IMMOunited - Grundbuchauszug, Eigentumsrecht, Immobilienbewertung

Wohninvestoren setzen zunehmend auf Auslandsmärkte

Westeuropa im Fokus: Metropolen wie Wien, Amsterdam und Dublin bieten regulatorische Klarheit und Möglichkeiten für bezahlbaren Wohnraum.
Dagmar Gordon
Dagmar Gordon
Wohninvestoren setzen zunehmend auf Auslandsmärkte
© Union Investment

Der deutsche Wohnungsmarkt steht unter Druck. Hohe Baukosten, langwierige Genehmigungsverfahren, unstete Förderkulissen, hohe Baustandards und regulatorische Unsicherheiten führen dazu, dass Investoren ihre Blicke vermehrt über die Grenzen hinaus richten. Dies wurde im Rahmen der Online-Pressekonferenz "Beyond Germany: Warum sich der Fokus von Wohninvestoren ins Ausland verschiebt" deutlich.

Vier Marktexperten teilten ihre Einschätzungen: Pepijn Morshuis, CEO von Trei Real Estate, Felix Meyen, Geschäftsführer der HIH Invest Real Estate, Michael Keune, Geschäftsführer bei Catella Investment Management, sowie Gerhard Lehner, Head of Germany bei Savills Investment Management, analysierten aktuelle Entwicklungen und gaben Einblick in ihre internationalen Investmentstrategien.

Deutschland: Verfahrenskomplexität als Investitionsbremse

Pepijn Morshuis beschrieb die strukturellen Probleme des deutschen Genehmigungswesens aus Entwicklersicht. Besonders kritisch seien die langen Durchlaufzeiten bei Bebauungsplanverfahren. Er erläuterte, dass Projekte in Berlin teilweise seit über einem Jahrzehnt auf Genehmigungen warten. Selbst bei Bauvorhaben nach §34 BauGB beträgt die Dauer für den gesamten Projektverlauf – von der Planung über die Genehmigung bis zur Umsetzung und Fertigstellung – in der Regel sechs bis acht Jahre.

Trotz positiver Signale aus der Politik blieben die Prozesse zäh. Genehmigungsbehörden agierten aus Angst vor Fehlern häufig verzögernd. Der stete Wechsel politischer Mehrheiten führe zu ständig neuen Anforderungen, was sowohl Investoren als auch Entwickler stark verunsichere und eine belastbare Kalkulation erschwere.

Ein internationaler Vergleich macht deutlich, dass vergleichbare Prozesse in Ländern wie Polen und den USA innerhalb weniger Monate abgewickelt werden können. Trei Real Estate konzentriert sich deshalb verstärkt auf Standorte im Südosten der USA, wie Charlotte in North Carolina, sowie die größeren Städte in Polen, z.B. Poznań. Dort sorgen zentrale Bearbeitungsteams bei den Behörden, verbindliche Fristen und pragmatische Kommunikation für deutlich effizientere Abläufe.

„Wir haben in den USA erlebt, dass man mit klaren Fristen und festen Ansprechpartnern innerhalb von zweieinhalb Jahren ein komplettes Bebauungsplanverfahren durchführen kann. Das gesamte Projekt wurde in nicht einmal fünfeinhalb Jahren realisiert – in dieser Zeit erhalten Sie hierzulande nicht einmal eine Baugenehmigung“, erläutert Morshuis. „In Deutschland haben die Behörden oft Angst, Fehler zu machen. Gleichzeitig stellt die Lokalpolitik immer mehr Anforderungen an Entwickler wie uns – genau das lähmt den gesamten Prozess.“

Investorenperspektive: Stabilität und Rendite im Ausland

Felix Meyen beleuchtete die Sichtweise institutioneller Investoren. Trotz eines unverändert hohen Interesses an Wohnimmobilienprojekten sei die Zahl der geeigneten Vorhaben in Deutschland rückläufig. Der hohe Nachfrageüberhang in den Metropolen treffe auf eine strukturelle Angebotsknappheit. Gleichzeitig steigen die Risiken auf der Kostenseite, während die erzielbaren Renditen teils nicht ausreichen, um diese auszugleichen.

HIH Invest reagiert auf diese Entwicklungen mit einem weiteren strategischen Fokus auf westeuropäische Metropolen mit stabiler Nachfrage und verlässlichen Rahmenbedingungen. Ein Beispiel dafür ist der Ankauf des Projekts "Quartier 11" in Wien. Dieses Investment steht exemplarisch für eine Kombination aus transparenter Regulatorik, vertretbaren Baukosten und guten ESG-Rahmenbedingungen. Dabei ist bezahlbarer, zukunftsfähiger Wohnraum mit klarer sozialer Einbindung und guter Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr entstanden. Neben Wien rücken auch Amsterdam, Kopenhagen, London und Dublin verstärkt in den Fokus der HIH-Investmentstrategie.

„Wir sehen auf Investorenseite ein großes Interesse an stabilen, risikoarmen Produkten im Wohnbereich“, sagt Meyen. „Die steigende Nachfrage nach Wohnraum, stabile Mietentwicklung und eine positive demografische Perspektive bilden ein solides Fundament.“

Skandinavien und Irland: Renditestarke Alternativen

Michael Keune betonte die strukturellen Chancen, die sich auf den nordischen und irischen Wohnungsmärkten bieten. Catella bewertet europäische Märkte anhand zahlreicher Kriterien, unter anderem hinsichtlich Mietregulierung, Preisentwicklung, Eigentümerstruktur und Finanzierungskosten. Finnland beispielsweise weist kaum regulatorische Eingriffe auf. Diese Marktstruktur begünstigt eine hohe Preistransparenz sowie schnelle Anpassungen der Marktwerte und führt zu einem stark institutionell geprägten Eigentum mit stabilen Cashflows.

„Finnland ist einer der liberalsten Wohnungsmärkte Europas. Das bedeutet für uns mehr Planbarkeit, mehr Dynamik und geringere Regulierungsrisiken“, erklärt Keune. „Diese Faktoren sind entscheidend für den langfristigen Investmenterfolg.“

Irland wiederum profitiert insbesondere im Bereich des studentischen Wohnens vom Brexit. Die Nachfrage nach Studienplätzen in Dublin steigt stark an, während das Angebot an Wohnraum kaum mithält. Catella prüft aktuell ein studentisches Wohnprojekt in der irischen Hauptstadt, das eine Bruttoanfangsrendite von über acht Prozent verspricht. Der bestehende Nachfrageüberhang in Kombination mit planbaren Mieteinnahmen stellt für institutionelle Anleger eine außergewöhnlich attraktive Opportunität dar.


„In Irland sehen wir aktuell eine einmalige Marktchance im Bereich studentisches Wohnen. Die Nachfrage explodiert – und das Angebot kann nicht mithalten.“
—Michael Keune - Geschäftsführer, Catella Investment Management

Japan: Stabile Anker in einem volatilen Weltmarkt

Gerhard Lehner lenkte den Blick auf den japanischen Wohnimmobilienmarkt und schilderte die Erfahrungen von Savills Investment Management im Mehrfamilienhaussegment. Japan zeichnet sich durch eine im Vergleich zu den europäischen Staaten niedrige Wohnkostenquote im Bereich unter 21 Prozent aus, sowie durch stabile soziale Strukturen, verlässliche Marktmechanismen und geringe Leerstandsraten. Tokio ist dabei ein herausragendes Beispiel. Die Stadt ist nicht nur deutlich größer als europäische Metropolen wie London, Paris oder Berlin, sondern bietet auch eine kontinuierlich stabile Nachfrage und sehr geringe Fluktuation.

Savills Investment Management verwaltet im Rahmen des Residential Evergreen Fund derzeit 56 Objekte im Großraum Tokio mit nahezu vollständiger Vermietung. Die Zielausschüttung liegt bei über vier Prozent jährlich. Die Möglichkeit, in Yen zu finanzieren, bietet in Verbindung mit Währungsabsicherungen zusätzliche Ertragsvorteile. Der japanische Markt erweist sich somit als verlässlicher Stabilitätsanker in einem von Unsicherheit geprägten globalen Umfeld.

„Tokio ist eine der dynamischsten und zugleich stabilsten Metropolregionen weltweit. Hier sehen wir langfristig stabile Erträge mit geringen Risiken“, erklärt Lehner.

Er ergänzt: „Der japanische Markt bietet uns ein professionelles Umfeld, eine hohe Mieterzufriedenheit und eine geringe regulatorische Komplexität. Für internationale Investoren ist das ein echtes Plus.“

Politische Impulse gefragt: Deutschland muss investieren

Zum Abschluss wurde im Panel diskutiert, durch welche Maßnahmen der Wohnungsbau in Deutschland wieder angekurbelt werden kann. Die Runde war sich einig, dass es grundlegende Reformen erfordert, um Deutschland wieder als attraktiven Investitionsstandort zu positionieren. Die Digitalisierung und Entbürokratisierung von Genehmigungsprozessen sind dabei ebenso zentral wie eine Überprüfung technischer Normen, die vielfach zu Kostensteigerungen führen, ohne einen im Verhältnis dazu stehenden Nutzen für die Nutzerinnen und Nutzer zu generieren.

Zudem müssen Investitionen in den sozialen Wohnungsbau sowie die Stärkung kommunaler Bauträger gezielt gefördert werden. Die bestehende Mietregulierung sollte differenziert betrachtet und im Hinblick auf ihre langfristigen Auswirkungen auf Investitionen und Wohnraumversorgung neu bewertet werden. Pepijn Morshuis bringt es auf den Punkt: „Es reicht nicht aus, das Wohnungsproblem zu benennen. Die öffentliche Hand muss aktiv Verantwortung übernehmen, durch finanzielle Zuschüsse und den vermehrten Eigenbau von Wohnungen.“

Gleichzeitig sei eine partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen öffentlicher Hand und privaten Entwicklern notwendig. Die aktuell polarisierte Debatte behindere pragmatische Lösungen und verzögere dringend benötigte Investitionen.

Fazit: Internationale Diversifizierung ist strategische Notwendigkeit

Die vier Referenten waren sich einig: Die Internationalisierung institutioneller Wohninvestitionen ist keine vorübergehende Modeerscheinung, sondern eine rationale Reaktion auf strukturelle Hemmnisse im deutschen Markt. Während Städte wie Berlin, Hamburg oder München mittelfristig mit Unterversorgung kämpfen, ermöglichen europäische und globale Zielmärkte eine zügige, planbare und wirtschaftlich tragfähige Projektentwicklung.

Deutschland bleibt relevant, doch sein Status als sicherer Investitionshafen gerät zunehmend unter Druck. Wer Wohnraum schaffen will, benötigt nicht nur Kapital, sondern auch politische Rückendeckung, verlässliche Rahmenbedingungen und langfristige Planungssicherheit.