Der Wiener Zinshausmarkt kommt nach einem eher schwachen Jahresbeginn derzeit wieder deutlich in Fahrt, heißt es in Ihrem aktuellen Zinshaus-Marktbericht. Wird der Zinshaus-Markt durch die neue Wiener Bauordnung jetzt nun gefördert?
Wir bemerken am Zinshausmarkt derzeit einen starken Rückenwind, die Nachrichten aus der Branche sind positiv. Ein Zinshaus zu erwerben, ist ja die emotionalste Investition nach der Anschaffung einer eigenen Wohnung. Und die Novelle zur Bauordnung erleichtert und vereinfacht zweifellos insbesondere den Dachausbau. Jetzt scheint der politische Wille klar definiert zu sein: wir wollen die Nachverdichtung – auch bei bestehenden Gebäuden. Die Stadt hat glücklicherweise erkannt, dass es notwendig ist, zusätzlichen Wohnraum zu schaffen. Und der Markt fasst aufgrund dieser gesetzlichen Rahmenbedingungen Vertrauen.
Welches Potenzial entsteht durch Nachverdichtung?
Meiner Einschätzung nach gibt es genügend Potenzial für Nachverdichtung: In Wien existieren rund 15.000 Gründerzeitzinshäuser. Maximal ein Drittel davon ist bereits ausgebaut, bleiben etwa 10.000 mögliche Häuser. Geht man davon aus, dass ein Haus im Schnitt im Dachboden eine ausbaubare Fläche von netto 250 Quadratmeter bzw. 200 Quadratmeter mögliche Wohnfläche hat, ergeben sich etwa 25.000 Wohnungen (bei 80 Quadratmeter Durchschnittsgröße). Realistischerweise kann man also durch Dachgeschoßausbauten zwischen 10.000 und 15.000 zusätzliche Wohneinheiten schaffen. Mit dem Vorteil: All diese Häuser stehen im gewachsenen Gebiet, es gibt gute und vorhandene Infrastruktur – von der U-Bahn bis zu Kindergärten.
Hat die Stadt Wien mit der Forcierung der Seestadt Aspern recht gehabt?
[caption id="attachment_3212" align="alignright" width="200"] (c) cityfoto[/caption]Absolut! Es gibt keine Gründe, warum man dieses Gebiet nicht hätte besiedeln sollen. Wenn die Seestadt nicht errichtet worden wäre, gebe es diese Anzahl an Wohnungen nicht. Wer immer das Vorhaben kritisiert, soll es besser machen. Ich meine, dass die Stadt Wien mit dem, was sie in Sachen Wohnraumschaffung tut, einerseits unterschätzt und andererseits nicht ausreichend gewürdigt wird. Das hat dabei nichts mit einer politischen Richtung zu tun, die man hier vertritt. Es ist schlicht ein Riesenverdienst der Stadt, diese Projekte umzusetzen, die letztlich dazu beizutragen, dass Wien in Sachen Lebensqualität jahrelang immer an der Spitze diverser Rankings liegt.
Apropos Lebensqualität: Ich will eine schöne Rendite, was soll ich kaufen?
Das kommt darauf an: Sie bestimmen als Käufer die Regeln. Für den einen sind zwei Prozent gut, ein anderer möchte vier oder fünf Prozent Rendite. Ein Beispiel: Ein Arzt, 50 Jahre alt, zwei Kinder, möchte nicht spekulieren, sondern Vorsorge für seine Familie treffen. Immobilien sind ihm sympathisch und er hat rund eine Million Euro Erspartes. Meine Empfehlung würde lauten: Schauen Sie sich um ein Zinshaus für maximal das Doppelte Ihres Eigenkapitals, also rund 2 Millionen Euro, um.
Eine Bankenfinanzierung aufgrund der soliden Einkommensaussicht in den nächsten Jahren ist durchaus möglich. Im 15. oder 16. Bezirk würde ich nach einer guten Mischung aus alten und neuen Mietern suchen. Die Wohnungen können ruhig teilweise saniert sein. Wichtig ist, dass das Haus in der Substanz erhalten wurde, dass also nicht das Dach undicht ist oder die Fassade bröckelt. Dann kann ich realistischerweise einen Jahresertrag von vier Prozent haben. Das sind zwar die reinen Mieteinnahmen, davon muss ich noch die Erhaltungsinvestitionen – etwa zwei Prozent – abziehen. Und die verbleibenden zwei Prozent muss ich natürlich noch versteuern.
Findet man da überhaupt noch Käufer?
Ja, weil es eine sichere Sache ist. Ein 2-Millionen-Euro-Zinshaus, das sind rund 15 Wohnungen, die ich gut durchmischen kann: Wenn ein Mieter auszieht, kann ich renovieren, dafür habe ich nachher Ertrag. Der Charme am Zinshaus – sofern es mir alleine gehört – ist ja, dass ich meine Investitionen selbständig planen kann.
Also soll das Zinshaus eher mit Mietwohnungen bestückt sein …?
Ein Zinshaus soll ein Zinshaus bleiben. Wenn ich Alleineigentümer bin oder eine überschaubare oder verlässliche Miteigentümergemeinschaft – z.B. die Familie – habe, dann bin ich ‚Herr auf meinem Schiff‘. Ich kann bestimmen, was passiert und wohin es geht. Andernfalls bin ich beschränkt auf die Wohnungen, die mir gehören, ich muss ständig Mehrheiten für Investitionsentscheidungen finden. Die Meinungsbildung ist mühsam und schwierig.
Wie schaut der typische Zinshauskäufer heute aus?
Man muss unterscheiden: Handelt es sich um einen echten Anleger, also hat er Geld, das er veranlagen will, und nicht einen sehr hohen Kredit, über das er sein Investment finanzieren will. Dann gibt es die Profis – das sind sowohl Private als auch institutionelle Anleger, aber auch Händler –, die kaufen, verbessern und verkaufen – und schließlich die Entwickler. Sie kaufen, um abzureißen, neu zu bauen oder Eigentum zu begründen. Das werden dann meist Eigentumswohnungen, die gut verkauft werden. Die Gruppe der Privaten ist – wie wir in unserem aktuellen Zinshaus-Marktbericht erhoben haben – gleichauf mit den Profis. Private sind heute weitaus informierter, beispielsweise durch Marktberichte, und schon sehr fortgeschritten in ihren Kenntnissen. Nicht so einfach ist es, wenn ein privater Erstkäufer ungeübt ist. Es ist dann teils aufwändig, ihn an die Besonderheiten des Mietrechtsgesetzes, Stichwort Mieterschutz, heranzuführen. So finden z.B. Ausländer durchaus Gefallen an den Ringstraßengebäuden, wenn sie aber von einer Mietzinsbildung mit Deckel hören, verlieren sie das Interesse.
[caption id="attachment_3211" align="alignleft" width="200"] (c) cityfoto[/caption]Kommt aus ‚Krisengebieten‘ wie zuletzt beispielsweise Russland viel Geld?
Die Krise ist relativ frisch und die Engagements sind derzeit eher uneinheitlich. Aber insgesamt ist es mit Interessenten aus diesen Ländern zäher geworden. Es ist ‚work in progress‘: Ich weiß heute nicht, ob alle, die kaufen wollen, auch kaufen können – und dann auch die Mittel bekommen, und ob dann die österreichischen Banken diese Geschäfte auch abwickeln dürfen …
Stichwort Auslandsinvestitionen. Wien ist nicht erste Wahl, Interessenten gehen eher nach London und Frankfurt. Wie kann es Wien besser machen?
Bei großem privaten Geld und institutionellem Geld ist Wien tatsächlich nicht an der Topstelle. Wien ist von der Größe her eher untergeordnet. London und Paris ziehen asiatische Investoren und jene aus arabischen Ländern an. Der Grund liegt für mich darin, dass diese Menschen gerne in den europäischen Metropolen leben. Aber, Paris ist sehr teuer. Toplagen sind mindestens so teuer wie bei uns. Wenn man dort ein Bürogebäude in einer Toplage kauft und mehr als vier Prozent bekommt, dann wäre das Weltrekord. In London ist es ähnlich. Aber es stimmt, ab 30 oder 50 Millionen Euro spielt Wien nicht die erste Geige. Wien hat eine andere wichtige Funktion, nämlich einen Ausgleich im Veranlagungs-Portfolio zu schaffen. Interessenten investieren in sich ständig bewegende Märkte – und nehmen Wien dazu. Der ‚sex appeal‘ von Wien ist die Stabilität in Zeiten von großen Unsicherheiten. Angelehnt an ein altes Banker-Sprichwort, könnte man ein ideales Portfolio so beschreiben: Ein Drittel Immobilien, ein Drittel Geld, ein Drittel Gold. Und in diesem Beispiel ist Wien das Gold. Da weiß man, was man hat.
Welche Entwicklung sehen Sie beim Mietrecht? Es ist ja immer von Vereinheitlichung die Rede …
Erstrebenswert ist sicher, Klarheit und Fairness zu schaffen. Ich sehe gute Chancen, weil ich Optimist bin und an die Vernunft der Menschen glaube. Aber ich gehe davon aus, dass es keine gravierenden Veränderungen im Mietrecht in nächster Zeit geben wird. Zu einer Präzisierung und Klarstellung des Systems wird es jedoch kommen müssen, und beide Seiten werden sowohl ein lachendes als auch ein weinendes Auge habe.
Zu- und Abschläge braucht es. Denn ich kann nicht alle Wohnungen über ganz Wien mit einem Mietzins über einen Kamm scheren. Wohnbau-Stadtrat Michael Ludwig meinte einmal, 10 bis 15 Bestandteile sind ausreichend, aber damit kann man kein Objekt charakterisieren. Ich gehe eher von 25 bis 30 Merkmalen aus, das ist auch administrierbar. Ich bin der Meinung, wenn es Zuschläge gibt für etwas, das einen Nutzen für Nutzer bedeutet oder auch ein sinnvoller Aufwand ist, dann soll das Berücksichtigung finden. Ein Beispiel: In einem Gründerzeithaus der Vorstadt werden neue Fenster einbaut. Dann kostet das was, und das sollte auch Berücksichtigung im Zuschlag-System finden.
Kleiner Themen-Schwenk: Der Tiroler Investor René Benko hat die Karstadt-Gruppe in Deutschland gekauft. Finden Sie das gut? Sind Sie neidisch?
Ich bin definitiv nicht neidisch! Ob der Kauf ein gelungener Coup ist, kann ich nicht beurteilen, es ist ja ein operatives Handelsunternehmen. Aber ich finde, René Benko hat bis jetzt unglaublich toll gearbeitet. Er hat etwas zustande gebracht, was ihm erstens keiner zugetraut hätte und zweitens hat er alle Grenzen unseres Vorstellungsvermögens gesprengt. Das Goldene Quartier z.B. kann man mögen oder nicht. Aber von den Nutzungen her, von der Mikrolage, den Gebäuden her – da hat er eine Homogenität hergestellt, die es vorher nicht gegeben hat in diesem Gebiet. Der Tuchlauben-Durchgang war ja früher recht unheimlich, das ist jetzt ein toller Komplex. Da muss man den Hut ziehen. Er hat Dinge in einem Tempo und in einer Dimension zuwege gebracht, das ist enorm. Also: Null Neid, viel Anerkennung – und alles Gute für ihn und seine Anleger.
Ihre Einschätzung des Büromarktes?
Der Büromarkt scheint für dieses Jahr schon in den Winterschlaf zu gehen. Heuer wird es nichts Neues geben, keine nennenswerten Bauherren-Entscheidungen. Das heißt, die Pipeline wird 2015 eher schwächer sein, da die zwei größten Fertigstellungen – Erste Campus im 10. Bezirk und Smart Campus im 11. Bezirk – zur Eigennutzung errichtet werden und nicht für Drittnutzer auf den Markt kommen. 2016 erwarten wir wieder größere Projekte. Aber das finde ich gar nicht so schlecht.
[caption id="attachment_3214" align="aligncenter" width="200"] (c) cityfoto[/caption]Ist da jetzt Raum für Konvertierungen?
Grundsätzlich sehen wir, dass größere Unternehmen neue Standorte, die effizienter oder kleiner und moderner sind, suchen. Alte Standorte werden dafür aufgegeben. Es gilt: Je besser die Lage der alten Standorte und je schlechter das Gebäude, desto größer sind die Chancen auf eine Umnutzung. Gute Standorte sind z.B. in Ottakring mit U-Bahn-Nähe und guter Infrastruktur. Es muss nicht immer der 1. Bezirk sein.
Wie interessant ist das Objekt der PSK/BAWAG am ehemaligen Hauptsitz Georg-Coch-Platz?
Das ist eines der eindrucksvollsten Gebäude aus architektonischer Sicht: Alles ist aus einem Guss – Fassade, Lampen, Stiegen – ein Gesamtkunstwerk. Es wird eine ziemliche Herausforderung sein, hier zu entwickeln. Denn: Welche Nutzung wäre möglich? Das Gebäude ist von der Natur her als Bank gebaut. Für einen Dienstleister dieser Art wäre das auch weiterhin eine ideale Nutzung. Ob aber ein Ministerium oder eine Behörde einziehen will oder kann, ist fraglich.
Denn man muss mit der Reputation eines solchen Gebäudes leben können. Als Bürohaus wäre es wohl am geeignetsten, wenn es so wie jetzt einen Mieter hat. Aber auch als Wohn- und Geschäftshaus wäre Potenzial vorhanden, Hotelfantasien habe ich eher keine. Wien ist eigentlich schon over-roomed und eher under-priced. Außerdem ist das Gebäude nicht in der ersten Lage am Ring zu finden wie etwa Imperial oder Sacher.