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„Wipptiere sind die Favoriten“

Am Spielplatz ist Schluss mit Gendern. Mädchen haben andere Anforderungen als Buben.
Thomas Malloth

Am Spielplatz ist Schluss mit Gendern. Mädchen haben andere Anforderungen als Buben.

Das Investitionsvolumen kann sich sehen lassen: Die für die Gemeinde-wohnungen in der Bundeshauptstadt zuständige Organisation Wiener Wohnen investiert jährlich rund eine Million Euro – in Spielplätze. Die Anbieter von Geräten und Ausstattungen bieten mittlerweile clevere Konzepte für alle Zielgruppen unter den Spielbedürftigen an.

Lebenswertes Wohnen – so eine Maxime des sozialen Wohnbaus – hört nicht bei der eigenen Haustüre auf. Dafür, heißt es bei Wiener Wohnen, gibt es in Wien auf 610 Hektar Grünfläche entsprechend gestaltete Erholungs- und Freiräume. Dabei sind diese Flächen, die 855 Fußballfeldern entsprechen, mit rund 67.000 Bäumen und knapp 1,8 Millionen Sträuchern nicht nur für Kinder und Jugendliche nutzbar, sondern stehen auch älteren Bewohnern („Generationenspielplätze“) zur Verfügung.

Rund 1 Million Euro jährlich investiert die Stadt Wien bzw. Wiener Wohnen in die Kontrolle, Reinigung und die laufende Adaptierung ihrer Spielplatzanlagen. Und das sind aktuell nicht so wenige: 1.360 Spielplätze mit 3.500 Spielgeräten, das sind in etwa die Hälfte aller Spielplätze der Bundeshauptstadt und weit mehr als doppelt so viele Spielplätze wie in allen anderen acht Landeshauptstädten Österreichs zusammen, heißt es dazu bei Wiener Wohnen. Der Mehrwert für die Bewohner geht Hand in Hand mit einer logistischen Herausforderung für die Verwaltung, denn die Spielplätze müssen nicht nur errichtet, sondern auch gewartet werden. Dies geschieht bei den gemeindeeigenen Spielplätzen über einen eigenen, selbst entwickelten so genannten Spielplatzkataster, über den wichtige Daten zu laufenden Wartungs- und notwendigen Instandhaltungsmaßnahmen effizient abgerufen werden können.

Sinnliche Wahrnehmung

[caption id="attachment_9235" align="alignleft" width="289"]© Gemeinde Wien © Gemeinde Wien[/caption]

Worauf kommt es aber an, wenn ein Spielplatz errichtet werden soll? Hans Heider, Experte für Grünflächen & Spielplätze im Gemeindebau und Referatsleiter Gartentechnik, fasst die wichtigsten Punkte zusammen: „Bei der Wahl des Standortes des Spielplatzes sollte darauf geachtet werden, dass dieser gefahrlos und möglichst barrierefrei erreichbar sowie möglichst in Sicht- und Rufweite von den Wohnungen situiert ist.“ Konkret heißt das: geringe Immissionsbelastungen, keine besonderen Gefahren, keine feuchten Lagen, sonnige und schattige Bereiche, geringe Windexposition. Wenn diese Rahmenbedingungen abgesteckt sind, geht es ins Detail. Heider: „Die sinnliche Wahrnehmung der Außenwelt – Riechen, Schmecken, Fühlen, Hören, Sehen – sollte durch vielfältige Gestaltungs- und Ausstattungselemente gefördert werden. Lernerfahrungen, insbesondere haptische, sollten durch ein differenziertes Materialangebot sichergestellt werden.“ Das heißt, Rasen, Sand oder auch das Klettern auf Gebilden aus Holz, Metall, Tauwerk oder Steinen gehört zur Ausstattung. „Soziale Kontakte sollten durch kommunikationsfördernde Gestaltung und Ausstattung unterstützt werden“, erzählt der Spielplatzexperte von Spielgeräten für gemeinschaftliche Nutzung („Nestschaukel“) sowie Bereichen zum Zusammensitzen und Zuschauen. Seit Jahrzehnten, so Heider weiter, sind die Favoriten Wipptiere, Rutschen und Schaukeln.

Bei all der Konzentration auf Vergnügen darf ein Aspekt aber nicht vergessen werden, betont Spielplatzexperte Heider: „Die Spielstimmung bewirkt, dass Kinder ihre Umgebung oft nicht mehr aufmerksam wahrnehmen. Daher ist es erforderlich, zu gefährlichen Bereichen Abstände bzw. Abgrenzungen vorzusehen.“ Gefährliche Bereiche sind beispielsweise Straßen, Einfahrten in Tiefgaragen, Parkplätze. Ziel ist es, so Heider, den Kindern das Verlassen der Spielsituation bewusst zu machen.

Unterschiedliche Anforderungen

Spielplätze zu errichten ist offensichtlich ein sehr ernsthaftes Geschäft, das eine gute Marktbeobachtung erfordert. Josef Langenwalter, Geschäftsführer des Anbieters Spielort, weiß, worauf es ankommt: „Bei der Planung eines öffentlichen Spielplatzes sind verschiedene Themen im Vorfeld abzuklären. Darunter z.B. Aspekte wie soziales Umfeld: Liegen die Spielplätze im Umfeld von Einfamilienhäusern oder von Wohnblöcken, ist der Bewegungsbedarf in diesen Fällen total unterschiedlich.“ Auch die Altersstruktur der Nutzer ist wesentlich, so Langenwalter: „Man spricht hier zunächst vom Kleinkind zwischen 0 und 4 Jahren. Hier braucht man Federwipp-Elemente, Sandspiel, Wasserspiel oder Kleinkinderschaukeln. Kinder zwischen 5 und 11 Jahren benötigen schon abenteuerlichere Spielgeräte mit größeren Höhen, aber auch Action-Spielgeräte wie Seilbahnen, Hochschaukel, Vogelnestschaukel. Jugendliche ab 11 Jahren brauchen schon große Netzspielgeräte, Fun Courts, Skate Anlagen.“ Wie die Geräte beschaffen sind und welches Material verwendet wird, hängt von einer potenziellen Vandalismusbedrohung des Standortes ab, aber freilich auch von Budget und Geschmack des Kunden, erzählt der Spielort-Geschäftsführer.

Christian Seidl setzt ebenfalls auf durchdachte und bewährte Konzepte. Der Geschäftsführer für Deutschland, Österreich und der Schweiz des Anbieters Kompan berichtet, dass sich jede neue Spielplatzidee an den hausintern entwickelten sechs Grundsätzen für universelles und integratives Spielplatzdesign messen lassen muss: „Zugänglichkeit, Multifunktionalität, allseitige Bespielbarkeit, vielfache Spiel- ideen, Klarheit in Farben und Spielsignalen, Speziallösungen für Spezialfälle.“ Davon abgesehen sollte sich der Auftraggeber durchaus bewusst sein, für welche Umgebung, für welche Ziel- und Altersgruppe er welche Art von Attraktivität umsetzen möchte, ergänzt Seidl: „Mädchen haben andere Anforderungen als Buben, Spiel- und Klettergeräte für 5-jährige Kindergartenkinder müssen anders gestaltet sein als jene für 12-jährige Schüler oder 15-jährige Teenager.“ Sind die Geräte frei zugänglich oder in einem geschützten Raum, soll nur frei oder auch geführt gespielt werden können, sind die Fragen, die es im Vorfeld zu klären gilt.

Herausforderungen der Zukunft

[caption id="attachment_9236" align="alignright" width="343"]© Spielort © Spielort[/caption]

Die Demografie zeigt, dass wohl immer weniger Nachwuchs kommt. Macht sich das an der Auftragslage bemerkbar? „Die Marktsituation wird aufgrund immer schlechterer finanzieller Möglichkeiten der öffentlichen Hand zusehends schwieriger“, stellt Spielort-Geschäftsführer Langenwalter fest. Zu diesem nach wie vor größten Auftraggeber in diesem Bereich gesellen sich aber auch zusehends Interessenten aus der Hotellerie oder generell dem Tourismus, die ebenfalls in den Bereich Spielplatz investieren, erzählt Langenwalter. Ähnlich beschreibt auch Kompan Österreich-Chef Seidl die Marktsituation: „Die Hauptzielgruppen für unsere Produkte sind Kinderbetreuungseinrichtungen und Schulen, die öffentlichen Verwaltungen sowie die Wohnungswirtschaft und die Tourismus- und Hospitality-Industrie. Große internationale Kunden sind auch Fast-Food- und Restaurantketten.“ Das bisherige Jahresgeschäft „bewegt sich im Rahmen unserer Planungen“, so Seidl, bislang gebe es weder einen großen Boom noch besondere Dellen beim Auftragseingang.

In welcher Größenordnung bewegt sich die Errichtung eines durchschnittlichen Spieleparadieses? „Wir haben für kleine Flächen bereits für Budgets von 6.000 bis 10.000 Euro komplette Spielplatzlösungen im Angebot. Nach oben hin sind – entsprechend der vielen zu bedenkenden Parameter wie u.a. Fläche und Anforderungen an die Bespielbarkeit – kaum Grenzen gesetzt. Da können dann auch schnell sechsstellige Eurobeträge entstehen“, begründet Seidl die Kosten aufgrund des Einsatzes langlebiger und nachhaltiger Materialien.

Die größten Herausforderungen der Zukunft für seine Branche beschreibt der Kompan Österreich-Geschäftsführer so: „Nachhaltigkeit und Inklusion entsprechend der UN-Behindertenrechtskonvention sind und bleiben wichtige Themen für pädagogisch wertvolle Spielplätze und -geräte.“ Und Spielort-Chef Langenwalter ergänzt mit der Herausforderung, die Budgetsituation der Gemeinden mit dem geforderten Spielwert in Einklang zu bringen. Er bleibt aber optimistisch: „Da sich die Spielgerätebranche in den vergangenen Jahrzehnten als extrem kreativ herausgestellt hat, werden sich diese Problemstellungen auch lösen lassen.“

Karl-Marx-Hof, 19. Bezirk Wien

Die Anlage, in der etwa 3.000 Menschen leben, umfasst mehr als 150.000 Quadratmeter, von denen nur knapp 20 Prozent verbaut sind. Der Rest entfällt auf Grünflächen, Wege und Kinderspielplätze.

Im Rahmen einer umfassenden Sanierung des Hofes wurde auch die Neugestaltung von drei Spielplatzanlagen beauftragt. Das Investitionsvolumen betrug 220.000 Euro.

Für die Altersklasse 1+ gibt es Sandkiste, Spielhäuschen, Schaukel und mehrere Federwippen. An Vor- und Volksschulkinder richten sich mehrere Rutschentürme, Schaukelanlagen, ein Himmel-Hölle-Spiel sowie ein Klettergerüst. Neu ist ein Fitness-Parcour: Rudermaschine, Stepper und Beinmuskeltrainer sollen auch Erwachsene ansprechen.

Generationenhof Franz-Koblizka-Hof, 20. Bezirk Wien

In diesem Hof gibt es seit mehr als zwei Jahren einen so genannten Generationenspielplatz: Stepper und Rudermaschine für die Erwachsenen, Ballspielplatz mit Flüsterbelag für Kinder und Jugendliche, Federwippen und Wasserspielzeug speziell für Klein- und Vorschulkinder wurden errichtet. Schattige Sitzgelegenheiten, fest integrierte Schach- und Mühletische sollen von Großeltern und Enkel gleichermaßen genützt werden.

Alfred-Klinkan-Hof, 22. Bezirk Wien

Mehr als 1.000 Menschen leben hier in über 530 Gemeindewohnungen. Aufgrund unterschiedlicher Bedürfnisse bei der Nutzung des Freiraums kam es immer wieder zu Generationenkonflikten. Daher wurde gemeinsam mit Mietern, dem Nachbarschafts-Service wohnpartner, der Donaustädter Bezirksvorstehung sowie lokalen Jugendeinrichtungen ein Generationenhof für alle Altersgruppen entwickelt.

Insgesamt umfasst das Areal ca. 3.900 Quadratmeter. Im südlichen Teil wurden ein Kletterspielgerät und eine Sitztribüne für Musik- und Tanzveranstaltungen mit einer Schallschutzeinrichtung errichtet. In der ehemals ebenen Fläche in der Mitte des Hofes findet man heute ein leicht hügeliges Gelände mit vielen Ruhe- und Bewegungszonen, in das unter anderem ein Wasserspielplatz, ein Trinkbrunnen sowie Kommunikationszonen integriert sind. Durch die Neugestaltung des Hofes wurden nun Lärm- emissionen verringert. Zusätzlich wurden gemeinsam mit den verschiedenen Bewohnergruppen verbindliche Regeln für die Benützung des Generationenhofs erarbeitet.