IMMOunited

Wiener Neustädter Prozess um "die Eigentum" gestartet

Staatsanwalt: Hauptbeschuldigter "trickste, tarnte und täuschte", rund 22,4 Mio. Euro Schaden - Verhandlungsfähigkeit von zwei Angeklagten wird geprüft - Fortsetzung am Mittwoch
Patrick Baldia
Wiener Neustädter Prozess um "die Eigentum" gestartet
Am Montag startete am Landesgericht Wiener Neustadt der Prozess gegen "die Eigentum Wohnungs-und Siedlungsgesellschaft m.b.H." Der Hauptvorwurf: betrügerische Krida.
© APA/SOPHIA KILLINGER

Am Landesgericht Wiener Neustadt hat am Montag ein für mehrere Tage geplanter Prozess um die ehemals gemeinnützige "die Eigentum Wohnungs-und Siedlungsgesellschaft m.b.H." ("die Eigentum") begonnen. Beschuldigt werden sechs Personen und vier Unternehmen. Der Hauptvorwurf ist betrügerische Krida. Die Verhandlungsfähigkeit des Erst- und Sechstangeklagten wird geprüft. Der Schaden beträgt laut Anklage knapp 22,4 Mio. Euro.

Das Ergebnis eines neuerlichen Gutachtens zur Verhandlungsfähigkeit des ehemaligen Geschäftsführers stand noch aus. Das Verfahren gegen den 65-jährigen Erstangeklagten, der gestützt auf einen Rollator zur Schöffenverhandlung kam, wurde zunächst ausgeschieden und auf unbestimmte Zeit vertagt. Auch in Bezug auf den Sechstangeklagten - einen ehemaligen Bankvorstand und Aufsichtsrat - wird ein Gutachten eingeholt. Der 76-Jährige erschien nicht zum Prozessstart, das Verfahren gegen ihn wurde ebenfalls ausgeschieden.

Die Verhandlung drehe sich "um den Missbrauch des gemeinnützigen Wohnbaus in Österreich", so der Vertreter der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) im Eröffnungsvortrag. "Er trickste, tarnte und täuschte", sagte er über den 65-Jährigen. Gesetzliche Vorschriften seien diesem egal gewesen.

Der Erstangeklagte soll ab 2012 Bestandteile seines Privatvermögens und des Vermögens von mehreren GmbHs veräußert oder verringert haben, wodurch die Befriedigung der Gläubiger geschmälert wurde und die Unternehmen geschädigt wurden. Er soll Wohnungen weit unter ihrem Wert an sich, sein privates Umfeld und andere Firmen verkauft haben. Außerdem sollen u.a. unbesicherte Darlehen an Gesellschafter oder Familienangehörige vergeben worden sein. Zudem soll er drei Zahlungen im Wert von 900.000 Euro ohne nennenswerte Gegenleistung veranlasst haben. Die Bank sei im Zuge einer Kreditvergabe in den Tatplan "eingeweiht" und "mittendrin statt nur dabei" gewesen, sagte der Ankläger.

Aufgrund einschlägiger Vorstrafen in Verbindung mit einem früheren Unternehmen habe der 65-Jährige zunächst dessen Partnerin, die inzwischen verstorben ist, u.a. als Geschäftsführerin vorgeschoben. Der Beschuldigte "verschleierte die wahren Eigentumsverhältnisse", hielt der Oberstaatsanwalt fest. Weil die Aufsichtsbehörde dem früheren Geschäftsführer auf den Fersen gewesen sei, habe er den Firmensitz von Wien nach Niederösterreich und, "als es wieder eng wurde", kurzfristig ins Ausland verlegt.

Dem 65-Jährigen werden auch die Vergehen des falschen Vermögensverzeichnisses im Insolvenzverfahren und der Fälschung besonders geschützter Urkunden vorgeworfen, weil er laut einem graphologischen Gutachten Unterschriften auf Notariatsakten gefälscht haben soll. Die weiteren Angeklagten - darunter die Tochter des früheren Geschäftsführers - sollen als Beteiligte fungiert haben, u.a. durch Scheinrechnungen, Entgegennahme von Vermögenswerten und falsche Zeugenaussage. Gegen vier Unternehmen wurden Verbandsgeldbußen beantragt.

Der 65-Jährige war im September 2022 in U-Haft genommen worden, wegen seines schlechten Gesundheitszustandes wurde er jedoch im Oktober 2023 entlassen. Ein vom Gericht bestellter Sachverständiger attestierte dem 65-Jährigen heuer im Juni Verhandlungsunfähigkeit. Auf Basis einer Observation des Mannes im Sommer beantragte die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) erneut eine Festnahme, weil die gesundheitlichen Einschränkungen nicht mehr vorliegen würden. Der Erstangeklagte sei mit dem Auto gefahren, längere Zeit in Lokalen gesessen und ohne Rollator gegangen, sagte der Ankläger. Er schildere dies, "weil er auch Ihnen gegenüber versuchen wird, Sie zu täuschen", wandte sich der Oberstaatsanwalt an die Schöffen. Der 65-Jährige sitzt seit vergangener Woche wegen Tatbegehungsgefahr wieder in U-Haft.

Er erwarte "hier in diesem Hause kein faires Verfahren", sagte Rechtsanwalt Michael Dohr, der den 65-Jährigen und dessen 32-jährige Tochter verteidigt. Kritik übte er an der Vorgehensweise des Gerichts. Sein Mandant nehme starke Medikamente. Ein "Phantomverfahren" zu führen, bei dem der Erstangeklagte nicht da ist, sei "schwierig". Auf nähere Ausführungen zu den Vorwürfen verzichtete Dohr. Dem Zweitangeklagten werde eine Darlehensaufnahme von "die Eigentum" angelastet. Er bekenne sich nicht schuldig, sagte der 72-Jährige.

Der Drittangeklagte habe "überhaupt kein strafbares Verhalten gesetzt" und sei "völlig schuldlos", sagte sein Verteidiger. Die Vorwürfe gegen den 66-Jährigen, etwa in Bezug auf Scheinrechnungen, werden bestritten. Der Rechtsanwalt ersuchte um einen Freispruch. Er habe "nie die Absicht gehabt, jemanden zu schädigen oder etwas zu verheimlichen", betonte der Architekt. Er gab an, sich als stiller Eigentümer an "die Eigentum" nicht um die Finanzen gekümmert zu haben. Als er sich aus der Gesellschaft zurückziehen wollte, habe er seine Anteile an einen Bekannten abgetreten und dabei die Verträge unterschrieben, ohne sie durchzulesen. "Hätte ich das Detailwissen von heute, würde ich einige Sachen nicht so erklären wie damals", meinte der 66-Jährige zum Vorwurf der falschen Zeugenaussage.

Der Viertbeschuldigte - ein Notar - bestreitet die Vorwürfe laut seinem Verteidiger ebenfalls. Hier geht es u.a. um Urkundenfälschung und eine Honorarrechnung in Höhe von 777 Euro. Er habe die Vorgeschichte der Causa nicht gekannt, hielt der 63-Jährige fest. Verdachtsmomente auf etwaige Ungereimtheiten hatte er laut seinen Angaben nicht. Zum Vorwurf der falschen Zeugenaussage gegen den Sechstangeklagten gab sein Rechtsvertreter zu bedenken, dass es schwierig sei, sich Jahre später an einen bestimmten Tag zu erinnern.

Der in Wien gegründeten Gesellschaft war nach einem 2014 erfolgten Wechsel des Firmensitzes nach Vösendorf (Bezirk Mödling) in Niederösterreich die Gemeinnützigkeit aberkannt worden. Im März 2021 wurde das Unternehmen insolvent, letztendlich wurde es geschlossen.

Nachdem zwei der Beschuldigten am Montag eine zusammenfassende Stellungnahme abgegeben hatten, wurde der Prozess auf Mittwoch vertagt. Bis 27. November sind insgesamt zwölf Verhandlungstermine angesetzt. Zu den Privatbeteiligten zählen das Land Niederösterreich und der Masseverwalter. Letzterer bezifferte u.a. den Anspruch gegen den Erstangeklagten und dessen Tochter mit 16,8 Mio. Euro. (apa)