„Was nach einer gleichlaufenden Entwicklung aussieht, zeigt bei eingehender Betrachtung eine tiefe Verwerfung in der Risikowahrnehmung“, sagt Ivan Mlinaric, Geschäftsführer der Quant.Capital Management GmbH: „Griechenland stabilisiert sich, die USA rutschen tiefer in die Krise.“
Die Signale aus der Parallelbewegung könnten tatsächlich kaum unterschiedlicher sein: „In den USA grassiert die Seuche“, so Mlinaric.
Die Zahl der Corona-Infektionen steigt im Rekordtempo. Viele Bundesstaaten und Gemeinden müssen ihre verfrüht vollzogenen Maßnahmen zur wirtschaftlichen Öffnung wieder zurückfahren. Die US-Wirtschaft hat den ersten Lockdown noch nicht verwunden, da droht ein zweiter. Auch wenn dies regional unterschiedlich gehandhabt werden wird: Die Lieferketten, der inner-US-amerikanische Warenverkehr, werden leiden, die Wirtschaft insgesamt schwächeln.
„Die Sorge vor einer tieferen wirtschaftlichen Rezession nimmt zu“, sagt Mlinaric. „Deshalb flüchten Anleger verstärkt in vermeintlich sichere Staatsanleihen.“
Griechenland dagegen ist in den Augen vieler Marktteilnehmer seit längerem ein potenzieller Pleitekandidat, die Anleihen entsprechend risikobehaftet.
„Investoren verlangen für das erhöhte Ausfallrisiko griechischer Staatsanleihen einen Sicherheitsaufschlag gegenüber deutschen Staatsanleihen“, so Mlinaric.
Dieser Spread lag Ende April noch bei rund 2,5 Prozent. Bis jetzt hat er sich auf rund 1,35 Prozent verringert.
„Renditen an oder nahe historischer Tiefststände und niedrige Spreads sind ein klares Anzeichen, dass die Risikowahrnehmung für Griechenland rückläufig ist“, sagt Mlinaric.
Insofern sind die niedrigen Zinsen hier nicht Ausdruck der Sorge, sondern der Zuversicht.
Auch die Zinsen in Großbritannien erreichten neue Rekord-Tiefstände.
„Große Beachtung findet das an den Märkten aber nicht mehr, die britische Wirtschaft zerlegt sich wegen des Brexits und wegen des merkwürdigen Umgangs mit der Pandemie gerade im Rekordtempo“, so Mlinaric. Hier drohe in Zukunft eher ein vollständiger Käuferstreik, was dann die Renditen optisch wieder nach oben katapultieren könnte. „Vielleicht nicht ganz auf die Höhe Argentiniens, aber deutlich über das US-amerikanische und das europäische Niveau“, so Mlinaric.