Der von Russland gegen die Ukraine geführte Krieg dämpft Österreichs Wirtschaftswachstum gehörig. Es dürfte heuer nur 3,9 bzw. 3,6 Prozent ausmachen, erwarten Wifo und IHS.
Im ersten Quartal dürfte die Wirtschaft noch kräftig gewachsen sein, fürs zweite und dritte Quartal erwartet das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) aber nur mehr ganz geringe Zuwächse gegenüber dem Vorquartal. Stütze der Konjunktur werde heuer der Tourismus sein, für das Institut für Höhere Studien (IHS) der Privatkonsum, hieß es am Freitag.
Wegen des Aufholpotenzials des Tourismus nach Corona dürfte das halbe Wirtschaftswachstum auf Beherbergung und Gastronomie entfallen, glaubt das Wifo. In der Industrie werde die Wertschöpfung nicht wachsen: Hier drohe vom zweiten bis zum vierten Quartal ein Rückgang, im Gesamtjahr 2022 werde sich für die Industrie noch eine Null ausgehen, so Wifo-Chef Gabriel Felbermayr.
Bei einem Importstopp für russisches Gas und Öl würde Österreich in eine Rezession mit möglicherweise zwei, drei oder vier Prozent Rückgang der Wirtschaftsleistung fallen, so Felbermayr - im Radio sprach er sogar von vier bis fünf Prozent Minus. Solle noch einmal an der Sanktionsschraube gedreht werden müssen, sollte Gas "das Allerletzte sein". Österreich hängt derzeit zu rund vier Fünftel von russischem Erdgas ab. Längerfristig wäre ein Abgehen davon teuer. "Kriegen wir kein günstiges russisches Gas mehr, sind ganze Industriezweige infrage gestellt", verwies der Wifo-Chef etwa auf die in Oberösterreich starke Kunststoffindustrie.
Felbermayr: "Ein Krieg in Europa macht uns alle ärmer - das sehen wir bei den Reallöhnen." Die wegen der Energie- und Rohstoffpreise gekletterte Inflation lasse in Österreich die Bruttoreallöhne heuer um 2,3 Prozent fallen. Das sei der stärkste bisher gemessene Rückgang der Pro-Kopf-Löhne, seit es dazu Statistiken gebe, sagte der Wifo-Chef im Prognose-Pressegespräch. Dass die Nettolöhne nur um 1,1 Prozent fallen, sei den Entlastungseffekten der Steuerreform zu verdanken.
Die heurige Lohnrunde werde "extrem schwierig", vermutet Felbermayr - angesichts der jüngsten Lohnforderung der Gewerkschaft von 6 Prozent in der Elektroindustrie. "Es gibt ja nichts zu verteilen. Die Unternehmen leiden ja selbst durch die hohen Energiepreise Der Kuchen ist insgesamt kleiner geworden." In den Lohnverhandlungen sollte man besser auf den BIP-Preisdeflator abstellen statt auf den VPI, um die importierte Teuerung beiseite zu lassen, sagen beide Institute. Das IHS etwa erwartet heuer den Preisindex des BIP bei 3,1 Prozent, deutlich unter dem VPI-Anstieg. Eine Lohn-Preis-Spirale, "ein Replay der 70er-Jahre", sieht der Wifo-Chef nicht, "wenn die EZB weiter klar kommuniziert", es sollten sich die Erwartungen der Haushalte nicht von jenen der EZB entkoppeln.
Das Defizit des Gesamtstaates sehen die Fachleute heuer nun höher als zuletzt im Dezember - das Wifo bei 2,4 bzw. 1,1 Prozent des BIP, das IHS bei 2,3 bzw. 1,7 Prozent. Das IHS verweist auf den langsameren Aufschwung und Mehrausgaben durch den Ukraine-Krieg, das Wifo auf Mehrausgaben aus dem regionalen Klimabonus, der Grundversorgung und Integration der Flüchtlinge, Maßnahmen zur Abfederung der stark gestiegenen Inflation und der Covid-19-Investitionsprämie. (apa)