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Wohnen im Wandel

Neuer Wohnraum ist gefragt. Aufgrund des Bevölkerungswachstums - vor allem in Wien - steigt die Nachfrage nach Wohnraum. Mangels Angebot gehen die Preise für Immobilien nach wie vor in die Höhe.
Michael Neubauer

Neuer Wohnraum ist gefragt. Aufgrund des Bevölkerungswachstums - vor allem in Wien - steigt die Nachfrage nach Wohnraum. Mangels Angebot gehen die Preise für Immobilien nach wie vor in die Höhe.

Im Jahr 2023 werden laut Statistik Austria rund zwei Millionen Menschen in Wien leben. Demographie, Bevölkerungswachstum und Zuwanderung erhöhen vor allem im Ballungsraum Wien die Wohnungsnachfrage. Mit einer steigenden Anzahl an Singlehaushalten und einer Überalterung unserer Gesellschaft ist auch der Anspruch an Wohnungen im Allgemeinen einem Wandel unterworfen. „Die aktuelle Entwicklung des Mietmarktes zeigt ganz klar, dass vor allem kleine Einheiten für Singles zwischen 30 und 45 Quadratmetern die stärkste Nachfrage erfahren“, so Markus Ritter, Vorstandsvorsitzender der C&P.

Auch wenn kräftig gebaut wird – das Angebot hinkt der Nachfrage nach. In ihrer gemeinsamen Marktstudie „Neubau-Projekte Eigentums- und Vorsorgewohnungen in Wien 2016" zählen Standort + Markt und bulwiengesa 21.507 Wohnungen in 394 Neubauprojekten im freifinanzierten Eigentums- und Vorsorgewohnungssegment. Die Projekte sind in die Entwicklungsstadien Planungsphase, Bauvorbereitung, in Bau befindlich sowie Projekt fertiggestellt unterteilt. In den Bauvorhaben wurden Eigentumswohnungsprojekte oder Vorsorgeprojekte ab zehn Wohneinheiten und mehr in der Phase zwischen Mai 2015 und Ende 2020 eingebunden. In den Bezirken Donaustadt, Floridsdorf und Liesing herrscht, wie in den vergangenen Jahren, die höchste Bau-tätigkeit. „Der Grund dafür ist das besonders starke Bevölkerungswachstum in den Wiener Außenbezirken, was zugleich für eine hohe Nachfrage nach Wohnraum sorgt. Schon seit Jahren wird in diesen Bezirken aufgrund der vergleichsweise noch günstigen Grundstückspreise sowie der größeren Flächenreserven besonders intensiv gebaut“, erläutert Roman Schwarzenecker, der federführend bei Standort + Markt die Untersuchung leitet.

Der rechnerische Durchschnittskaufpreis der ausgewerteten Informationen beträgt in Wien 4.810 Euro pro Quadratmeter, was einem Anstieg von sechs Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspricht. „Die Nachfrage nach Neubauwohnungen in Wien ist besonders stark, was aufgrund des derzeit begrenzten Angebots zu einem Anstieg der Kaufpreise führt“, ergänzt Kooperationspartner und bulwiengesa-Vorstand Thomas Voßkamp. Die höchsten Durchschnittspreise wurden in den bevorzugten Wohnlagen Innere Stadt, Wieden, Josefstadt und Döbling dokumentiert. Dagegen wurden die niedrigsten Durchschnittspreise in den ehemals stark von der Industrie geprägten Bezirken Simmering, Liesing, Donaustadt und Favoriten erzielt. Zwar wurde in den vergangenen Jahren die Bautätigkeit erhöht, dennoch reicht das aktuelle Fertigstellungsvolumen nicht aus, um die gestiegene Nachfrage zu bedienen.

Lokale Akteure beherrschen den Markt

„Der Wiener Wohnungsmarkt wird hauptsächlich von lokalen Akteuren beherrscht, die in den vergangenen Jahren das Projektvolumen deutlich steigern konnten. Dennoch gelten die vergleichsweise teuren Grundstückspreise, die stetig steigenden Erschließungs- und Baukosten, städtebauliche Einschränkungen sowie lange Umwidmungs- und Genehmigungsverfahren als limitierende Faktoren für die Bauträger“, erklärt Standort + Markt Gesellschafter Schwarzenecker. „Mittelfristig bleibt zu hoffen, dass die Bauintensität durch Bauträger für freifinanzierte Wohnungen weiter gesteigert wird, um den Wohnbedarf von ca. 10.500 neuen Wohnungen pro Jahr bis 2035 bedienen zu können“, resümiert Voßkamp.

Daher ist es kein Wunder, dass der Immobilienmarkt boomt. „Bereits im Jahr 2015 verzeichneten wir ein All-Time-High am Eigentumswohnungsmarkt. Trotz der deutlichen Steigerung im Vorjahr hat der Markt im ersten Halbjahr 2016 mengenmäßig noch einmal zugelegt. Die Wohnungspreise selbst sind in vielen Regionen weitgehend stabil, vor allem in Wien, in der Steiermark und in Oberösterreich. Die Eigentumswohnung als Anlageform erfreut sich weiterhin großer Beliebtheit und daran wird sich mangels Alternativen auch nicht so schnell etwas ändern“, sagt der Geschäftsführer von RE/MAX Austria, Bernhard Reikersdorfer.

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Wohnungspreise 4,9 Prozent im Plus

Österreichweit sind laut RE/MAX Austria im Jahresvergleich Jänner bis Juni die Wohnungspreise im Schnitt für eine typische Wohnung auf 178.790 Euro, also um 4,9 Prozent gestiegen. Das ist nach der Verschnaufpause im Vorjahr (minus 2 Prozent) um 2,8 Prozent mehr als 2014 und um 30,6 Prozent mehr als noch vor fünf Jahren. Jede vierte Wohnung kostete heuer weniger als 104.130 Euro. Damit überschreitet die Preisschwelle des unteren Preisviertels im Halbjahresvergleich erstmals die magische 100.000-Euro-Grenze pro Wohnung. Am anderen Ende der Preisbandbreite, nämlich im oberen Preisviertel, investierten die Käufer in den Wohnungskauf mindestens 246.554 Euro und mehr. Das ist immerhin eine Steigerung um 6,1 Prozent im Vergleich zum ersten Halbjahr 2015 und „zeigt, dass bei Eigentumswohnungen im oberen Preissegment die Bewegung wieder spürbar zunimmt“, so Reikersdorfer.

Quadratmeterpreise 6,7 Prozent im Plus

Ein typischer Quadratmeter Wohnfläche kostete in Österreich im ersten Halbjahr 2016 bundesweit 2.901 Euro und damit um 6,7 Prozent mehr als 2015 und um 38,7 Prozent mehr als noch vor fünf Jahren (2.091 Euro pro Quadratmeter).

Die Bandbreite der Quadratmeterpreise in Österreich: Ein Viertel aller Wohnungen wurde um weniger als 1.998 Euro pro Quadratmeter (plus 6,5 Prozent) und ein weiteres Viertel um mehr als 3.718 Euro pro Quadratmeter (plus 7,6 Prozent) vermarktet. Alle anderen Quadratmeterpreise lagen dazwischen. „Mit Preissprüngen ist in absehbarer Zeit in Wien nicht zu rechnen, wir erwarten aufgrund der aktuellen Marktsituation weitgehend stabile Preise. Daran wird sich auch in den nächsten Monaten – vorausgesetzt, die derzeitigen Rahmenbedingungen bleiben gleich – nichts ändern “, so Reikersdorfer.

Bei Fertigstellung verkauft/vermietet

Neu auf den Markt kommende Objekte sind stark nachgefragt und in der Regel bei Fertigstellung weitestgehend vermietet bzw. verkauft. Mittlere bzw. bereits entwickelte Lagen hingegen konnten noch ein Wachstum knapp über der Inflationsrate verzeichnen. Das hochpreisige Segment hält ebenso die hohen Preise – wenn hier Objekte auf den Markt kommen, die keine Wünsche offen lassen, sind die Kunden auch bereit, tief in die Tasche zu greifen.

In der aktuellen Debatte um die Wohnungsknappheit in den Ballungszentren wird auch dem Thema Mikrowohnungen eine immer größere Bedeutung beigemessen.

Das Segment des Mikro-Wohnens bewegt sich dabei oftmals im Spannungsfeld zwischen Wohnen und Beherbergung und umfasst beispielsweise Wohnapartmenthäuser, Studentenwohnanlagen, aber auch Serviced Apartments. Insbesondere letztere bewegen sich aufgrund ihrer vielfältigen Serviceangebote bereits im Beherbergungs- und Hotelsegment. Am Investmentmarkt ist feststellbar, dass die Nachfrage nach Mikro-Wohnanlagen in den letzten zweieinhalb Jahren deutlich zugenommen hat, vor allem nach Studentenwohnanlagen. Weltweit betrachtet floss angesichts eines Transaktionsvolumens von rund 16,5 Milliarden Euro noch nie so viel Kapital in Mikro-Wohnanlagen wie im letzten Jahr.

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Der neue Trend: Mikrowohnungen

Weil das Segment des Mikro-Wohnens somit von diversen Langfristtrends profitiert, suchen immer mehr langfristig agierende Akteure nach Investmentmöglichkeiten. Dementsprechend zeichneten Fondsmanager und offene Spezialfonds im bisherigen Jahresverlauf für etwa 49 Prozent bzw. 40 Prozent des Transaktionsvolumens verantwortlich. Hinter vielen dieser Fonds stehen institutionelle Investoren wie etwa Versicherungen oder Pensionskassen. Mit zunehmender Reife dieses Marktes dürfte zudem das Liquiditätsrisiko für Investoren weiter abnehmen und mittelfristig für noch mehr Investitionen sorgen.

… oder gleich ein ganzes Zinshaus

2016 könnten erstmals wieder mehr Objekte auf den Markt kommen, da zahlreiche institutionelle Investoren das hohe Preisniveau nützen werden, um sich von einzelnen Objekten oder ganzen Portfolios zu trennen. Das Transaktionsvolumen von 1,35 Milliarden Euro im Vorjahr wird 2016 aller Voraussicht nach erneut übertroffen werden. Überdurchschnittlich stark ist die Investmentaktivität in jenen Bezirken, die erst vergleichsweise spät in den Fokus der Investoren rückten, wie z.B. Margareten, aber auch in Bezirken außerhalb des Gürtels, wie Meidling oder die Brigittenau. Wie aus dem Wiener Zinshausmarktbericht von EHL Immobilien hervorgeht, wird je nach Lage ein Anstieg der Quadratmeterpreise um drei bis zehn Prozent erwartet.

Aktuell werden in der Innenstadt bis zu 9.000 Euro pro Quadratmeter erzielt, der teuerste Bezirk innerhalb des Gürtels ist die Josefstadt mit bis zu 4.000 Euro pro Quadratmeter. Vergleichsweise günstige Investitionsmöglichkeiten finden Investoren innerhalb des Gürtels in Margareten mit bis zu 2.500 Euro pro Quadratmeter bzw. außerhalb des Gürtels in Meidling mit bis zu 1.850 Euro pro Quadratmeter oder Rudolfsheim-Fünfhaus mit bis zu 1.650 Euro pro Quadratmeter. „Der Aufwärtstrend wird auch in den kommenden Jahren weiter anhalten“, sagt Michael Ehlmaier, geschäftsführender Gesellschafter von EHL Immobilien. Die erzielbaren Renditen bleiben jedoch weiterhin unter Druck. Der Großteil der Transaktionen bewegt sich in einem Renditebereich von 1,7 bis 4,1 Prozent.

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Objekte mit Ausbaupotenzial gesucht

Der Zinshausmarkt ist weiterhin fest in der Hand österreichischer Investoren. Stiftungen und private Investoren zeichnen mit 52 Prozent für mehr als die Hälfte des Transaktionsvolumens verantwortlich. Ebenfalls stark engagiert sind Projektentwickler mit 40 Prozent. Diese suchen gezielt Objekte mit Ausbaupotenzial, da durch das steigende Preisniveau am Wohnungsmarkt in immer mehr Lagen, z.B. in Meidling, Rudolfsheim-Fünfhaus oder Ottakring, Dachgeschoßausbauten und der Abverkauf in Eigentumswohnungen wirtschaftlich sinnvoll geworden sind.

Die Nachfrage ausländischer Investoren nach Zinshausinvestments bleibt gering. Dies liegt zum einen am komplexen Mietrechtsgesetz, zum anderen wollen finanzstarke Investoren in der Regel aus verwaltungsökonomischen Gründen größere Volumina in Zinshausportfolios, von denen jedoch kaum welche auf den Markt kommen, investieren, anstatt nur einzelne Objekte zu kaufen.

Starke Anstieg bei Transaktionen mit Zinshausanteilen

Auffallend ist der starke Anstieg bei Transaktionen mit Zinshausanteilen. „Diese Entwicklung ist auf die teilweise stark gefallenen Renditen bei Zinshausinvestments zurückzuführen. Da die Quadratmeterpreise bei Zinshausanteilen um bis zu 25 Prozent niedriger liegen, sind auch entsprechend höhere Renditen möglich, sodass Investments in Zinshausanteile für renditeorientierte Investoren zunehmend attraktiv werden. Zum anderen ist die, durch den anhaltenden Trend zur Parifizierung, ganz allgemein immer geringere Verfügbarkeit von Zinshäusern im Alleineigentum ein Grund, als Alternative in einen Zinshausanteil zu investieren“, erklärt EHL-Zinshausexperte Franz Pöltl.