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Wo sich in China jetzt Investmentchancen bieten

Eine Stabilisierung des Immobilienmarktes könnte die Konjunktur im Land ankurbeln. Für Anleger eröffnen sich dadurch interessante Investmentgelegenheiten im Reich der Mitte. Auf welche Branchen sich ein genauer Blick lohnen kann und was es zu beachten gilt, erläutert Marcel Huber, Portfoliomanager bei BlackPoint Asset Management.
Lisa Grüner
Wo sich in China jetzt Investmentchancen bieten
© ImmoFokus

China gilt als „Motor der Weltwirtschaft“. Im vergangenen Jahr ist der Motor jedoch massiv ins Stocken geraten. Die Hauptgründe waren die Verwerfungen am Immobilienmarkt und die strikte Null-Covid-Strategie der Regierung.

Viele Chinesen konnten aufgrund von Lockdowns oder Quarantäne-Bestimmungen zeitweise nicht zur Arbeit. Dies führte zu Problemen in der eigenen Wirtschaft, beispielsweise in Form fehlender Waren in Supermärkten, aber auch zu Schwierigkeiten in den internationalen Lieferketten. Aufgrund der Nachholeffekte nach der ersten Corona-Welle und den weltweiten fiskalischen und monetären Gegenmaßnahmen traf China erst 2022 die deutliche wirtschaftliche Abkühlung.

Lässt man die Pandemie-Jahre außer Acht, ist das chinesische Wirtschaftswachstum seit 2010 fast ausnahmslos leicht rückläufig, durchschnittlich um rund 0,5 Prozent pro Jahr. Unterstellt man nun ceteris paribus, dies hätte sich ohne Corona fortgesetzt, wäre die chinesische Wirtschaft im Jahr 2022 rund 4,5 Prozent gewachsen. Tatsächlich aber werden es geschätzte 3,3 Prozent gewesen sein. Das heißt: Die Corona-Maßnahmen haben grob gerechnet 1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gekostet. Wir gehen davon aus, dass die tatsächlichen Kosten sogar deutlich darüber lagen.

Chinesischer Aktienmarkt könnte 20 Prozent zulegen

Die Null-Covid-Politik ist also eine sehr kostspielige Angelegenheit, die sowohl den Wachstumspfad Chinas als auch die Mehrung des Wohlstands gefährdet. Laut einer von Goldman Sachs jüngst veröffentlichten Studie könnte eine vollständige Lockerung der Corona-Auflagen zu einem Anstieg des chinesischen Aktienmarkts um 20 Prozent führen und folglich eine Wertschöpfung von 2,6 Billionen US-Dollar mit sich bringen. So einfach könnte das Land seine wirtschaftliche Kraft neu entfalten und damit eines der obersten Ziele des chinesischen Staatspräsidenten und Chefs der Kommunistischen Partei Chinas, Xi Jinping, erfüllen.

Eine Innenpolitik, in der das Wohlergehen des Einzelnen trotz hoher Kosten über das Wohl der Allgemeinheit gestellt wird, erscheint nüchtern betrachtet dauerhaft ohnehin nicht tragbar für China.

Null-Covid-Politik ist Vergangenheit

Nach einer Zuspitzung der großangelegten Massenproteste in Shanghai, Peking und anderen Metropolen am letzten Novemberwochenende 2022 gegen die strikten Corona-Maßnahmen und deren teils unmenschliche Durchsetzung geriet die Regierung immer stärker unter Druck.

Schließlich erfolgte ein Umdenken: In einer Erklärung zur Sitzung des Politbüros vom 7. Dezember 2022 wurde die Null-Covid-Politik nicht erwähnt und damit de facto ein pragmatischer Ansatz im Umgang mit Corona eingeläutet.

Interessant: Ebenso wenig wie die Null-Covid-Politik wurde der Immobiliensektor thematisiert – trotz seiner entscheidenden Rolle für die chinesische Wirtschaft.

Probleme im Immobiliensektor sollen aufgearbeitet werden 2020 ist in China eine gigantische Immobilienblase geplatzt, die viele große Immobilienentwickler des Landes wie Evergrande oder Fantasia Holdings in Schieflage brachte.

In den vergangenen beiden Jahren adressierte Xi Jinping das von einem aufgeblähten Immobilienmarkt ausgehende, stetig wachsende Systemrisiko durch ein Reformpaket. Die Regulierung wurde verschärft und die Fremdkapitalquoten wurden limitiert. Aufgrund der hohen Summen gebundenen Kapitals in Bauprojekten und der fehlenden Fähigkeit der Refinanzierung gerieten die Projektentwickler ins Straucheln.

Im November 2022 folgte ein Kurswechsel, um dem Krisensektor unter die Arme zu greifen: Ein aus Liquiditätsmaßnahmen und Kreditverlängerungen bestehendes Hilfspaket ebnete den Weg.

Zuletzt wurden große Banken angehalten, Kredite an Immobilienentwickler zu vergeben, damit diese ihre internationalen Schulden begleichen können. So sollten weitere Zahlungsausfälle und Ansteckungseffekte verhindert werden.

Fokus der Regierung liegt auf Wirtschaftswachstum

Insgesamt wird sich die chinesische Regierung in der neuen Amtszeit Xi Jinpings vor allem auf die Stärkung des Wirtschaftswachstums im Land fokussieren. Wir gehen davon aus, dass der strauchelnde Immobilienmarkt vor einem Kollaps bewahrt und die Wirtschaft durch eine Lockerung der Null-Covid-Politik geöffnet wird. Das könnte der globalen Konjunktur ebenso wie der deutschen Wirtschaft aufgrund der engen Handelsbeziehungen zugutekommen. Vor allem der Automobilsektor, aber auch Maschinen- und Anlagenbauer, Chemiefabrikanten sowie Elektrotechnik-Anbieter hierzulande sollten zu den Exportprofiteuren gehören.

Zu den wichtigsten deutschen Einfuhren aus China gehören neben Kleidung vor allem Elektronik und Geräte für Datenverarbeitung und Kommunikation. Aufgrund der neuen Corona-Politik Chinas dürften sich Lieferkettenprobleme im Hardware-Bereich sowie der Modeindustrie zerstreuen und höhere Umsätze möglich werden.

Vielfältige Anlagechancen am chinesischen Markt

Der chinesische Finanzmarkt selbst bietet Investoren vielfältige Chancen. Unsere Chinastrategie konzentriert sich auf zwei Arten von Unternehmen: einerseits solche, die langfristige internationale Trends bedienen und dabei eine dominante Rolle einnehmen. Im Fokus stehen beispielsweise Unternehmen, deren Produkte für die Energiewende unverzichtbar sind – etwa Hersteller wichtiger Grundstoffe für den Ausbau erneuerbarer Energien. Auf der anderen Seite favorisieren wir Unternehmen, die einen hohen Anteil ihrer Umsätze im Binnenmarkt erzielen und zudem einen entscheidenden Stellenwert im wirtschaftlichen Ökosystem Chinas innehaben. Dazu gehören beispielsweise Plattformanbieter für digitale Dienstleistungen, Handel oder Mobilität.

Aufgrund abnehmender internationaler Kooperation mit dem Westen und zunehmender Konflikte – politisch wie geopolitisch – sollten Investitionen in China immer wohldosiert bleiben. Darüber hinaus kommt es mehr noch als ohnehin auf eine genaue Analyse der potenziellen Investmentziele an. Neben den unternehmensspezifischen Kennzahlen sollten Investoren zusätzlich ein besonderes Augenmerk auf politische Risiken legen: Sind sensible Sicherheitsinteressen Chinas oder anderer Länder betroffen? Inwiefern könnten mögliche Sanktionen dem Unternehmen schaden? Ist das Unternehmen oder die Branche im Visier der staatlichen Regulierung? Gibt es innenpolitische Interessenskonflikte? Diese Faktoren sollten analysiert und bei der Investitionsentscheidung berücksichtigt werden.

Grundsätzlich sind Investitionen in Schwellenländer aufgrund weniger stabiler Rahmenbedingungen mit erhöhten Risiken verbunden. Aufgrund des dynamischen Wachstums in China bieten sich aber auch attraktive Chancen, die diese Risiken rechtfertigen können.