Seit mehreren Jahren freue ich mich über die nachhaltige Umsetzung eines endlich für mich funktionierenden Neujahrsvorsatzes, der da lautet: „Ein bisserl mehr UND als ODER.“ Ich möchte mich etwa nicht mehr entscheiden müssen, ob ich ein urbanes Umfeld oder ein Leben am Land präferiere, weil beides sich interessant entwickelt und ich beides erfolgreich erproben durfte.
Think glocal
Nicht umsonst zieht es Menschen in Speckgürtel-Gebiete, die an Städte angrenzen. Hier vermischen sich die Annehmlichkeiten der Urbanität und eines ausgebauten öffentlichen Verkehrsnetzes mit einer vertrauten ruhigen Umgebung, in der Nachbarschaftshilfe kein Fremdwort ist.
Diese Annehmlichkeiten stellen sicher ein wesentliches Kriterium einer modernen Stadtquartier-Entwicklung dar, deren Akteure beispielsweise gefordert sind, fußläufig erreichbare Geschäfte, Restaurants, Naturraum, Kinderbetreuung, Arbeitsmöglichkeiten kombiniert mit guter Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel, Kultur, Bildung und ärztliche Versorgung zu schaffen – denn, warum sollte man auf einen der gewünschten Faktoren verzichten, wenn sich diese ideal kombinieren lassen?
Freunde. Das Leben ist lebenswert.
Soziale Kontakte sind das Um und Auf jedes Landlebens. Ich bin erfreulicherweise in einer recht großen Familie inmitten einer steirischen Idylle aufgewachsen und mir wurde früh der wichtigste Grundsatz am Land gelehrt: Immer (wirklich IMMER) freundlich – und gegebenenfalls gegenüber älteren Dorfbewohnern laut (!) – zu grüßen. Nach wie vor ist auch der bodenständige, freundschaftliche Zusammenhalt, der mich dankenswerterweise seit früher Kindheit begleitet, eine wesentliche Komponente für mein schon früh von Kommunikation geprägtes Wesen.
Natürlich war es für mich als Zwanzigjährige, die ihr Lebens-Wohnbuch der Liebe wegen um ein aufregend neues, urbanes Kapitel erweitert hat, sehr spannend zu entdecken, wie diverse gelernte Grundregeln in einer Hauptstadt nie funktionieren würden – in Wien grüßt dich halt auf der Straße keiner zurück. Sehr spannend fand ich dann doch den Impuls vieler im städtischen Gebiet Angesiedelter, ihren Wohnsitz in den ersten beiden coronabedingten Lockdowns so schnell wie möglich ins Elternhaus oder den Zweitwohnsitz am Land zu verlegen. Offensichtlich kann eine harmonische, vertrauensvolle Umgebung in Krisenzeiten eben doch noch oft den kleinen Unterschied machen.
Tolerieren oder integrieren?
Top-Schlüsselfaktoren der Quartiersentwicklung in der Immobilienbranche sind ja die ganzheitliche Planung und Gestaltung von Stadtvierteln, um sie zu lebenswerten und funktionalen Gemeinschaften zu machen. Dieser Ansatz geht über die bloße Errichtung von Gebäuden hinaus und berücksichtigt eine Vielzahl von sozialen, wirtschaftlichen, ökologischen und kulturellen Faktoren. Zu den wichtigsten Aspekten zählen neben den Zielen, eine effiziente und attraktive Umgebung zu schaffen, erneuerbare Energiequellen zu nutzen, die natürliche Umwelt zu schützen und die Erreichbarkeit und Zugänglichkeit zu gewährleisten ebenso, die Schaffung von Wohnraum für verschiedene Einkommensgruppen, die Integration von sozialen Einrichtungen wie Schulen und Gesundheitszentren sowie die Förderung der sozialen Interaktion sicherzustellen – sofern es halt gelingt.
Die optimale Mischung aus Wohn- und Gewerbeimmobilien kann eine wirtschaftliche Chance rund um Arbeitsplatzbeschaffung bedeuten – sofern es halt gelingt.
Das alles erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen Stakeholdern wie Stadtplanern, Architekten, Entwicklern sowie Regierungen. Genehmigungsverfahren, Zonenvorschriften und Umweltauflagen können das Vorankommen behindern, zudem sollte eine flexible Entwicklung dazu beitragen, sich an ändernde Bedingungen rasch anpassen zu können. Dazu dient als wichtiger Bestandteil im Planungsprozess die Einbeziehung der Anwohner, was die Akzeptanz und Unterstützung der Gemeinschaft für das Projekt fördert und eine langfristige Nachhaltigkeit und Lebensqualität für die Bewohner sicherstellen kann – sofern es halt gelingt.
Clever, weil smart
Moderne Quartiersentwicklung berücksichtigt die Integration von Technologie, um die Lebensqualität zu verbessern. Dies kann die Bereitstellung von Internet, Smart-Home-Systemen, intelligenten Verkehrslösungen und Energieeffizienz-Technologien umfassen. Zudem fördert eine „sharing economy“ die Verwendung von Ressourcen wie PKWs, Fahrrädern und nicht zuletzt Freiflächen zur Gemeinschaftsnutzung. Mangelnde Nachhaltigkeitsgedanken in der Planung können hingegen neben Umweltauswirkungen zu langfristigen Problemen wie hohen Betriebskosten oder sozialer Unzufriedenheit führen.
Weiters hat die zunehmende Flexibilität von New-Work-Modellen natürlich Auswirkungen auf die Planung neuer Quartiere. Es werden vermehrt Coworking-Spaces und Arbeitsbereiche in Wohnviertel integriert, die darauf warten, von ihren Bewohnern auch genutzt zu werden.
Ganz frech gesagt: Die Entwicklung eines idealen Stadtquartiers kann einen optimalen Rahmen für soziale Interaktion und Vernetzung schaffen – letztlich liegt es an jedem einzelnen Bewohner, das Quartier mit Leben zu befüllen.
Zur Autorin:
Anita Körbler ist ideenreiche Branchenkennerin und Managerin mit Herz und Hirn. Körbler kann auf langjährige Erfahrung in Immobilienunternehmen sowie exklusive Projekte im öffentlichen Bereich (PPP) zurückblicken. Berufsbegleitend absolvierte sie erfolgreich zwei Studien im Bereich Wirtschaft und Public Communications, zeichnete jahrelang für verschiedene PropTech-Unternehmen als Geschäftsführerin verantwortlich und widmet sich der Beratung und Immobilienvermarktung sowie der Realisierung von Digitalisierungsprozessen in der Immobilienbranche.