedienenden Technologien aus dem Wohnumfeld verschwinden wird und sich kluge und lernende Lösungen durchsetzen werden.

Was die Ausrichtung der Häuser in der Zukunft betrifft, so meint Michael Baert Vorstand der ifa – Institut für Anlageberatung AG: „Ein Haus sollte so gebaut werden, dass alles möglich ist, was dem Menschen an Nutzungsmöglichkeiten einfällt. Ich denke, den kommenden Nutzern werden noch Ideen einfallen, die wir noch gar nicht haben.“


Das sagten zwei Profis im Jahr 1999 auf die Frage „Was werden die entscheidenden Entwicklungen des Wohnimmobilienmarktes in den nächsten 10 bis 20 Jahren sein?“

Alfons Metzger, Metzger Realitäten Gruppe

Der Anspruch an das Wohnen ist in den früheren Jahrzehnten davon ausgegangen, einfach ein Dach über dem Kopf zu haben.

METZGER AlfonsNunmehr scheint es so zu sein, dass für viele Menschen das Wohnen zunehmend mehr eine Frage des sozialen Status ist und des persönlichen und familiären Wohlbefindens. Billige Bauvorhaben, welche zu 100 Prozent und mehr Bauflächen ausnützen, die keinerlei Lebens- und Wohnqualität und auch keine Bau- und Architekturqualität aufweisen, haben zunehmend mehr mit der Akzeptanz am Markt zu kämpfen.

Durch den Umzug von Unternehmen in moderne Bürobauten wird es zu Leerständen im innerstädtischen Altbaubereich kommen. Die Umwidmung in repräsentative und gesuchte Wohnungen wird, wie in anderen europäischen Städten auch, zunehmen.

Mit dieser Entwicklung ist auch eine Zunahme des sozialen Geschehens im innerstädtischen Bereich begleitet. Hat es früher gerade in den Innenbezirken abends zum Wochenende „tote Städte“ gegeben, so wird sich das in Zukunft in zunehmendem Maße verändern. Man wird wieder in der Stadt wohnen und leben. Wünschenswert wäre, dass es ein allgemein verständliches mietrechtliches Geschehen gibt, das die Rechtssicherheit, die es in der Vergangenheit nicht gegeben hat, in Zukunft möglicherweise festigt.


KALLINGER,Prof (FH) Dr. WinfriedWinfried Kallinger, Kallco

Die Wohnung für alle wird es nicht mehr geben; Zielgruppen, geschichtet nach Alter und sozialem Status, werden den Markt bestimmen und Einfluss auf die Wohntypologie nehmen.

In Verbindung mit der Differenzierung des Marktes werden sich die Baukonzepte thematisch stärker definieren. Die Architektur wird „modischer“ werden.

Plattenbauten der 60ziger - 80ziger Jahre sind out und zwar sowohl Miet- als auch Eigentumswohnungen. Sie decken nur mehr als Übergangswohnung das Segment des low budget Wohnens ab. Städtisches Wohnen bleibt Mangelware und wird weiter gut nachgefragt. Alternative Wohnlagen sind Anlagen mit viel Grün, interessanter Architektur, corporate identity an städtischen Entwicklungsachsen (U-Bahn). Die Nachfrage wird selektiver, stärkeres Marketing ist nötig; der Makler als Einzelkämpfer hat ausgedient. Der gute alte Hausverwalter wird zum liebenswerten Relikt aus früherer Zeit. Eine komplexe Dienstleistungspalette für die Hausbewirtschaftung wird sich herauskristallisieren, die Internationalisierung wird zunehmen.