Michael Pisecky, Fachverbandsobmann-Stv. der Immobilien- und Vermögenstreuhänder: „Pro Projekt gibt es in Wien durchschnittlich 50 Wohneinheiten, während es in Niederösterreich lediglich 21 sind. „Im Vergleich zu Wien sind die Projekte um rund 58 Prozent kleiner. Das hat natürlich mit den hohen Grundstückskosten und auch mit dem knappen Platzangebot in Wien zu tun“, sagt Johannes Wild, Fachgruppenobmann der Immobilien- und Vermögenstreuhänder Niederösterreich. „Die Baukosten sind überall gleich.
Der Platzmangel führt auch dazu, dass eine durchschnittliche Wohnung in Wien weitaus kleiner ist als in Niederösterreich. In der Bundeshauptstadt stehen 57,7 Quadratmeter Nutzfläche zur Verfügung, In NÖ 75,2 Quadratmeter. „Die Differenz ist sicher mit ein Grund, warum sich viele Menschen im Umland von Wien nach einem neuen Zuhause umsehen“, so Pisecky. Außerdem werden in Niederösterreich mehr Reihen-, Doppel- und Einfamilienhäuser errichtet als in der Bundeshauptstadt.
Gestiegene Preise
Wie nicht anders zu erwarten war, sind die Preise in beiden Bundesländern weiter gestiegen. Während in Wien bei der letzten Auswertung (von 2021) eine durchschnittliche Neubauwohnung noch 399.000 Euro kostete, sind es aktuell bereits 426.900 Euro. Von einem niedrigeren Niveau ausgehend, sehen wir die gleiche Aufwärtsentwicklung auch in Niederösterreich“, sagt Wild. Dort waren es 2021 durchschnittlich 279.800 Euro, mittlerweile sind es 303.694 Euro.
Kleine Unterschiede bestehen bei den Freiflächen: Während in Niederösterreich 97 Prozent der Neubauwohnungen eine Freifläche wie Loggia, Balkon, Garten oder Terrasse aufweisen, sind es in Wien 92. „Für eine Großstadt ist das aber eine enorme Leistung, da es für Bauträger nicht einfach ist, entsprechende Möglichkeiten zu schaffen“, erklärt Hans Jörg Ulreich, Berufsgruppensprecher der Bauträger in der Fachgruppe der Immobilientreuhänder der Wirtschaftskammer Wien. 8,7 Quadratmeter haben die Flächen im Durchschnitt, in Niederösterreich sind es 11,8.
Wer baut in Wien?
Die Bautätigkeit hat sich weiter in Richtung gewerbliche Wohnbauträger verschoben. „70 Prozent aller Wohnungen werden in Wien von gewerblichen Bauträgern errichtet, 2021 waren es noch 65 Prozent“, erläutert Ulreich. „Von den Projektentwicklern werden derzeit Mietwohnungen forciert. 31 Prozent sind es im Vergleich zu 2021, als der Anteil an Mietwohnungen der gewerblichen Bauträger 25 Prozent betrug. Im Vergleich der Bezirke zeigt sich, dass gewerbliche und gemeinnützige Bauträger in Floridsdorf und Liesing je zur Hälfte für den Wohnbau verantwortlich sind, in den übrigen Bezirken haben die gewerblichen Bauträger die Nase vorne.
Wer baut in Niederösterreich?
In Niederösterreich ist das Verhältnis zwischen gewerblichen und gemeinnützigen ausgewogen geblieben. Auffällig ist allerdings, dass sich die Aktivitäten der gewerblichen Bauträger im Bereich Eigentum verstärkt haben. Wild: „Der Markt in Niederösterreich ist für Bauträger äußerst interessant. Einerseits haben wir in zahlreichen Regionen günstigere Grundstückspreise, andererseits bleibt die Nachfrage auf hohem Niveau.“ In den Bezirken Mödling, Baden und Korneuburg ist ein überproportionaler Anteil der gewerblichen Bauträger im Verhältnis zur Gesamtverteilung festzustellen. Die gemeinnützigen Bauträger sind dafür in Bruck an der Leitha, Wiener Neustadt (Stadt) St. Pölten (Land und Stadt), Neunkirchen oder Melk stärker vertreten.
Höchststand bei Neubauwohnungen ist erreicht
2021 und 2022 waren die produktivsten Jahre der Wohnbauträger mit Höchstständen bei der Zahl der neu errichteten Wohnungen. Seit heuer geht die Neubauleistung etwas zurück. „Diese Entwicklung hat sich bereits vor zwei Jahren abgezeichnet, da auch die künftigen Bauprojekte in der Studie erfasst wurden“, erklärt Alexander Bosak, Co-Gründer und Geschäftsführ er der Bauträgerdatenbank EXPLOREAL. Auf Grund der aktuellen Situation werden aber die nach 2022 avisierten Zahlen vermutlich unter den Einschätzungen liegen. Über die dadurch entstehenden Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt in Niederösterreich und Wien führt Gerald Gollenz aus: „Der Rückgang der Produktion von Wohnraum fällt mit den strengeren Kreditrichtlinien zusammen, was zu einem Rückgang der Kredite um ca. 30 Prozent geführt hat. Dadurch könnte es zu einer Normalisierung des Wohnungsmarktes bei Nachfrage und Preisen kommen.“
Neubau und Sanierung
Erstmals wurde in Wien auch die Sanierungen in die Statistik miteinbezogen. „Es zeigt sich, dass es zwar viele Projekte dazu gibt, diese aber (noch) nicht die Masse an neuem Wohnraum abdeckt. Neubauten machen mit 86 Prozent den Großteil der neu errichteten Wohnungen aus“, erklärt MatthiasGrosse, Co-Gründer und Geschäftsführer von EXPLOREAL.
Wo gebaut wird
In Wien sind weiterhin die Bezirke mit den größten Flächenreserven und verhältnismäßig erschwinglichen Grundpreisen im Fokus der Bauträger. Am meisten gebaut wird im 22., 21., 11., und 3. Bezirk, wobei Donaustadt und Floridsdorf die mit Abstand höchste Neubaurate aufweisen. Schlusslicht sind der 4., 8. und 9. Bezirk.
In den kommenden Monaten bleibt der heimische Immobilienmarkt dynamisch, resümiert Gollenz abschließend: „In den letzten drei Jahren war die Wohnbauleistung der Bauträger enorm. Wir haben heuer in Österreich mit 138.600 Wohneinheiten, die von 2020 bis 2022 errichtet wurden, den Peak erreicht. Dabei entfallen 41 Prozent der fertiggestellten Wohnungen auf Wien. Das ist zwar prozentuell der größte Teil, aber bezogen auf die Bevölkerung pro 1.000 Einwohner wird in den Landeshauptstädten Eisenstadt und Graz am meisten gebaut – danach folgt erst Wien. Es ist im Augenblick sehr schwer zu sagen, inwieweit aktuelle Liefer- und Kostenprobleme die Bauträger zum Abwarten veranlassen und zu Verzögerungen in der Fertigstellung führen werden. Ebenso ist es möglich, dass die aktuelle Situation zu einer Normalisierung des Marktes führt, was Preise und Nachfrage betrifft.“