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Wifo und IHS mahnen Sparpaket ein

Gabriel Felbermayr: "Wir brauchen ein Rendezvous mit der Realität" - Holger Bonin: Österreichs hinkt EU-Schnitt beim Wirtschaftswachstum weit hinterher
Michael Neubauer
Wifo-Chef Gabriel Felbermayr - IHS-Chef Holger Bonin
Wifo-Chef Gabriel Felbermayr - IHS-Chef Holger Bonin
© APA/GEORG HOCHMUTH

Wifo und IHS zeichnen in ihrer heutigen Konjunkturprognose ein wenig erfreuliches Bild. Die Wirtschaft wird heuer stagnieren, die Arbeitslosigkeit steigen und vor allem die Industrie hat Probleme. "International wettbewerbsfähig" und "Gruppenerster" sei man aktuell im Fußball, aber sicher nicht im Wirtschaftsvergleich, sagten Wifo-Chef Gabriel Felbermayr und IHS-Chef Holger Bonin am Mittwoch in einer Pressekonferenz. Beide forderten von der Regierung Sparmaßnahmen ein.

Das Defizit liegt heuer bei der Maastricht-Grenze von 3,0 Prozent (IHS) oder leicht darüber (Wifo) und wird aus Sicht von Felbermayr auch bis 2028 noch darüber bleiben, wenn keine neuen Maßnahmen ergriffen werden. "Ja, o.k., Sparpaket klingt schrecklich", aber "perspektivisch" sei es wohl nötig, so der Wifo-Chef. Denn die Gesellschaft sei ärmer geworden - das BIP/Kopf liegt unter dem Vor-Corona-Niveau von 2019. "Wir haben versucht, das durch expansive Fiskalpolitik wegzukaschieren und durch eine Anpassung der Löhne an die Inflation auszugleichen. Aber wenn wir tatsächlich Wohlstandsverluste erlitten haben, dann sind das potemkinsche Dörfer". Das sei nicht langfristig haltbar. "Wir brauchen jetzt ein Rendezvous mit der Realität", so Felbermayr.

Bonin empfahl, nicht lange darüber nachzudenken, ob das Wirtschaftswachstum heuer 0,0 (Wifo) oder 0,3 Prozent (IHS) betragen wird. Entscheidend sei, dass der EU-Schnitt bei einem Wachstum von 0,9 Prozent liege und Österreich da weit abgeschlagen sei. Von einem "Sparpaket" zu reden, sei zwar "etwas verkürzt", aber Österreich sollte auf der Einnahmenseite rund 2,5 Mrd. Euro einsparen. Erst wenn Maßnahmen zur Senkung der Ausgaben erschöpft seien, sollte man über zusätzliche Steuern nachdenken, neben der Mineralölsteuer etwa auch Alkohol- und Tabaksteuern, die genutzt werden müssten, um Einsparungen gegenzufinanzieren.

Die aus Sicht der Wirtschaftsforscher nötigen Maßnahmen von Lohnnebenkostensenkungen über Durchforstung von Steuern, Abbau von Bürokratie bis zur Reform von große Ausgabenbereichen Gesundheit, Pflege und Pensionen sind nicht neu. Angesichts der bevorstehenden Wahl und der anschließend zu erwartenden Regierungsverhandlungen und der Regierungsneubildung ist aber ohnehin nicht schnell mit einem Reform- oder Sparpaket zu rechnen, sind Felbermayr und Bonin realistisch. Felbermayr urgiert, dass es "zumindest vor der Wahl nicht zu Wahlgeschenken kommt". Er wisse, dass im Wahlkampf nicht über den Konsolidierungsbedarf danach gesprochen werde, aber wenigstens sollten die Politikerinnen und Politiker "mitdenken, dass das, was sie heute versprechen, in den nächsten Jahren nicht einlösbar ist". Da die großen Reformen wohl Jahre dauern würden, könnte sich Felbermayr zwischenzeitlich eine schnell umsetzbare Erhöhung der Mineralölsteuer (MÖSt) vorstellen, um Defizit und Schulden in den Griff zu bekommen. Die MÖSt sei seit 2011 nicht an die Inflation angepasst worden, alleine ein Inflationsausgleich würde schnell 1,5 bis 2,5 Milliarden Euro einbringen "auch wenn man damit viel Zorn der Autofahrer auf sich zieht".

Bonin sieht Verzögerungen bei Maßnahmen etwas entspannter. "Selbst wenn wir eine handlungsfähige Regierung hätten", sollte diese in Hinblick auf eine mögliche Erholung im Herbst zunächst zuwarten. So ein Sparpaket würde wieder die Konjunktur dämpfen und im Vorfeld zu Unsicherheiten in der Wirtschaft führen, "insofern ist es vielleicht gar nicht so schlimm", dass Maßnahmen realistischerweise erst im zweiten Halbjahr 2025 kommen werden. Früher wäre zwar schöner, aber das sei nicht realistisch, sagte Bonin.

Auch wenn die Politik wohl kaum unmittelbar auf Vorschläge der Wirtschaftsforscher reagieren werde, "ist es wichtig, dass wir zeigen, dass Feuer am Dach ist", so Felbermayr. (apa)